Interessant an dem Fall ist bereits auf den ersten Blick eine Formalie: Die Kanzlei zahlte, obwohl die Staatsanwaltschaft das gegen unbekannt laufende Verfahren mangels hinreichendem Tatverdacht eingestellt hat. Warum?
Internal Investigation trifft Prozessvertretung
Der Hintergrund: Hogan Lovells war mit einer internen Ermittlung bei Porsche beauftragt. Die Compliance-Praxis um Dr. Sebastian Lach sollte im Zusammenhang mit dem Dieselskandal die Vorgänge bei Porsche untersuchen. Anschließend – und das ist der beste Fall für eine Großkanzlei – übernahm ein großes Litigation-Team um die Partner Lach, Dr. Olaf Gärtner und Dr. Ina Brock die Verteidigung des Unternehmens gegen Klagen von Porsche-Kunden.
Wie das Manager Magazin nun berichtet, soll es in einem dieser Schadensersatzprozesse zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein, die Ermittlungen wegen möglichen versuchten Prozessbetrugs nach sich zogen. In dem Artikel heißt es, „die Argumentation der Hogan Lovells-Anwälte in dem Verfahren habe teilweise nicht mit dem übereingestimmt, was schon über die Vorgänge bei Porsche bekannt war“.
Auf welchem Weg die Informationen aus dem Zivilprozess zur Staatsanwaltschaft gelangt sind, ist nicht bekannt. Vielleicht hat die Gegenseite im Verfahren einen Hinweis gegeben oder aber die Kammer. Jedenfalls hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts auf Prozessbetrug aufgenommen, die sie ein Jahr später mangels Tatverdacht gegen einen konkreten Beschuldigten nach Paragraph 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung wieder einstellte.
Hogan Lovells: Es gab keine Verfehlungen
Trotzdem zog sie auf Basis des Ordnungswidrigkeitengesetzes nach Paragraph 29a Absatz 1 und 5 Taterträge ein. Wie viel genau, ist nicht bekannt. Die Kanzlei nennt die Summe nicht, das Manager Magazin schreibt 6 Millionen, die Staatsanwaltschaft bestätigt auf JUVE-Anfrage den Sachverhalt und die „Einziehung in mittlerer siebenstelliger Höhe gegen eine Gesellschaft“, ohne dabei Namen zu nennen.
Hogan Lovells erklärte gegenüber JUVE, dass kein Mitarbeiter von Hogan Lovells in dem fraglichen Zivilprozess falsch vorgetragen habe und zu keinem Zeitpunkt ein Verfahren gegen einen Mitarbeiter von Hogan Lovells wegen Prozessbetruges geführt wurde. Bei keinem Partner oder Mitarbeiter seien Berufspflichtverletzungen, Ordnungswidrigkeiten oder strafbare Handlungen festgestellt worden.
„Es gibt keine Strafe, kein Bußgeld oder sonstige Sanktion gegen Hogan Lovells. Gleiches gilt für unsere Partner und Mitarbeiter“, heißt es ebenfalls in der Stellungnahme. Das ist technisch gesehen richtig. Trotzdem hat die Kanzlei keine Rechtsmittel gegen die hohe Einziehung eingelegt. Diese Entscheidung sei allein aus zeitlichen Gründen getroffen worden, um mit dem Aufwand des Verfahrens nicht mehr belastet zu sein, so Hogan Lovells.
„Das sieht aus wie ein Deal“
JUVE hat mit namhaften Strafrechtlern über die Kombination der Paragraphen 170 Strafprozessordnung und 29 des Ordnungswidrigkeitengesetz gesprochen. Denn auf den ersten Blick besteht ein Widerspruch zwischen dem „Freispruch erster Klasse“ und einer Einziehung von Taterträgen in deutlicher Höhe.
Tatsächlich ist die Kombination nicht ausgeschlossen, kommt aber in der Praxis eher selten vor. In der Regel, so ein Strafrechtler, deutet das auf einen Deal mit der Staatsanwaltschaft hin: „Von außen betrachtet muss man sagen, dass die strafrechtlichen Berater der Kanzlei sehr gute Arbeit geleistet haben.“
Hogan Lovells wurde nach JUVE-Informationen in dem Fall von Prof. Dr. Björn Gercke von Gercke Wollschläger und von Dr. Stephan Beukelmann von Beukelmann Müller Partner beraten. Beide wollten gegenüber JUVE keine Stellungnahme abgeben.
Der zeitliche Aufwand für Hogan Lovells, die für diesen Fall externe Anwälte beauftragte, muss nach Meinung von Experten nicht der einzige Grund dafür gewesen sein, keine Rechtsmittel einzulegen. Ermittlungen zu möglichem Prozessbetrug bedeuten immer ein hohes Reputationsrisiko für eine Kanzlei, egal zu welchem Ergebnis die Staatsanwaltschaft am Ende kommt. Sechs Millionen Euro sind zwar ein stolzer Preis, aber nicht zu viel für den guten Ruf. Und auch der mittlerweile börsennotierten Mandantin Porsche kam die bis zum Bericht des Manager Magazins stillschweigende Beendigung des Verfahrens sicher sehr gelegen.
Kritik am Management
Das Thema stellt Hogan Lovells allerdings auch intern vor Herausforderungen. Dabei geht es nicht um die Höhe der Zahlung. Die fällt nach Meinung von Partnern, mit denen JUVE gesprochen hat, bei einem Umsatz von weltweit über zwei Milliarden Euro und Kosten von rund einer Milliarde Euro nicht ins Gewicht.
Partner Lach gehört nach diesen Informationen zu den Topverdienern der Kanzlei. Das Vergütungssystem der Kanzlei mache es möglich, eine Einziehung dieser Art auf Partner-Level in den Partner-Entnahmen zu berücksichtigen. Wer allerdings in diesem konkreten Fall für die Einziehung aufgekommen ist, ist nicht bekannt. Nach JUVE-Informationen ist sie jedoch nicht von einer Versicherung übernommen worden.
Vielen Partnern stößt es sauer auf, wie das Management in dieser Angelegenheit kommuniziert. Nach JUVE-Informationen wurde die deutsche Partnerschaft am vergangenen Donnerstag, also einen Tag vor Erscheinen des Artikels im Manager Magazin, per Mail von Managing-Partner Dr. Detlef Haß informiert.
Den Inhalt der Mail beschreiben Partner als „profan“. Es habe darin einen Hinweis auf die Einziehung gegeben samt einer kurzen Erklärung. Keine Rede von der Höhe der Summe und wie sie bezahlt wurde. Ein Partner gibt an, die Mail gar nicht zu Ende gelesen zu haben, weil sie so bedeutungslos erschien. „So ist es auch anderen Partnern ergangen“, betont er. „Für mich stellt sich nach der Lektüre des Artikels im Manager Magazin die Frage nach der Kommunikations- und damit auch der Führungskultur.“
„Es beschweren sich die, die sich immer beschweren“
Andererseits war der Kreis an Personen innerhalb der Kanzlei, der mit dem Sachverhalt vertraut war, nach JUVE-Informationen recht groß: Neben dem Management aus München etwa gehörten dazu auch Mitglieder der mit Aufsichtsfunktionen betrauten regionalen Boards sowie auch die globale Kanzleiführung. Zu diesem oberen Führungsgremium gehören auch die deutschen Partner Dr. Tobias Faber und Dr. Andreas von Falck. Auch die Fachleute aus Finance und Audit waren nach JUVE-Informationen über den „Deal“ mit der Staatsanwaltschaft im Bilde.
„Diejenigen, die sich nun über die Kommunikation beschweren, sind die, die sich immer beschweren“, hört man ebenfalls aus Partnerkreisen. In einer Partnerschaft von über 800 Anwälten weltweit könne man nicht erwarten, dass jeder interne Compliance-Fall breit kommuniziert wird. Da müsse man Abstriche machen, „zumal die Kommunikation in diesem Fall tadellos funktioniert hat“. Jedenfalls bis zu dem Tag, an dem der Fall in der Zeitung stand.