JUVE: Was bedeutet der Aufstieg in den Dax 40 für Ihre Arbeit?
Dr. Karsten Winkelmann: Der Aufstieg in die erste Börsenliga spiegelt für meine Mitarbeiter und mich vor allem die gestiegene Bedeutung unserer Branche wider. Auch wenn uns die Zeitenwende und die Zunahme internationaler Konflikte sehr nachdenklich stimmt, übernehmen wir eine verantwortungsvolle Rolle in der Unterstützung der Bundeswehr, der NATO und ihrer Partner – insbesondere auch der Ukraine. Durch die Aufnahme in den Dax stehen wir häufiger im Fokus der medialen Berichterstattung und werden auch im Bewerbermarkt deutlich stärker wahrgenommen. Auch die Abstimmungen mit dem Vorstand sind mit der Geschäftsentwicklung intensiver geworden.
Der Vorstand von Rheinmetall kündigte angesichts der hohen Auftragslage – gerade im Militärbereich – massive Kapazitätserhöhungen an, sowohl personell als auch hinsichtlich der Werke. Werden Sie auch Ihr Team weiter ausbauen?
Wir planen auch, weiter zu wachsen. Das betrifft neben dem Ausbau der Begleitung des operativen Geschäfts auch die punktuelle Verstärkung zu regulatorischen Themen. Dabei bewirkt das Umsatzwachstum unter anderem durch das Wiederauffüllen von NATO-Beständen keinen entsprechenden Anstieg des rechtlichen Beratungsbedarfs, sodass wir eher moderat und stetig wachsen. Neben personeller Verstärkung arbeiten wir zugleich daran, unsere Prozesse zu verbessern und so effizienter zu werden. Zudem wachsen wir – wie zuletzt beim Erwerb des spanischen Munitionsherstellers Expal – auch durch Zukäufe.
Hat sich Ihr Budget in den letzten Jahren erhöht?
Unser Budget wächst mit dem Aufwand – mehr kann ich dazu nicht sagen. Wir betrachten dies fortlaufend nicht nur anhand allgemeiner, z.B. umsatzbezogener Vergleiche, sondern auch anhand unserer konkreten Prozesse und Abläufe.
Haben Sie ein spezielles Team für Legal Operations?
Nein, das haben wir nicht, aber Stefan Wilke, der früher bei Deloitte Legal und Gea tätig war und seit Herbst 2021 den Bereich Corporate Commercial leitet, befasst sich regelmäßig mit unseren internen Prozessen und entwickelt unsere Funktion im Hinblick auf Legal Tech und Legal Operations weiter. Da wir im Bereich Corporate Commercial auch unsere IT-Funktion betreuen, können wir so einzelne Initiativen zugleich besser abstimmen.
Haben Sie Ihr Arsenal an Legal-Tech-Anwendungen zuletzt ausgebaut?
Wir arbeiten seit geraumer Zeit mit gängigen Lösungen zur Tätigkeit einer Inhouse-Kanzlei und führen die Kernprozesse und das Reporting unserer Funktion digital. Darüber hinaus haben wir zuletzt auch im Aufsichtsratsbüro eine neue Lösung eingeführt. Abgesehen davon sehe ich die Versprechen von Legal Tech mitunter skeptisch, da man von stark harmonisierten Prozessen und Rohdaten abhängig ist. Als Technologiekonzern mit vielen unterschiedlichen Bereichen schauen wir daher nicht nur auf verfügbare Lösungen. Stattdessen unterstützen wir unsere Inhouse-Mandanten bei der Prozess- und Datenharmonisierung, um vorschnelle Fehlschläge im Bereich Legal Tech möglichst zu vermeiden. Außerdem arbeiten wir weiter an einer umfassenderen Erfassung und Kommunikation unserer eigenen KPIs.
Gilt Ihre Skepsis auch für KI-Anwendungen im Rechtsbereich?
Neben der Herausforderung der nötigen Rohdaten lassen sich solche Lösungen im Geschäft mit den militärischen Kunden aufgrund unserer Arbeit mit staatlichen Verschlusssachen und den damit verbundenen Auflagen bisher kaum nutzen. In den zivilen Bereichen, wo wir die Transformation in der Automobilzulieferung sowie Wasserstoff-Anwendungen und Aggregate für Wärmepumpen vorantreiben, sind wir im Hinblick auf den Einsatz von Legal-Tech-Anwendungen und KI-Lösungen im Rechtsbereich dagegen etwas freier.
Rheinmetall hat neulich mit dem österreichischen Bundesministerium für Landesverteidigung einen Vertrag zur Modernisierung des dortigen Flugabwehrsystems geschlossen. Die Auftragssumme liegt bei gut einer halben Milliarde Euro. Hatten Sie dafür externe Berater hinzugezogen?
Solche Aufträge – wie auch die Lieferungen zur Unterstützung der Ukraine – verhandeln wir mit unserem eigenen Personal. Unsere Mitarbeiter sind mit der Vergabepraxis der Kunden und den operativen Abläufen viel vertrauter, als es externe Berater je sein könnten. Wir mandatieren nur punktuell Kanzleien, beispielsweise bei M&A-Transaktionen, zur Fusionskontrolle, bei regulatorischen Spezialfragen oder für nachgelagerte Vergaberechtsstreitigkeiten.
Haben Sie Rahmenverträge mit Sozietäten?
Ja, zur Fixierung von konzernweiten Stundensätzen, Abrechnungsmodellen und Staffelungen sowie Weitergabe unserer Legal Services Guidelines haben wir Rahmenverträge ausgehandelt. Das entlastet auch unsere Kollegen in konkreten Einzelmandaten und unterstützt unser Cost Reporting. Aber eine aufwendige Panelausschreibung lohnt sich für uns strukturell nicht.