Das Regulierungsdickicht wächst und auch die unberechenbare Weltlage lässt die Anforderungen an Rechtsabteilungen steigen. „Selten war die Rolle der Unternehmensjuristen so komplex und so strategisch“, sagte Dr. Claudia Junker, BUJ-Präsidentin und General Counsel der Deutschen Telekom zur Eröffnung des Unternehmensjuristenkongresses heute in Berlin. Doch die Budgets der General Counsel stagnieren und sinken laut der gerade vorgestellten Studie sogar. Mit weniger Personal und Sachmitteln müssen Syndizi mehr leisten. Rund 60 Prozent der Befragten beklagen eine Überlastung der Mitarbeitenden und Probleme bei der Priorisierung von Aufgaben. Vor diesem Hintergrund setzen inzwischen über 60 Prozent der Rechtsabteilungen auf einen Verantwortlichen oder sogar ein Team für Legal Operations. Das Ziel: Die operativen Abteilungen im Unternehmen besser zu beraten und Ressourcen effizienter zu nutzen – auch durch mehr digitale Transformation.
Verzichtete laut der letzten Legal-Operations-Studie von 2022/23 noch ein Drittel auf Legal Tech, sind es heute nur noch knapp 12 Prozent. Über die Hälfte der Befragten verwendet bereits generative KI, ein weiteres Viertel plant dies in Zukunft. Als wichtigsten Use Case nennen die Syndizi den Entwurf und die Prüfung von Verträgen und Klauseln. Gleich danach geht es darum, Dokumente zu analysieren und Routine-Prozesse zu automatisieren.
Stolperstein Change Management
Gleichzeitig sehen über die Hälfte der Befragten Change Management und Nutzerakzeptanz als die größten Stolpersteine bei der Einführung neuer IT-Lösungen. Dr. Peter Schichl ist Chief Legal Tech Officer der Deutschen Telekom und hat als BUJ-Fachgruppenleiter für Legal Tech und Operations an der Studie mitgewirkt. Er sagt: „Es gibt immer First Mover, die voranschreiten. Für die Follower ist es oft schwieriger, den grundlegenden Bewusstseinswandel einzuleiten und den Willen zum Mitmachen aller Beteiligten zu entfachen.“
In mehr als einem Drittel der Rechtsabteilungen fehlt schon das notwendige technische Know-how. Nur knapp 17 Prozent bieten ein spezielles Trainingsprogramm für Inhouse-Juristen an. Über das Schließen von Kompetenzlücken hinaus, komme es auf die Kommunikation der General Counsel an, sagt Tamay Schimang, Director Legal Transform & Operate bei EY Law: „Die Mitarbeitenden wollen wissen: Was sind Ziele und Strategie? Welche Probleme wollen wir lösen? Was wird konkret von mir verlangt? Wie sieht meine Rolle in der Zukunft etwa nach Einführung von KI-Lösungen aus?“
Standardisierung von Prozessen als Schlüsselfaktor
Nachholbedarf gibt es weiterhin bei der Standardisierung und Automatisierung von Prozessen. Doch ohne operative und strukturelle Transformation, könne auch KI nicht der Heilsbringer sein, so die beiden Studienautoren. Ganze drei Viertel der Rechtsabteilungen sehen denn auch in der Arbeit an den internen Prozessen aktuell eine ihrer wichtigsten Aufgaben. Drei Viertel der Rechtsabteilungen sehen in der Arbeit an den Prozessen aktuell eine ihrer wichtigsten Aufgaben. Auch hier fehle es mitunter am passenden Mindset, etwa um sich auf einheitliche Vertrags-Templates zu verständigen, berichtet BUJ-Fachgruppenleiter Schichl: „Die meisten Kollegen berücksichtigen nur das, was sie täglich auf dem Schreibtisch sehen. Ihr Fokus liegt nicht auf einer Lösung für den risikoarmen Standardfall, sondern auf der Vorbeugung gegen vielfältige Ausnahmen, die riskant werden könnten.“
Nur knapp ein Fünftel der Befragten hat denn auch schon mit der Umsetzung von Standardisierungs- und Automatisierungsvorhaben begonnen. Das allerdings erschwert Tech-Innovationen, weil Vergleiche zwischen Ist- und Soll-Prozessen nicht möglich und belastbare Metriken nur schwer zu erheben sind. Und es lässt Potenziale für Outsourcing schlechter erkennen.
Auch ein Legal Matter Management als zentrale Anlaufstelle für alle Anfragen haben laut der Studie die meisten Rechtsabteilungen noch nicht. Dies führe regelmäßig zu zeitintensiven Rückfragen zum Sachverhalt und längeren Bearbeitungszeiten. Entlasten könnten die Syndizi, so heißt es weiter, aber auch KI-gestützte Self-Service-Optionen für die Fachabteilungen zur Erfassung der relevanten Sachverhalte, Playbooks mit klaren Strukturen etwa für die Vertragsprüfung und Chatbots für spezifische Fragen aus Fachabteilungen.
Mangelhaftes Datenmanagement bremst Fortschritt
In Zeiten von KI ist das Datenmanagement noch mehr zum Kernelement von Legal Operations-Modellen geworden. Rechtsabteilungen, die Daten strukturiert erfassen, sind in der Lage, ihre Aufgaben mit der richtigen Technologie, passenden Prozessen und Ressourcen zu steuern. Eine gute Nachricht ist insofern, dass drei Viertel der Befragten vor allem im Vertrags-, Dokumenten- und Compliance-Management mit der systematischen Datenerfassung begonnen haben. Ebenfalls drei Viertel setzen auf Kennzahlen, um die Rechtsabteilung zu steuern, und nehmen dabei sowohl Kosten als auch Zufriedenheit interner Stakeholder in den Blick.
Strukturierte Datenmanagement-Prozesse haben allerdings mehr als ein Drittel der Umfrageteilnehmer noch nicht implementiert. Eine der größten Hürden liegt in verstreut gespeicherten und unsauber sortierten Daten in unterschiedlichen Systemen. Dabei nutzt ein erheblicher Teil manuelle Methoden wie Word oder Excel.
Einsatzfelder für externe Beratung
Sind die internen Kapazitäten erschöpft, setzen fast 80 Prozent der Befragten auf externe Berater und Kanzleien. Am häufigsten gefragt sind diese aktuell in den Bereichen Prozessführung (73,2 Prozent), Arbeitsrecht (69,8 Prozent) und M&A-Transaktionen (69,8 Prozent).
Gegenüber der Legal Operations Studie 2022/23 schiebt sich das Datenrecht mit fast 60 Prozent auf den vierten Platz vor das Steuerrecht mit knapp 40 Prozent. Die Zahl der Nennungen im Bereich Datenschutz stieg bei den Befragten um rund 20 Prozent. Dasselbe gilt im IT-Recht, in dem mehr als ein Drittel der Rechtsabteilungen externe Anwälte konsultiert. Neben vertraglichen Themen zählen die befragten General Counsel Datenschutz und Cybersecurity zu den derzeit drei größten Governance-Risiken, und zwar unabhängig von der Branche und der Größe der Rechtsabteilung.
Insgesamt setzten Rechtsabteilungen häufiger auf kleinere Beraterpanels, mehr als die Hälfte beauftragt eine bis zehn Kanzleien. Die Anzahl hängt jedoch erkennbar von der Größe der Rechtsabteilung ab.
Was das Sourcing und die Nutzung von Shared-Service-Centern als spezialisierte Einheiten für Standardaufgaben wie Vertragsmanagement angeht, könnten die Rechtsabteilungen ruhig etwas mutiger werden, so die Studienautoren. Eine leicht steigende Tendenz zeige sich mit rund 8 Prozent bei der Nutzung alternativer Rechtsdienstleister (ALSP), die technologiegestützt Aufgaben mit hohen Volumina übernehmen, etwa bei Due-Diligence-Prüfungen oder in Massenklageverfahren.
Trend zu differenziertem Einkauf
Entspannt zurücklehnen sollten sich Kanzleien trotz dieses Zögerns bei alternativen Rechtsanbietern nicht. Stattdessen rät Tamay Schimang von EY Law: „Vielen fällt es noch schwer, ihr Angebotsportfolio zu diversifizieren und Angebote neben der High-End-Rechtsberatung zu definieren.“ Der Trend gehe aber dahin, dass Unternehmen bestimmte Services nicht nur günstiger einkaufen wollen, etwa weil sie in Länder mit niedrigeren Personalkosten verlagert werden. „Sie suchen zunehmend nach Lösungen, die juristische Kompetenz mit Prozesseffizienz und Technologie kombinieren, etwa um Verträge auf Basis eines digitalen Playbooks KI-gestützt zu analysieren“, so Schimang. Gemessen an den Ergebnissen der Studie bleibt ihnen in Deutschland noch Zeit dafür. In den USA und Asien sind die ALSP-Anbieter bei Rechtsabteilungen aber bereits sehr gefragt.
Vorgestellt wurden die Ergebnisse heute auf dem Unternehmensjuristenkongress in Berlin. Befragt hatten BUJ und EY Law 105 Rechtsabteilungen in unterschiedlichen Branchen von Industrie, Technologie und Medien über Pharma und Handel bis zu Dienstleistungen und Verwaltung. Die Studie analysiert anhand eines Score-Systems den Reifegrad in sechs Kernelementen von Legal Operations und gibt Handlungsempfehlungen, um die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen: von Personal und Prozessoptimierung über Governance-Strukturen und Datenmanagement bis zu Technologie, Managed Services und Beschaffungsstrategien für die Beratung durch Anwälte.
Transparenzhinweis: Der JUVE-Verlag ist Medienpartner des diesjährigen Unternehmensjuristenkongresses.