Viele deutsche General Counsel sind sehr besorgt über die jüngsten Maßnahmen der US-Regierung in Bezug auf das amerikanische Justizsystem. Optimisten, die auf die Resilienz des Systems vertrauen, sind in der Minderheit. „Das sehr seltene und unerwartet deutliche Statement von Chief Justice John Roberts macht ein wenig Hoffnung, dass das Justizsystem sich noch wehrt“, meint ein Umfrageteilnehmer. „Am Umbau der Justiz ist jedoch bislang noch kein Autokrat gescheitert – ich sehe nicht, dass das in den USA anders sein könnte.“
Wenn überhaupt, wird es nur mit vereinten Kräften gelingen. 58 Prozent der Teilnehmenden erwarten deshalb, dass die Kanzleien Widerstand leisten und sich positionieren. Nur gut ein Zehntel denkt, Kanzleien sollten sich politischer Statements enthalten. „Ich bin der klaren Meinung, dass Kanzleien sich bekennen sollten“, sagt ein Inhouse-Jurist. „Wir als Berufsstand haben eine hervorgehobene Pflicht, die Demokratie – und hier insbesondere die Gewaltenteilung – zu verteidigen.“
Auch in den USA werden die Stimmen aus Mandantenkreisen allmählich lauter, die für das notorische Schweigen der dortigen Kanzleien zu allen Angriffen und Schmähungen des Weißen Hauses kein Verständnis mehr haben. Sie schließen sich Rachel Cohen an, einer jungen Anwältin von Skadden Arps Slate Meagher & Flom. Sie hat einen offenen Brief mitinitiiert, in dem inzwischen wohl mehr als 1.000 Associates ihre Kanzleimanager auffordern, Haltung zu zeigen. Die wenigsten outen sich jedoch. Cohen schreibt: „Es kann nicht dabei bleiben, weitgehend anonym zu sagen, dass jemand etwas unternehmen sollte.“
Konsequenzen bei Mandatierungsentscheidungen ziehen die deutschen Rechtsverantwortlichen bisher nicht. Ein gutes Fünftel ist aber nicht mehr davon überzeugt, dass seine Interessen noch vertreten werden. Immerhin 17 Prozent zweifeln zudem daran, dass die Vertraulichkeit der Kommunikation noch gewährleistet ist – ein Kernelement jeden Rechtsstaats.
Die meisten warten noch ab, ob und welche Konsequenzen sie ziehen müssen. Nur eine Minderheit von knapp 40 Prozent bekennt sich klar zur derzeitigen Mandatierung mit US-Bezug. „Wir beobachten die Entwicklung und sprechen darüber mit unseren US-Anwälten“, sagt ein Teilnehmer. Ein anderer betont: „Wir erwarten, dass das Thema durch die Kanzleien gelöst werden wird. Wir beobachten und werden dann handeln. Dies insbesondere mit Blick, darauf, ob wir als Unternehmen in den Scope der Behörden gelangen.“ Die in den USA exponierten Kanzleien sind hierzulande nicht k.o. – aber angezählt sind sie durchaus.
Nach dem Zeitpunkt der Befragung hat Trump seinen Druck auf Anwaltskanzleien weiter erhöht und erweitert. Er wies Generalstaatsanwältin Pam Bondi an, Anwälte und Kanzleien ins Visier zu nehmen, „die leichtfertige, unvernünftige und schikanöse Rechtsstreitigkeiten gegen die Vereinigten Staaten führen“. Bondi wird auch angewiesen, das Verhalten von Anwälten oder Kanzleien in den letzten acht Jahren auf Fehlverhalten zu überprüfen. Für einige US-Boutiquen, darunter die angesehene Litigation-Boutique Keker Van Nest & Peters, war damit das Maß voll: Sie positionierten sich öffentlich gegen die Maßnahmen gegen Anwälte.