Gesetzesinitiative von DGB und Arbeitgebern

Arbeitsrechtler unterstützen Vorstoß zur Tarifeinheit

Mit einem seltenen gemeinsamen Vorstoß wollen Arbeitgeberverbände und der Deutsche Gewerkschaftsbund die Tarifeinheit gesetzlich sichern. Führende Praktiker begrüßen die Initiative. Doch wäre ein solches Gesetz überhaupt verfassungskonform?

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Mit ihrem Vorschlag reagieren die Tarifpartner auf die neue Linie des vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Dieser hatte Ende Januar angekündigt, seine Rechtsprechung zu ändern und nicht länger am Grundsatz der Tarifeinheit festzuhalten. Arbeitgeber und DGB wollen daher das Tarifvertragsgesetz neu fassen: In einem Unternehmen solle nur der Tarifvertrag mit derjenigen Gewerkschaft gelten, die die meisten Mitglieder in dem Betrieb hat. Für die Laufzeit dieses Tarifvertrages würde dann in dem Betrieb auch für andere Gewerkschaften die Friedenspflicht gelten.

Tarifverträge für spezielle Beschäftigungsgruppen innerhalb eines Unternehmens blieben davon unberührt. Unterschiedliche Abkommen, wie sie etwa die Lufthansa mit der Pilotenvereinigung Cockpit oder die Deutsche Bahn mit der Lokführergewerschaft GDL abgeschlossen hat, soll es also auch weiterhin geben.

Allerdings birgt der Vorschlag ein wesentliches Problem. Da Firmen ihre Mitarbeiter nicht nach ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit fragen dürfen – was jedoch nötig wäre, um die größte Gewerkschaft zu identifizieren -, schlagen DGB und Arbeitgeber vor, entsprechende Listen bei einem Notar zu hinterlegen. Dieser soll dann ermitteln, hinter welcher Arbeitnehmerorganisation die meisten Mitglieder stehen.

„Die Aufgabe der Tarifeinheit führt zu einer höheren Komplexität in der Tarifsituation“, sagt Dr. Katrin Haußmann, Arbeitsrechtspartnerin bei Gleiss Lutz in Stuttgart. Arbeitgeber fänden sich laufend mit Streikgefahr konfrontiert. Auf der anderen Seite könnten Verhandlungen mit Spezialistengewerkschaften andere Ergebnisse bringen. „Die Initiative zeigt, dass die betriebliche Praxis die Tarifeinheit bevorzugt. Jedoch gibt es Beispiele, wie etwa in der Branche der IT-Dienstleister oder bei Krankenhäusern, die zeigen, dass es durchaus möglich ist, mehrere gültige Tarifverträge unter einem Dach zu haben. Sollte das BAG seine Rechtsprechung ändern und die Tarifeinheit von den Tarifpartnern übereinstimmend gewünscht sein, wäre es sicherlich der richtige Weg, das entsprechend gesetzlich zu verankern“, so Haußmann.

Thomas Ubber, Arbeitsrechtler im Frankfurter Büro von Hogan Lovells, würde es begrüßen, wenn sich der Gesetzgeber „sehr kurzfristig“ mit dem Vorschlag auseinandersetzen würde. „Grundsätzlich sollte der Gesetzgeber eher zurückhaltend sein, wenn es darum geht, politisch unliebsame gerichtliche Entscheidungen durch gesetzliche Maßnahmen auszuhebeln.“ Hier sei die Situation aber ausnahmsweise anders, so Ubber. Der Wegfall der Tarifeinheit würde zu unerträglichen Konsequenzen führen, insbesondere im Bereich des Arbeitskampfrechts. „Das können wir uns gerade in der angespannten und sensiblen wirtschaftlichen Situation nicht leisten“, so der Hogan Lovells-Partner.

Ubber hat sich speziell im Arbeitskampfrecht zuletzt mit der Beratung der Lufthansa in der Auseinandersetzung mit der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (mehr…) einen Namen gemacht. 2007 stand er an der Seite der Deutschen Bahn in der Auseinandersetzung mit der GdL beim Lokführerstreik. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein Gesetz zur Regelung der Tarifeinheit sieht er nicht. „Vielmehr trägt der Vorschlag zu der vom Grundgesetz geschützten Funktionsfähigkeit des Tarifsystems bei“, betonte Ubber.

Auch Dr. Axel Braun, Arbeitsrechtspartner im Kölner Büro von Luther, hält den Vorschlag für verfassungsrechtlich zulässig und vernünftig. Den Bedenken, damit würden Betätigungsrechte von Gewerkschaften eingeschränkt, entgegnet er: „Die Kleingewerkschaften werden nicht ausgebootet, sondern wieder auf das zurückgeführt, was sie sind, nämlich kleine Gewerkschaften.“

Dr. Mark Lembke bezweifelt dagegen, ob der Grundsatz der Tarifeinheit mit dem Grundgesetz und insbesondere mit der grundrechtlichen Garantie der Koalitionsfreiheit vereinbar ist. „Nach dem hier geforderten Prinzip der Tarifeinheit würden die von einer ‚Minderheitsgewerkschaft‘ abgeschlossenen Tarifverträge ihrer Gültigkeit beraubt werden. Eine derartige Verdrängung von
rechtsgültig abgeschlossenen Tarifverträgen würde einen Eingriff in die kollektive Koalitionsfreiheit der Minderheitsgewerkschaft und ihres Tarifvertragspartners sowie in die individuelle Koalitionsfreiheit der dort organisierten Arbeitnehmer und Arbeitgeber darstellen“, sagt der Arbeitsrechtspartner der Frankfurter Kanzlei Greenfort. Er vertritt unter anderem die Interessen des Arbeitgeberverbands Mittelständischer Personaldienstleister e.V. in einem Verfahren um die Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP), das derzeit vor dem BAG anhängig ist. (Geertje Oldermann)

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