Anlass für die Veränderungen war, dass sich Audi häufiger mit Patentprozessen in den Vereinigten Staaten befassen musste. Bislang stemmte die von Martin Wagener geleitete Rechtsabteilung die Vorarbeiten für US-Verfahren im Bereich Patente oder Produkthaftung weitgehend selbst. Vieles davon, vor allem bei der elektronischen Beweissicherung (E-Discovery), wird ihr künftig Freshfields abnehmen. Die Kanzlei setzte sich in einem Pitch durch. Aus dem Markt ist bekannt, dass sich daran unter anderem auch Noerr beteiligt hatte, die seit Langem gute Beziehungen zu dem Ingolstädter Konzern unterhält. Die Kanzlei äußerte sich hierzu nicht.
Fachteams zuständig für Rechtsstreits – Klimek wird zentrale Instanz
Traditionell liegt die interne Betreuung von Rechtsstreitigkeiten bei den jeweils fachlich zuständigen Teams. Daran will Audi auch nicht rütteln, schafft jedoch mit der Ernennung Klimeks eine zentrale Instanz für Litigation. Klimek, der schon lange für Audi tätig ist und sich zuletzt vor allem um Fragen von Produktsicherheit und das Verkaufs-Folgemanagement gekümmert hat, wird seinen bisherigen Tätigkeitsbereich weiter behalten. Zusätzlich übernimmt er die Aufgabe, einheitliche Rahmenbedingungen für Audis Prozessstrategie zu schaffen. Auch das systematische weltweite Erfassen der Prozesse fällt in seinen Verantwortungsbereich. Wie es heißt, kann sein Team, wenn es erforderlich ist, Verfahren auch an sich ziehen.
An der etablierten Zusammenarbeit mit einigen US-Kanzleien wird sich voraussichtlich nichts ändern. So arbeitet Audi etwa seit Langem in US-Produkthaftungsfällen mit der New Yorker Kanzlei Herzfeld & Rubin zusammen. In Patentsachen kooperiert Audi unter anderem mit der IP-Kanzlei Kenyon & Kenyon. Diese sollen auch weiterhin vor den US-Gerichten auftreten. Die Beweissammlung und aufgrund internationaler Abkommen unter Umständen auch die Beweisaufnahme könnte aber nun nach Deutschland geholt werden.
Freshfields macht internationale Verfahrensplanung und elektronische Beweissicherung
„Unsere Hauptarbeit liegt bei der grenzüberschreitenden Verfahrensplanung und der Unterstützung der E-Discovery“, beschreibt Dr. Michael Rohls, der ab Mai Partner bei Freshfields sein wird, die künftigen Aufgaben seiner Kanzlei. Er wird von Frankfurt nach München wechseln, wo Freshfields unter seiner Leitung eine Konfliktlösungspraxis aufbauen will. Mit ihm gehen die Associate Elisabeth Schaupp, derzeit ebenfalls in Frankfurt, und Principal Associate Dr. Martin Eimer, aktuell in Düsseldorf. Das Audi-Mandat und der Umzug nach München treffen zwar zeitlich zusammen, doch sagt Rohls: „Wir haben in der Vergangenheit schon viele Münchner Prozesse aus Frankfurt heraus gesteuert.“ Die räumliche Nähe zu Mandanten wie Siemens und Unicredit habe den strategischen Schritt aber sicherlich beschleunigt. Client Partner für das Audi-Mandat wird der Frankfurter Dr. Rolf Trittmann.
Ex-Audi-Secondee als Brückenkopf
Rohls und Audi sind sich jedoch nicht fremd. Vor einigen Jahren war Rohls als Secondee bei dem Autobauer. Im Münchner Freshfields-Büro ist bereits seit Dezember Karin Geissl, eine Anwältin, die die Audi-Rechtsabteilung ebenfalls gut kennt. Bevor sie im Dezember als Counsel bei Freshfields einstieg, war sie bis Oktober 2010 bei der US-Kanzlei Carroll Burdick & McDonough in Kalifornien tätig. Dort war die Prozessspezialistin mit Schwerpunkt Produkthaftung Anfang 2010 zur Partnerin ernannt worden. Auch Carroll Burdick gehört zu den Kanzleien, mit denen Audi wie auch andere deutsche Kfz-Hersteller arbeiten.
Geissl hat sowohl die US- als auch die deutsche Anwaltszulassung. Bei Carroll Burdick war sie mehr als acht Jahre tätig. Einer ihrer Branchenschwerpunkte dort war die Automobilindustrie. Auf wessen Initiative ihr Wechsel zurückzuführen ist, ist nicht bekannt. Es ist jedoch anzunehmen, dass Geissl eine wichtige Rolle als Brückenkopf zwischen Audi, Freshfields und den US-Kanzleien spielen wird.
Der klar strukturierte Umgang mit Prozessen gewinnt für deutsche Unternehmen zusehends an Bedeutung. Vorreiter war hier der Siemens-Konzern, der 2008 unter der Leitung der Clifford Chance-Partnerin Dr. Anke Sessler mit dem Aufbau einer Litigation-Abteilung begann (mehr…). Auch die Deutsche Bank rückte mit ihrem Outsourcing an Noerr die strategisch orientierte Betreuung von Verfahren ins Zentrum der Inhouse-Arbeit (mehr…).