267.000 Stunden Planungsrecht

Netzagentur will Trassenausbau mit riesigem Beratungsauftrag beschleunigen

Die Bundesnetzagentur will bis Ende März darüber entscheiden, wer den Zuschlag für einen der größten planungsrechtlichen Berateraufträge in der Geschichte der Bundesrepublik erhält. Auf die insgesamt vier Lose dürften sich mit wenigen Ausnahmen alle Kanzleien beworben haben, die im deutschen Markt Umwelt- und Planungsrecht anbieten.

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Vier neue Stromtrassen braucht das Land und auch darüber hinaus muss das Netz massiv ausgebaut werden. Insgesamt 14.000 Kilometer Stromtrassen sollen gebaut werden. Erst wenn das passiert ist, kann die im Norden aus erneuerbaren Quellen gewonnene Energie relativ verlustfrei nach Süden transportiert werden. Der deutschlandweite Netzausbau ist das Basisprojekt der Energiewende. Aber das Projekt hakt gewaltig.

Verantwortlich für den Netzausbau sind die Übertragungsnetzbetreiber Amprion, 50Hertz, Tennet und TransnetBW als sogenannte Vorhabenträger. Aber auch der Bundesnetzagentur kommt als Genehmigungsbehörde eine erhebliche Bedeutung für mindestens 7.000 der insgesamt 14.000 Trassenkilometer zu.

Mit einem riesigen Beratungsvertrag soll die Behörde den Netzausbau vorantreiben, es gibt Gerüchte, Wirtschaftsminister Robert Habeck habe Ausschreibung angeordnet. Bei der Netzagentur ist diese Anordnung nicht nur auf Gegenliebe gestoßen, heißt es. Schließlich könnte dadurch der Verdacht aufkommen, das üppig mit Planungsjuristen ausgestattete Team der Bundesbehörde sei mit seinen Aufgaben überfordert.

Auf Nachfrage teilte die Bundesnetzagentur mit, dass das Bundeswirtschaftsministerium die Ausschreibung begrüße, es seitens des Hauses aber keinen Hinweis gegeben habe, so zu verfahren. Der Auftrag diene zudem „keineswegs dem Ziel, Kompetenz einzukaufen, die in der Behörde nicht vorhanden ist“. Vielmehr sollen mit der Ausschreibung Lastspitzen abgefedert und Verzögerungen vermieden werden, „die sich durch die Ballung von zeitintensiven Tätigkeiten bei bereits laufenden und neu hinzukommenden Genehmigungsverfahren zwangsläufig ergeben“.

Groteske Auftragsgröße

Aus Sicht der Bundesnetzagentur ist die Ausschreibung auch nicht außergewöhnlich. Gesucht würden Projektmanager als Verwaltungshelfer für den beschleunigten Netzausbau, mit denen die Behörde bereits früher Erfahrungen gemacht habe. Eine Besonderheit gibt es aber doch: „Bislang haben wir noch nicht in dieser Dimension auf externe Dienstleister zurückgegriffen.“ 

Tatsächlich scheint die Dimension des Auftrags geradezu grotesk. Ausgeschrieben ist ein Gesamtstundenkontingent von 66.750 Stunden für mindestens 24 Monate. Verlängert sich die Bearbeitungszeit um weitere zwei Jahre, dann sind bis zu 267.000 abrechenbare Stunden ausgeschrieben. Legt man einen marktüblichen Stundensatz von 350 Euro zu Grunde, dann beläuft sich der Maximalwert aller Lose auf 93,5 Millionen Euro für vier Jahre.

Für das kleinste Los sind auf 24 Monate gerechnet 7.000 Stunden gefragt, weitere liegen bei 15.750, 19.000 und 24.500 Stunden in 24 Monaten. Zur Einordnung: Bereits 1.800 abrechenbare Stunden im Jahr bedeuten für einen einzelnen Anwalt eine erhebliche Arbeitslast.

Deshalb fordern die Stundenmengen selbst die größten Planungsrechtsteams im Markt heraus, nur Einheiten wie CMS Hasche Sigle, Redeker Sellner Dahs und Graf von Westphalen mit einer Praxisgröße ab 20 Berufsträgern könnten einzelne Lose alleine bearbeiten.

Kanzleien müssen alle Kapazitäten zusammenkratzen

Zu anerkannten Beratern auf diesem Gebiet gehören auch Posser Spieth Wolfers & Partners, Dolde Mayen & Partner, BBG und Partner, Dombert, CBH, GSK Stockmann, Köchling & Krahnefeld, Baumeister sowie die internationalen Großkanzleien Clifford Chance, White & Case, Linklaters und Gleiss Lutz. Auch Hengeler Mueller und Noerr haben Erfahrung im Fachplanungsrecht.

Mit ihren deutlich kleinere Praxisgruppen dürfte es ihnen allerdings schwerfallen, die Stundenforderungen auf dem Personaltableau abzubilden. Zumal die Leistungsbeschreibung auch besonders arbeitsintensive Schritte umfasst. Deshalb hängt die Teilnahme kleinerer Praxisgruppen an der Ausschreibung auch von ihrer Bündnisfähigkeit ab. Nach JUVE-Informationen gibt es Bieterkonsortien, wer mit wem ist allerdings nicht bekannt.

Gerüchten zufolge wollen auch die Big-Four-Einheiten ihre Chancen nutzen. Sie haben zuletzt ihre Planungsrechtsteams ausgebaut und wären vor allem in der Lage, die geforderten nichtjuristischen umweltplanerischen Leistungen aus einer Hand mit anzubieten. Klassische Kanzleien müssten Biologen, Ingenieure und Landschaftsplaner zukaufen.

Bei früheren Auftragsvergaben des Bundes, beispielsweise zur Lkw-Maut, kamen die Big Four mit Kampfpreisen zum Zug. Bei der Vergabe der Aufträge zum Netzausbau könnte dies schwieriger werden: Die Ausschreibungsunterlagen belegen, dass der Preis nur zu 30 Prozent in die Bewertung der Angebote einfließt, überwiegend wird auf Erfahrung gesetzt. Das dürfte die Eintrittsschwelle für höherpreisige Anbieter aus dem Großkanzleiumfeld gesenkt haben.

Erfahrung oder Interessenkonflikt

Eines gilt aber für große und für kleine Planungspraxen gleichermaßen: Laufende Mandate könnten für Schwierigkeiten sorgen. Sie binden nicht nur Personal, sondern lösen unter Umständen auch Konflikte aus. Denn viele im Planungsrecht versierte Kanzleien sind bereits für die Übertragungsnetzbetreiber Amprion, 50Hertz, Tennet und TransnetBW im Rahmen der Netzausbauvorhaben tätig.

Bekannt ist zum Beispiel, dass 50Hertz sich von White & Case planungsrechtlich zum Bau der 500 km langen Gleichstrom-Hochspannungsleitung zwischen Sachsen-Anhalt und Südbayern beraten lässt. Auch mit CMS arbeitet der Übertragungsnetzbetreiber zusammen. Amprion, deren Netz Teil von Los 1 und 2 ist, setzt soweit bekannt auf ein ganzes Bündel an Kanzleien, darunter Graf von Westphalen und Posser Spieth Wolfers. Letztere zeichnen verantwortlich für eine 330 km lange „Stromautobahn“ zwischen Emden und Osterath. Tennet wiederum arbeitet im Netzausbau mit Dolde Mayen & Partner zusammen, länger aber schon mit Linklaters. Seit 2013 berät die Kanzlei zu den Leitungsprojekten Südlink und Südostlink, ist aber auch für Amprion und 50Hertz im Einsatz. Aber auch die meisten anderen spezialisierten Einheiten dürften auf vielfältige Weise Berührungspunkte zum Netzausbau haben, oft auch auf Behördenseite. Unter anderem deshalb hat die Netzagentur den Auftrag in vier Lose aufgeteilt.

Zahlen müssen die Übertragungsnetzbetreiber

Die Ausschreibung dürfte auf Jahre hinweg die sowieso schon knappen Beratungskapazitäten binden. Die Kosten müssen die Übertragungsnetzbetreiber tragen. Bis Ende März will sich die Bonner Behörde entscheiden, wer die Zuschläge erhält.

Im Bundesministerium für Wirtschaft und Klima ist dieser Tage übrigens ein weiterer Großauftrag ausgeschrieben worden. Maximal 20 Millionen Euro stehen für Rechtsberatungsleistungen im Umfeld der aktuellen Energiekrise zur Verfügung. Nach JUVE-Informationen schließt der Auftrag an die Beratung an, die CMS Hasche Sigle seit knapp einem Jahr für das Bundeswirtschaftsministerium und die Bundesnetzagentur leistet.

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