In diesem analysiert Bornkamm zwei aktuelle Kommissionsentscheidungen gegen die Unternehmen Samsung und Motorola Mobility. Motorola wurde Anfang Mai überraschend von den Wettbewerbshütern aus Brüssel verurteilt, weil es seine SEPs in Patentklagen gegen Apple ausgenutzt hatte. Die Kommission verzichtete allerdings auf eine Geldbuße. Samsung war der Verurteilung durch eine Selbstverpflichtung zuvorgekommen. Die Koreaner verzichten vorerst auf Unterlassungsklagen aus SEP und erklärten sich zu einem festgelegten Verfahren für Lizenzverhandlungen mit Konkurrenten bereit. Das akzeptierte die Kommission nun.
Mit den beiden Entscheidungen habe die Kommission zum jetzigen Zeitpunkt „deutliche Duftmarken gesetzt“, so Bornkamm. Juristisch höchst umstritten ist die Frage, ab wann sich ein Patentinhaber oder der beklagte, willige Lizenznehmer kartellrechtswidrig verhält. In Deutschland gilt hierzu die strenge Auffassung des Bundesgerichtshofes, aber auch die deutlich mildere Position der Kommission. Bornkamm kommt nach den beiden Entscheidungen aus Brüssel zu dem Schluss, dass sich die Kommission mit ihrer Position durchsetzen wird. Voraussichtlich noch in diesem Sommer entscheidet der EuGH zu einem Vorlagebeschluss des Düsseldorfer Patentgerichts, das den Gegensatz zwischen der BGH- und Kommissionsauffassung thematisiert.
Kein Konflikt zwischen Orange-Book und Kommission
Der Konflikt in der deutschen Patentrechtssprechung sei aber erst dadurch entstanden, dass die Instanzgerichte die BGH-Leitentscheidung ‚Orange Book Standard‘ eins zu eins auf SEP-Klagen im Mobilfunkbereich angewandt hätten, so Bornkamm. Der ehemalige BGH-Richter war 2009 als Vorsitzender des Kartellsenats selbst an der richtungsweisenden Entscheidung beteiligt. „Bei dieser spielte ein Standardpatent aber nur im Hintergrund eine Rolle.“ Der BGH hätte damals die Bedingungen für ein seriöses Lizenzangebot definiert. Patente, die aufgrund eines Standardisierungsverfahrens zum Standard erhoben worden sind, so Bornkamm weiter, hätte das Gericht bei ‚Orange Book‘ nicht im Blick gehabt.
„Sollten die Luxemburger Richtern erkennen, dass es keinen Grundkonflikt zwischen Orange-Book und der Kommissionsauffassung zum kartellrechtswidrigen Verhalten in SEP-Klagen gibt, ist dem EuGH-Verfahren der Wind aus dem Segel genommen“, so Bornkamm. Eine unerwartet schnelle Entscheidung aus Luxemburg könnte die Folge sein.
Das ausführliche Interview mit Prof. Dr. Dr. Joachim Bornkamm lesen Sie in der Juni-Ausgabe des JUVE Rechtsmarkt (06/14), die am 26.05.2014 erscheint.