Dabei stellt die Kommission nicht das EEG-System an sich in Frage. Die öffentliche Förderung, die den Erzeugern erneuerbaren Stroms auf der Grundlage des EEG 2012 in Form von Einspeisetarifen und Marktprämien gewährt, sei zwar eine Beihilfe. Grundsätzlich stehe sie jedoch mit den Leitlinien der Kommission über staatliche Umweltschutzbeihilfen 2008 im Einklang.
Die Kommission kritisiert zwei Aspekte des EEG: die Teilbefreiung von der EEG-Umlage zugunsten stromintensiver Unternehmen und das „Grünstromprivileg“ nach Paragraf 39 EEG. Hinter Letzerem vermutet sie eine Diskriminierung, weil es einen Unterschied zwischen inländischem und importiertem erneuerbaren Strom aus vergleichbaren Anlagen macht.
Weitreichender sind jedoch die Einwände gegen die Ausgleichsregelungen für stromintensive Unternehmen. Diese werde nach Meinung der EU-Kommission aus staatlichen Mitteln finanziert und stehe nur bestimmten Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes offen. Damit werde den Begünstigten ein selektiver Vorteil gewährt, der den Wettbewerb im EU-Binnenmarkt wahrscheinlich verfälsche. Unter bestimmten Voraussetzungen seien diese Ausnahmen aber auch gerechtfertigt, so die Kommission, etwa um eine Verlagerung von CO2-Emissionen zu vermeiden.
Konsultationsprozess
Dazu bittet die EU ausdrücklich um Stellungnahmen Dritter. Dafür haben betroffenen Unternehmen mit der Veröffentlichung des Eröffnungsbeschlusses im Amtsblatt der EU einen Monat lang Zeit. „Die Unternehmen haben damit noch einmal die Möglichkeit darzulegen, weshalb in ihrem Fall keine rechtswidrige Beihilfe vorliegt. Präventiv wird teils über die Erhebung einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV schon gegen den Eröffnungsbeschluss nachgedacht“, sagt Ines Zenke, Partnerin bei Becker Büttner Held. Im Falle einer späteren „Negativentscheidung“ könnten betroffene Unternehmen gegebenenfalls mit einer eigenen Nichtigkeitsklage zum Europäischen Gericht gehen.
Doch die EU stellt nicht nur das deutsche EEG in Frage. Parallel unterzieht sie derzeit die Leitlinien für staatliche Umweltschutzbeihilfen einer generellen Überprüfung. Die Ergebnisse werden in dem Verfahren gegen die Bundesrepublik noch relevant. Schon im Eröffnungsbeschluss diskutiert die Europäische Kommission die Rechtfertigung der vermeintlichen Beihilfen anhand der Kriterien aus dem Entwurf der neuen EU-Beihilferichtlinien. „Unternehmen, die jetzt vom Beihilfeverfahren betroffen sind, sollten sich daher den Entwurf der Leitlinien genau anschauen und sich dazu bei der Kommission mit Stellungnahmen einbringen“, sagt Energierechtlerin Zenke.
Schlechtes Timing
Auf die aktuelle Förderung hat das Verfahren zunächst keine Auswirkungen: Die deutsche Förderung des Ökostroms darf wie bisher weiterlaufen, bis das Verfahren abgeschlossen ist. Das für die Ausgleichsregelungen zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) wird auch weiterhin entsprechende Anträge prüfen. Allerdings dürfte die Parallelität des EU-Beihilfeverfahrens, der geplanten EEG-Novellierung in Deutschland bis zum Sommer 2014 und die anstehende Europawahl die Klärung der Fragen zusätzlich komplizieren.
„Der Rahmen des Verfahrens und der Zeitpunkt des Verfahrens öffnen für die betroffenen Unternehmen die Büchse der Pandora, es besteht große Rechtsunsicherheit“, meint Beihilfeexperte Thomas Lübbig von der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer. „Die neuen Richtlinien für die Umweltbeihilfen werden bezogen auf das deutsche EEG vor allem das Kriterium des internationalen Wettbewerbs in den Mittelpunkt stellen“, sagt Lübbig. Industrieunternehmen, die vor allem Konkurrenten in Ländern der EU haben, würden die Ausnahmeregelungen dann nicht mehr beanspruchen können.