Den Einschätzungen liegen zahlreiche Recherchegespräche zugrunde, die JUVE-Redakteure Ende März und Anfang April geführt haben. Die Ergebnisse stammen aus dem aktuellen JUVE Rechtsmarkt. Das Heft erscheint heute, und wir stellen es aufgrund der aktuellen Situation kostenlos online zur Verfügung.
Einige der Fragen, denen sich die Redaktion in der Ausgabe widmet: Wie managen Kanzleien die Krise? Wie organisiert man eine virtuelle Hauptversammlung? Und was sind die größten Herausforderungen für Rechtsabteilungen? Unseren Überblick über die Auswirkungen der Krise aufs Kanzleigeschäft haben wir nach Rechtsgebieten gegliedert.
„Auf uns kommt eine Welle an Refinanzierungen zu. Wir beraten derzeit viele Gläubiger, aber auch ein paar Kreditnehmer. Bis Hilfen der KfW durchschlagend nutzbar werden, dürften noch Wochen vergehen. Wir hoffen, dass viele Insolvenzanträge ausgesetzt werden bis September, sonst wird’s schlimm.“
„Wir sind für das erste Halbjahr noch gut ausgelastet, aber auf mittlere Sicht wird es keine IPOs geben.“
„Weil viele Finanzierungen der vergangenen Jahre nur lax rechtlich dokumentiert wurden, etwa ohne Covenants, sausen viele heute viel schneller ins Insolvenzrecht. Daraus ergibt sich für uns ein Beratungsbedarf dazu, was vorinsolvenzlich noch umstrukturiert werden kann.“
„Im März riefen täglich Mandanten an, die sagten: Bitte nicht weiterarbeiten!“
„Im klassischen M&A wird es drei bis sechs Monate sehr schwer für uns sein. Danach gibt es vielleicht eine Beruhigung, im Spätsommer könnte es dann wieder losgehen.“
„Venture Capital geht eher noch als Private Equity und Private Equity geht eher noch als M&A. Immobilientransaktionen gehen bald auch zurück.“
„IP leidet nicht so sehr in der Krise, profitiert dafür aber auch nicht so sehr in Boom-Zeiten, die Amplitude ist kleiner als in anderen Rechtsbereichen.“
„Wir Soft-IP-Rechtler sind keine Krisengewinner: Vieles, was bislang ,Nice to have‘ war für uns, wird künftig wegfallen.“
„Wir verstehen uns seit vielen Jahren vor allem als Sanierer. Wenn der ganze Wirtschaftskreislauf zusammenbricht, bleibt von unseren Werkzeugen nichts übrig – da hilft auch kein Anstieg der Insolvenzfallzahlen. Die Mandate laufen ins Leere.“
„Es wäre gut, wenn sich nach dieser Krise ein Professionalisierungsschub ergibt. Denkbar ist, dass sich Spezialisten für unterschiedliche Verfahren, Krisensituationen und Krisenbranchen herausbilden.“
„Das klassische Arbeitsrecht gibt´s quasi nicht mehr, alle Anfragen verschieben sich in den Krisenmodus. Deshalb sind wir (noch) nicht überlastet. Aber: die Zahlungsmoral wird enorm schlecht. Große Konzerne wollen zum Teil 120 Tage Zahlungsaufschub. In ein paar Monaten sähe die Lage dann so aus: Weil wir in Arbeit ersticken, könnten wir niemanden in Kurzarbeit schicken, aber leider auch niemandem mehr Gehalt bezahlen.“
„Im ersten Moment denkt man, als Arbeitsrechtler sei man Krisengewinner. Aber so langsam hat das nichts Positives mehr, man kann ja nichts gestalten. Das sind alles langjährige Mandanten, die man zu Kurzarbeit und Entlassungen beraten muss.“
„Der Trend zur Industriepolitik könnte sich unter dem Druck der Krise verstärken. Es gibt kartellrechtlich heikle Kooperationen, bei denen man als Anwalt noch vor Kurzem gleich gesagt hätte: Lasst es bleiben. Und jetzt geht man eben doch zur Behörde und versucht es mal – das ist natürlich auch gut für unser Geschäft.“
„Schiedsgerichte sind technisch gut ausgestattet, könnten also auch weiterarbeiten, wenn die Beteiligten von zu Hause tätig sind. Das müssen sie auch, denn das Durchschnittsalter der Tribunale ist so, dass da im Prinzip alle zur Hochrisikogruppe gehören. Der Hype, den viele jetzt um Videoverhandlungen veranstalten, ist aber auch übertrieben: Dass ein Kreuzverhör funktioniert, bei dem man über ein schlechtes Videobildchen erkennen soll, ob ein Zeuge lügt – das können nur Leute glauben, die mit der Praxis nicht viel zu tun haben.“
„Es wird eine Flut von Commercial-Streitigkeiten geben. Denn immer, wenn Lieferketten ins Stocken geraten, verliert jemand Geld. Und wer das sein wird, darüber dürfte heftig gestritten werden. Nicht nur vor Gericht, sondern auch, wenn neue Verträge verhandelt werden und es um die Frage geht, bei wem das Risiko hängen bleibt. Schlimm für die Unternehmen, aber gut für uns Rechtsberater.“
„Neuerdings geht es verstärkt darum, ob bereits laufende Vergabeverfahren aufgehoben oder angepasst werden dürfen, für die der ursprüngliche Beschaffungsbedarf weggefallen ist oder angepasst werden muss. Manche geplanten Ausschreibungen müssen verschoben, andere Leistungen sofort beschafft werden. Dies gilt insbesondere im Bereich Rettungswesen und Katastrophenschutz. Der Beratungsbedarf bei unseren Mandanten hat sich durch die Krise eher erhöht.“
Mehr zu den Auswirkungen der Corona-Krise lesen Sie im aktuellen JUVE Rechtsmarkt, der heute erscheint – aufgrund der aktuellen Situation stellen wir auch diese Ausgabe kostenlos online zur Verfügung: hier entlang.