Mitte Dezember hatte die ICSID-Generalsekretärin Meg Kinnear der Wirtschaftswoche ein Interview gegeben. Darin wurde sie auch zu dem Verfahren befragt, das der schwedische Energiekonzern Vattenfall seit 2012 wegen des schnellen Atomausstiegs nach der Fukushima-Katastrophe gegen Deutschland führt. Die Richterbank in dem Verfahren ist mit Albert Jan van den Berg aus den Niederlanden als Vorsitzendem, Charles Brower aus den USA und Vaughan Lowe aus Großbritannien besetzt. Im Oktober 2016 fanden die letzten Anhörungen in dem Fall statt. Eine Entscheidung hat das Gericht noch nicht gefällt – auch weil es sich zwischenzeitlich mit den Auswirkungen der Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs beschäftigen musste.
Befangenheitsantrag der Bundesregierung
Deutschland hatte bereits im November beantragt, alle drei Schiedsrichter von dem Verfahren auszuschließen. Der Grund: Die Richter hatten Fragen an die Parteien gestellt, die den Staat an der Unparteilichkeit des Gerichts zweifeln ließen. Nach den ICSID-Regeln muss über einen solchen Befangenheitsantrag der Weltbank-Präsident entscheiden. Wie die Global Arbitration Review berichtete, beschwerte sich die Bundesregierung nun erneut – dieses Mal über das Interview in der Wirtschaftswoche. Darin sagte Kinnear auf die Frage nach dem Befangenheitsantrag: „Interessant ist ja auch, dass Deutschland einen Richter ausgesucht hat, Vattenfall auch, und der Vorsitzende Richter von beiden benannt wurde. Die Bundesregierung stellt jetzt die Richter in Frage, die sie selbst bestellt hat. Es kommt übrigens sehr selten vor, dass eine Partei die Unbefangenheit aller drei Richter anzweifelt.“
Man haben sehr strenge Standards für die Unabhängigkeit der Richter, die bei ihrer Ernennung eine sehr umfangreiche Erklärung abgeben müssen. „Und wir haben einen Sicherungsmechanismus eingebaut. Die Unbefangenheit kann angezweifelt werden – wie es jetzt passiert ist. Ich kann die Idee, dass ICSID-Schiedsrichter voreingenommen sein sollen, schwer nachvollziehen“, so Kinnear.
Auswirkungen des Kinnear-Interviews
In der ursprünglichen Version des Interviews soll Kinnear allerdings im letzten Satz nicht über ICSID-Schiedsrichter im Allgemeinen gesprochen haben, sondern darüber, dass „die Schiedsrichter“ voreingenommen sein könnten – was Deutschland offenbar als direkten Kommentar zu den Richtern im eigenen Fall wertete. Die Einschaltung des PCA soll nun Zweifel zerstreuen, über die Befangenheitsrüge werde nicht unvoreingenommen geurteilt.
Das ICSID hat in der Vergangenheit schon mehrfach Einschätzungen der PCA zu Beschwerden an Schiedsrichtern eingeholt, zuletzt vor acht Jahren, als Argentinien im Fall Abaclat die Unbefangenheit des Vorsitzenden des Tribunals Pierre Tercier und van den Bergs, als Beauftragter der Kläger, bezweifelte.
Deutschland wird in dem Streit mit Vattenfall von Dr. Sabine Konrad und Arne Fuchs von McDermott Will & Emery in Frankfurt vertreten, im Ministerium für Wirtschaft und Technologie betreuen Hans-Joachim Henckel und Annette Tiemann den Fall. Vattenfall setzt auf ein Luther-Team um den Hamburger Partner Dr. Richard Happ und Associate Georg Scherpf. Zudem sind der schwedische Schiedsrechtler Kaj Hobér von 3 Verulam Buildings in London sowie die schwedische Kanzlei Mannheimer Swartling für den Energiekonzern tätig.