JUVE: Bundeswirtschaftsminister Gabriel will einen ständigen multilateralen Investitionsgerichtshof. Aber zeigen die Verhandlungen mit Vietnam, Kanada und zu TTIP nicht, dass die Staatengemeinschaft noch Lichtjahre davon entfernt ist?
Matthias Machnig: Genau das Gegenteil ist richtig. Die Voraussetzungen für einen internationalen Konsens über einen solchen Gerichtshof sind so günstig wie nie. Die EU-Kommission setzt sich in allen Abkommen, die sie verhandelt, für den Gerichtshof ein. In einem ersten Schritt haben wir es geschafft, mit Vietnam und Kanada erstmals bilaterale öffentliche Investitionsgerichtshöfe zu vereinbaren. Zudem haben sich Kanada, die EU und Vietnam verpflichtet, zusammen mit weiteren Staaten auf einen multilateralen Gerichtshof für Investitionsstreitigkeiten hinzuarbeiten. Weltweit sehe ich ein noch nie dagewesenes Interesse an Reformen im Bereich des Investitionsschutzes. Die G20, OECD und die UNCTAD beschäftigen sich intensiv mit dem Thema. Dieses Momentum werden wir nutzen.
Die EU-Kommission hat den Vorschlag für einen ständigen Investitionsgerichtshof in die TTIP-Verhandlungen eingebracht. Rechtsexperten gehen aber davon aus, dass sich die USA darauf nicht einlassen werden. Wie wollen die Europäer die USA von ihrem Vorschlag überzeugen?
Wer sind diese Experten, und woher leiten Sie ihre Meinung ab? Ich meine, die USA wissen sehr genau, welche Bedeutung der EU-Vorschlag für modernen Investitionsschutz für die EU und insbesondere für Deutschland hat. Mit privaten Anwälten besetzte Schiedsgerichte sind mit uns nicht machbar. Ich sehe auch, dass die USA genau wie alle anderen Staaten auf dieser Welt ein Interesse daran haben, ihr Regulierungsrecht zu wahren. Die Idee eines Berufungsgerichts ist in den Musterinvestitionsschutzverträgen der USA bereits angelegt. Wir sollten also durchaus in der Lage sein, mit den USA beim Thema Investitionsschutz auf einen Nenner zu kommen.
Der Vorschlag der Kommission geht auf eine Initiative aus Ihrem Hause zurück. Die Verhandlungen führt Brüssel. Welchen Einfluss hat die Bundesregierung aktuell auf die Ausgestaltung der Handelsabkommen und somit auch auf Gerichtssysteme zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten?
Es ist richtig, dass der Vorschlag der EU-Kommission für die Reform von Investitionsschutz in TTIP und die Einrichtung eines Investitionsgerichtshofes zu großen Teilen auf Vorschlägen von Bundesminister Gabriel und seinen Amtskollegen aus Frankreich, den Niederlanden, Schweden, Dänemark und Luxemburg basiert. Auch wenn die EU-Kommission die Verhandlungen führt: Die EU-Kommission erörtert normalerweise die EU-Verhandlungsposition vorab mit den Mitgliedstaaten. Die Bundesregierung und insbesondere Minister Gabriel und ich sind in diesem Prozess sehr engagiert und befinden uns – auch außerhalb der festen Gremien – in einem permanenten Austausch mit der Kommission. Diese enge Kooperation zwischen EU-Kommission und den Mitgliedstaaten ist sehr wichtig. Schließlich handelt es sich bei TTIP und CETA um gemischte Abkommen, die die Bundesregierung unterzeichnen und denen der Bundestag jeweils zustimmen muss.
Wäre das TTIP-Abkommen auch ohne die Investitionsschutzklauseln denkbar?
Wir haben immer gesagt, dass wir Investitionsschutz in Abkommen mit Industriestaaten nicht für unbedingt notwendig halten. Mit dieser Position haben wir uns aber innerhalb der EU nicht durchsetzen können. Deshalb haben wir uns für eine grundlegende Reform und Modernisierung des Investitionsschutzes in TTIP, CETA und den anderen Abkommen eingesetzt, welche die EU-Kommission verhandelt. Für uns ist klar: TTIP gibt es nur mit einem reformierten Investitionsschutz, der das Regulierungsrecht der Parlamente wahrt und transparente rechtsstaatliche Verfahren zur Streitbeilegung vorsieht.
Das Gespräch führten Sonja Behrens und Mathieu Klos.
Das vollständige Interview lesen Sie in der Konfliktlösung Spezialausgabe des JUVE Rechtsmarkts (06/2016), die am Dienstag erscheint.