JUVE: Wie kam es zur Schaffung der neuen Position?
Ingo Seidner: Die zunehmende Regulierung und das rasante Wachstum unserer geschäftlichen Aktivitäten verlangen eine Koordinierung der länderübergreifenden Compliance-Maßnahmen. Die Region EMEA umfasst 31 Länder mit 70 Standorten. Darunter sind neben den zentral- und osteuropäischen Staaten auch drei Länder in Afrika und drei im Mittleren Osten. Als international tätiges Unternehmen strebt JLL trotz unterschiedlicher Rechtssysteme und Kulturen einen möglichst einheitlich hohen Ethik- und Compliance-Standard an.
Welche Ziele werden Sie in dem Amt verfolgen?
Wir wollen eine konsistente Compliance-Strategie in der EMEA-Region umsetzen. Das oberste Ziel ist der Schutz der Marke JLL und deren Reputation am Markt. Unsere Kunden nehmen uns als integres und verlässliches Unternehmen mit hohem Qualitäts- und Ethikstandard wahr. Und das soll auch so bleiben. Dabei setzen wir vor allem auf eine Compliance-Kultur im Unternehmen, in der Fehlverhalten als unternehmensfremd und nicht tolerierbar gilt.
Welche Aufgabe werden Sie als erstes angehen?
Es gibt zwei Compliance-Kernrisiken in der Immobilienindustrie: die Nutzung großer Transaktionsvolumina zur Geldwäsche und die Korruption im weiteren Sinne. Der Schlüssel zur Minimierung dieser Risiken liegt in einer möglichst genauen und detaillierten Know-Your-Client-Prüfung, um bereits bei der Geschäftsanbahnung Risiken zu erkennen. Als global aufgestelltes Unternehmen mit global aufgestellten Kunden ist das langfristig nur im länderübergreifenden Rahmen möglich.
Wo liegen die besonderen Herausforderungen für das Thema Compliance in der internationalen Immobilienbranche?
Die Immobilienindustrie scheint dem Gesetzgeber, ganz gleich ob nationalen Parlamenten oder der EU-Kommission, mittlerweile als potenziell anfällig für Korruption und Geldwäsche zu gelten. Man sieht hier gewissermaßen einen ,Gefahrenherd‘. Darüber hinaus steht die Immobilienbranche im Fokus der Öffentlichkeit. Sie wird hier häufig im Zusammenhang mit den genannten Delikten gebracht.
Ist das nicht berechtigt?
Inwieweit das wirklich stimmt und diese Industrie wirklich stärker von Geldwäsche betroffen ist als andere, ist empirisch schwer nachzuweisen. Es gibt Bereiche, die für Geldwäsche sicherlich eher prädestiniert sind, wie zum Beispiel der Handel mit physischen Edelmetallen oder Diamanten. Fakt ist aber, dass auch die Geschäftsmodelle der Immobilienindustrie Möglichkeiten bieten, große Mengen an Geld zu transferieren, da Immobilen in der Regel teuer sind. Zudem erwirtschaften sie im Gegensatz zu Gold und Diamanten Renditen – sind also nicht bloß Gegenstand von Spekulationen.
Was kann man gegen den Missbrauch dieser Möglichkeiten tun?
Transaktionen sind die Voraussetzung für Geldwäsche. Darauf reagieren Gesetzgeber und Regulierungsbehörden mit komplexen Anforderungen und erheblichen Sanktionierungsdruck. Das zwingt die verantwortlichen Unternehmensleiter der Immobilienindustrie dazu, wirksame Compliance-Systeme einzurichten. International tätige Unternehmen müssen darüber hinaus mit unterschiedlichen Rechtssystemen und Kulturen umgehen, was die Komplexität weiter erhöht.
Wie werden die Bereiche Compliance und Legal sowohl in Deutschland als auch international künftig bei Jones Lang LaSalle aufgestellt sein?
Es kommt immer wieder die Diskussion darüber auf, ob diese Bereiche getrennt werden sollten. Ich habe dazu meine eigene Meinung: Wirksame Compliance ist keine Frage der Trennung der beiden Bereiche, sondern eine Frage der fachlichen Anforderung an den Compliance-Manager. Ich glaube, dass wirksames Compliance-Management in der Finanz- und Immobilienindustrie nicht ohne fundamentale Rechtskenntnisse möglich ist. Denn hier geht es im Wesentlichen um Risiken durch Verstöße gegen Rechtsnormen, deren Anwendungsbereich auf die Geschäftsmodelle des Unternehmens sich häufig nur durch anspruchsvolle Auslegungsoperationen erschließt. Und Juristen sind im Umgang mit Normen in der Regel am besten ausgebildet. Eine Trennung ist deshalb nur sinnvoll und möglich, wenn innerhalb der Compliance-Abteilung entsprechend ausgebildete Juristen vorhanden sind oder die Compliance von einem juristisch ausgebildeten und erfahrenden Manager geführt wird.
Die Immobilienbranche brodelt, und so mancher fragt sich, wie lange der Boom noch anhält. Wie blicken Sie auf die Entwicklung des Marktes?
Man kann zwar argumentieren, dass deutsche Gewerbeimmobilien teuer geworden sind, aber teuer ist ausschließlich im Kontext der historischen Entwicklung zu sehen. Unter den aktuellen Marktbedingungen und angesichts des anhaltend niedrigen Zinsumfeldes lassen sich aber selbst mit Erträgen zwischen drei und vier Prozent immer noch attraktive Eigenkapitalrenditen erzielen. Entsprechend übersteigt die Nachfrage das Angebot weiterhin deutlich.
Welche Auswirkungen wird der Brexit auf die deutsche Immobilienbranche haben?
Für eine endgültige Bewertung ist es noch zu früh. Noch ist zu wenig über den Fortgang der Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien bekannt. Deswegen bleiben Unsicherheiten und Nervosität bestehen. Bislang kann man nur beobachten, dass die konjunkturellen Bremswirkungen wohl doch nicht so stark sind wie befürchtet und sich auf den Immobilienmärkten ,Business as usual‘ durchgesetzt zu haben scheint. Was den Bereich Compliance anbelangt, führt ein Austritt aus der EU zu Irritationen, weil er die Rechtsangleichung, die für die Legal-Compliance international tätiger Unternehmen das Leben erleichtert, nicht gerade fördert.
Das Gespräch führte Christiane Schiffer.