Building Information Modeling

„Es braucht keine neuen Regelungen, sondern ein Umdenken“

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  • JUVE

Das neue Trendthema der Baubranche ist Building Information Modeling (BIM). Die Planungsmethode setzt auf Kooperation aller am Bau Beteiligten, so dass Großprojekte preislich und zeitlich nicht mehr aus dem Ruder laufen. Auf den ersten Blick scheint das Vergaberecht mit BIM schwer vereinbar zu sein, da es eine gemeinsame Planung vor der Ausschreibung nur bedingt zulässt. JUVE sprach dazu mit Prof. Dr. Antje Boldt, Partnerin bei Arnecke Sibeth Siebold.

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Antje Boldt
Antje Boldt

JUVE: Die neue Planungsmethode BIM sieht vor, dass alle an einem Bauprojekt Beteiligten gemeinsam planen – und das bereits vor dem ersten Spatenstich. So soll nichts aus dem Ruder laufen. Aber steht das Vergaberecht diesem Ansatz nicht entgegen?
Antje Boldt:
Das stimmt. Das Vergaberecht geht grundsätzlich davon aus, dass der öffentliche Auftraggeber in einem ersten Schritt sein Bauvorhaben plant und anschließend seine Auftragnehmer über die Ausschreibung von Bauleistungen findet. Die Bauunternehmen steigen also erst zu einem sehr späten Zeitpunkt in die Planung ein, an dem Synergien nur noch mühsam gehoben werden können.

Gibt es eine Lösung für diese Zwickmühle?
Aus meiner Sicht ja. Dazu grenzt man die Beratungsphase und die Planungsphase eines Projekts, die sich bislang bei Bauvorhaben regelmäßig überschneiden, klar voneinander ab. Denn der Vorteil von BIM beruht ja gerade auf dem Grundsatz: Erst planen, dann bauen. Auf dieser Grundlage vergibt der Auftraggeber die Bauleistungen auch in zwei Schritten. Das heißt: Am Anfang der Beratungsphase steht ein Vergabeverfahren, bei dem die Auftragnehmer, also die Bauunternehmer, ihre Angebote auf der Basis einer ersten Entwurfsplanung abgeben. Die Entwurfsplanung hat zuvor der Auftraggeber gemeinsam mit seinen Objekt- und Fachplanern erstellt.

Wie kann der Auftraggeber in diesem Stadium, in dem erst eine grobe Planung des Bauvorhabens vorliegt, den richtigen Unternehmer finden?
Zu diesem Zeitpunkt wird die Eignung der Unternehmer geprüft und es werden bestimmte Leistungsparameter abgefragt. Die Bieter legen Referenzen vor und zeigen, dass sie in der Lage sind, die Bauaufgabe zu erfüllen. Anschließend findet unter den geeigneten Firmen ein reiner Preiswettbewerb statt, dem Standardleistungsverzeichnisse zugrunde liegen. Dabei muss der Auftragnehmer seine Kalkulationsansätze offen legen und bleibt auch an diese gebunden. Beispiele für diese Kalkulationsansätze sind Gerätekosten, Lohnkosten und Spannbreiten für Stoffkosten.

Wie geht es dann weiter?
Der Gewinner der ersten Ausschreibung bringt sein Wissen in den Planungsprozess ein und trägt somit zur Optimierung des gesamten Projekts bei. In dieser Phase findet also die gemeinsame Planung in BIM statt. Am Ende der Beratungsphase gibt der Auftragnehmer schließlich ein zweites Angebot ab, in das er alle bisherigen Erkenntnisse bezüglich Aufwand und Kosten einfließen lässt. Erst zu diesem Zeitpunkt bewirbt sich der Bauunternehmer also für die tatsächliche Umsetzung des Projekts. Dabei muss er nachweisen, dass er seine Kalkulationsansätze nicht verändert hat. Weicht das Angebot allerdings zum Beispiel um mehr als zehn Prozent von der ursprünglichen Kostenberechnung ab, kann der Auftraggeber die Bauleistungen auf Grundlage des zuvor erarbeiteten Modells neu ausschreiben und einen anderen Auftragnehmer wählen.

Kann es hier zu Reibungsverlusten kommen?
Ja und nein: Der Nachteil der Neuvergabe ist Zeitverlust. Denn zum einen beansprucht die Suche nach einem neuen Auftragnehmer Zeit. Zum anderen müssen mit diesem nach der Suche eventuell einzelne Planungsschritte wiederholt werden. Allerdings verliert man gegenüber der herkömmlichen Ausschreibung keine Zeit, weil man auch hier erst die Planung und dann durch eine Ausschreibung die Bauleistung vergibt.

Und der zunächst erfolgreiche Auftragnehmer wird sich gegen sein Abberufung wehren.
Stimmt. Daher muss geregelt werden, dass dieser keinen Anspruch auf Schadensersatz hat, sollte er nach der Beratungsphase den Auftrag nicht erhalten. In diesem Zusammenhang muss auch vereinbart werden, dass der Auftragnehmer eine Pauschalvergütung dafür erhält, dass der Auftraggeber das Wissen, das der Auftragnehmer bereits in das Projekt eingebracht hat, im Fortlauf des Projekts weiter verwenden darf.

Wäre das Festhalten am ersten Auftragnehmer eine sinnvolle Alternative, um den Zeitverlust und sonstige Probleme zu vermeiden?
Wenn das Projekt möglichst schnell durchgeführt werden soll, ja. Allerdings ergibt sich daraus ein neues Problem: Wenn das zweite Angebot des Auftragnehmers nicht an preisliche Vorgaben gebunden ist, hat dieser den Auftraggeber in der Hand und kann den Preis diktieren.

Einige Juristen haben mit der Einführung von BIM neue rechtliche Regelungen gefordert. Beim Vergaberecht ist dies trotz der geschilderten Schwierigkeiten aber nicht notwendig?
Nein, BIM braucht nicht unbedingt neue Regelungen. BIM braucht nur ein Umdenken bei der Beauftragung des Unternehmers. Und es braucht ein Umdenken aller Beteiligten im Hinblick auf Kooperation.

Das Gespräch führte Christin Nünemann.

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