Fast 10.000 Inhousejuristen sind seit Anfang 2016 den Schritt gegangen, den Dirk Rosenberg schon längst gemacht hat: Sie sind Syndizi geworden. Worauf die Juristen aber Jahre warten mussten, ist für Steuerberater wie Rosenberg schon seit fast zehn Jahren gelebte Realität. „Für meine Entscheidung gab es seinerzeit zwei Gründe“, erinnert sich der Leiter Steuerstrategie des Chemiekonzerns Bayer in Leverkusen: „Die berufliche Qualifikation nach langer und intensiver Ausbildung auch nach außen zeigen zu dürfen, macht natürlich nicht nur stolz, sondern ist auch im Berufsalltag wichtig. Man ist beim Kontakt mit externen Beratern oder der Finanzverwaltung auf Augenhöhe.“
Der zweite Grund war deutlich profaner – als Syndikussteuerberater kann Rosenberg auf die Altersversorgung aus den Steuerberaterversorgungswerken bauen. Die zumindest seinerzeit noch finanziell gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung attraktivere Altersversorgung verloren Steuerberater beim Wechsel ins Unternehmen zusammen mit ihrem Titel und allen damit einhergehenden Berufsrechten.
Schwere Geburt des Syndikusrechtsanwalts
Beide Argumente dürften vielen Juristen in der Rechtsabteilung bekannt vorkommen, denn grundsätzlich galt für Rechtsanwälte das gleiche wie für Steuerberater – mit dem Eintritt ins Unternehmen verloren sie ihren Status als freier Beruf. Doch anders als die Kollegen in der Steuerabteilung mussten die Rechtsanwälte deutlich länger auf eine Klärung ihrer Situation warten. Und sie kam mit viel mehr Schmerz.
Ein wichtiger Unterschied: Der Syndikussteuerberater hatte von Anfang an mehr Unterstützung aus der Wirtschaft. Das totale Verbot des Steuerberatertitels machte Firmen für fähige Steuerberater in der Vergangenheit deutlich unattraktiv. Gleichzeitig wurden die Unternehmen internationaler, das Steuerrecht komplexer – der Bedarf an fähigen Mitarbeitern wuchs nicht zuletzt dadurch ständig an. Zwar sprechen viele Gründe dafür, in ein Unternehmen einzusteigen – der Verlust des Titels mit all seinen Konsequenzen war aber trotzdem ein Kriterium, das vor der Einführung des Syndikussteuerberaters häufig eine Rolle gespielt haben dürfte, wenn sich qualifizierte Steuerberater gegen die Arbeit in einem Betrieb entschieden. Um dies zu verhindern, mussten potenzielle Arbeitgeber in der Vergangenheit häufig einen finanziellen Ausgleich anbieten, in Form eines höheren Gehalts oder einer entsprechenden betrieblichen Altersversorgung. Das war umständlich für alle und vor allem teuer für die Unternehmen. So hatten neben den betroffenen Steuerberatern auch die Berufsverbände das Problem früh im Blick.
Modell scheint sich durchzusetzen
Während in der Steuerberaterszene also längst ein Erfolgsmodell gefeiert wurde, das soweit bekannt bislang auch allen, in der Anzahl überschaubaren, Gerichtsverfahren standgehalten hat, brach über den Inhousejuristen 2014 eine Katastrophe herein, als das Bundessozialgericht im Ergebnis entschied, dass es wie zuvor schon bei den Steuerexperten nur ein Entweder-oder gibt: Zulassung als Rechtsanwalt oder Tätigkeit im Unternehmen. Damit trat das ein, wovor schon seit Jahren gewarnt worden war.
Eskalierende Kammersitzungen, Streit zwischen Inhousejuristen und Rechtsanwälten waren die Folge. Eine gemeinsame Stimme fand die Anwaltschaft selbst jetzt noch nicht. Der Gesetzgeber handelte trotzdem. Und nach gut einem Jahr zeigt sich: Der Syndikus in Rechtsabteilungen könnte eine ähnliche Erfolgsgeschichte werden wie der in den Steuerabteilungen.
Mittlerweile sind bei Bayer gut 70 Prozent der rund 50 Mitarbeiter zählenden Steuerabteilung Berufsträger. In vielen großen Konzernen dürfte es ähnlich aussehen. „Wir schätzen, dass es vor allem in Großunternehmen Syndikussteuerberater gibt und weniger in kleinen und mittelständischen Unternehmen, auch wenn es dort vorkommt, dass ein Steuerberater quasi als Ein-Mann-Steuerabteilung fungiert“, sagt Stefan Ruppert, Referatsleiter bei der Bundessteuerberaterkammer in Berlin. Die Syndikusrechtsanwaltszulassungen deuten auf eine ähnliche Tendenz bei den Juristen hin.
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