JUVE: Die Deutsche Telekom will ihre Unternehmenskultur überprüfen lassen – ein einmaliger Vorgang in der deutschen Unternehmenslandschaft. Haben Sie es nötig?
Thomas Kremer: Sie meinen, ob bei uns ein Riesenskandal schlummert? Nein, aber die großen Fälle bei anderen Konzernen haben uns schon nachdenklich gestimmt. Was für eine Unternehmenskultur braucht es, um solche Gesetzesverstöße zu verhindern? Und wissen wir wirklich, wie es um unsere Kultur bestellt ist? Deshalb haben wir im Vorstand beschlossen, genauer hinzuschauen und dieses Projekt gestartet.
Welche Motivation und welches Konzept stecken hinter der Untersuchung?
Kremer: Es gibt bei der Telekom Null Toleranz für Verstöße gegen Gesetze und Unternehmensregeln. Wir haben ein gut funktionierendes Compliance-Management-System aufgebaut, um Fehlverhalten möglichst zu vermeiden. Jetzt gehen wir aber einen Schritt weiter: Wir wollen wissen, ob die Mitarbeiter Fehlverhalten wirklich offen ansprechen können. Das ist eine Kulturfrage und entsprechend komplex.
Welche Aspekte wollen Sie durchleuchten lassen?
Manuela Mackert: Der erste Schritt ist eine Analyse unserer Ist-Situation mithilfe einer wissenschaftlichen Studie. Dafür werden Mitarbeiter repräsentativ konzernweit befragt, also national und international. So wollen wir herausfinden, wie es um unsere Unternehmenskultur im Arbeitsalltag tatsächlich bestellt ist und welche Ursachen es für mögliches Fehlverhalten gibt. Dabei geht es sowohl um die Selbstverantwortung des Einzelnen als auch um das Führungsverhalten. Welchen Einfluss haben etwa Ziele, die vorgegeben werden? Auch unklare Verantwortlichkeiten können ein Problem sein. All das wollen wir uns anschauen. Wir verstehen Compliance als Haltung und nicht als Regelwerk.
Untersuchen werden die European School of Management und die Hertie School of Governance. Warum haben Sie sich für diese beiden Institutionen entschieden?
Mackert: Wir haben uns mehrere Institute angesehen und uns erste Konzepte präsentieren lassen. Diese beiden haben uns am meisten überzeugt. Entscheidend war für uns vor allem die internationale Erfahrung und die Fähigkeit, theoretische Kenntnisse in Unternehmen praktisch umsetzen zu können.
Der Prozess wird zudem von einem unabhängigen Expertengremium begleitet. Wer gehört dazu und welche Aufgaben hat das Gremium?
Mackert: Uns war wichtig, dass wir für dieses Projekt externe Expertise als Unterstützung bekommen, schließlich betreten wir damit Neuland. Wir wollen unabhängige Experten, die sich aktiv in die Studie einbringen und die Ergebnisse prüfen können. Und schließlich erwarten wir auch, dass das Gremium Verbesserungsvorschläge erarbeitet. Dafür haben wir international renommierte Compliance- und Integritätsexperten gewinnen können, aber auch Querdenker wie die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth.
Wer ist innerhalb der Telekom für Begleitung der Untersuchung zuständig?
Kremer: Manuela Mackert ist Chief Compliance Officer, also natürlich auch im Expertenrat vertreten. Mit Monika Brandl haben wir eine Vertreterin der Arbeitnehmer an Bord. Und Birgit Klesper vertritt den Personal- und Nachhaltigkeitsbereich der Telekom.
Welches Budget steht für die Studie zur Verfügung?
Mackert: Ach wissen Sie, mit Budget ist es immer so eine Sache: Für die einen ist es zu viel, für die anderen zu wenig. Deshalb wollen wir die Frage nach dem Budget lieber nicht konkret beantworten. Soviel sei aber gesagt: Es ist das größte Einzelprojekt im Vorstandsressort Datenschutz, Recht und Compliance, und das gilt auch für das Budget.
Mitte 2017 sollen die Ergebnisse vorliegen. Bei einem Unternehmen Ihrer Größe wird es sicher Punkte geben, an denen gearbeitet werden müsste. Eine Unternehmenskultur zu verändern, ist aber schwierig – wie sehen Ihre ersten Ideen für eine Umsetzung der Ergebnisse aus?
Mackert: Das spannende an dieser Studie ist, dass wir mögliche Diskrepanzen in der Wahrnehmung der Unternehmenskultur aufdecken können. Jetzt schon davon zu sprechen, dass die Unternehmenskultur verändert werden muss, würde das Ergebnis vorwegnehmen. Wenn das aber erforderlich sein sollte, werden wir das tun. Dabei sind wir uns voll im Klaren darüber, dass es für Kulturveränderungen Ausdauer braucht.
Sie planen, die Studienergebnisse als Weißbuch zu publizieren. Warum halten Sie das für sinnvoll?
Kremer: Unser Anspruch ist es, mit diesem Schritt Standards in Sachen Compliance zu setzen und wir wollen Transparenz beweisen. Vielleicht lässt sich nicht alles eins zu eins auf andere Unternehmen übertragen, aber die Schwierigkeiten, die Konzerne haben, lassen sich durchaus vergleichen. Denken Sie beispielsweise an die Kritik, dass die Zentrale als Elfenbeinturm zu weit weg vom Tagesgeschäft ist oder die angebliche Lehmschicht des mittleren Managements, die verhindere, dass vom Vorstand gewünschte Veränderungen bei den Mitarbeitern auch wirklich ankommen. Das sind Themen, die alle großen Unternehmen beschäftigen – oder beschäftigen sollten.
Das Gespräch führte Astrid Jatzkowski.