Wegen „unterschiedlicher Auffassungen über Verantwortlichkeiten“ ist Dr. Christine Hohmann-Dennhardt ihren Vorstandsposten für Recht und Integrität bei VW schon wieder los – nach nur einem Jahr im Amt. Im Klartext heißt das: Es gab Streit. Dabei war die ehemalige Verfassungsrichterin vor einem guten Jahr mit großem Hallo vom Wettbewerber Daimler abgeworben worden. Dort hatte sie sich fünf Jahre lang Meriten bei der Aufarbeitung einer Korruptionsaffäre verdient. Der Nimbus einer rückhaltlosen Chefaufklärerin war genau das, was man in Wolfsburg dringend brauchte, als der Dieselskandal in der Welt war.
Aber vorsorglich schafft der Konzern damals Strukturen, um die neue Integritätsbeauftragte so einzuhegen, dass sie sich nicht allzu sehr entfalten kann: Nachdem VW Hohmann-Dennhardt verpflichtet hat, aber noch bevor sie ihren Job in Wolfsburg antritt, übernimmt Manfred Döss eine Doppelfunktion bei VW und Porsche. Döss hat sich zuvor als Rechtschef der Porsche-Holding den Respekt der Eigentümerfamilien verdient und gilt als krisenerpobter Feuerlöscher. Parallel zur Porsche-Rechtsabteilung übernimmt Döss auch die Leitung bei VW. Kurz zuvor war er bei der Porsche-Holding, die die Mehrheit der Stammaktien am Volkswagen-Konzern hält, in den Vorstand aufgestiegen: als neuer Leiter Recht und Compliance.
Wolfsburger Tollhaus: Hohmann-Dennhardt war Chefin ihres Chefs
Für Hohmann-Dennhardt ergibt sich aus dieser Personalrochade bei Amtsantritt eine denkbar unangenehme Konstellation. Döss ist der neuen Vorstandsfrau bei VW als Rechtschef zwar untergeordnet, als Porsche-Vorstand ist er aber ihr Chef. Und faktisch ist er es, der über den direkten Draht zu den Eigentümerfamilien Porsche und Piëch verfügt.
Das zeigt auch die plötzliche Vakanz in der VW-Rechtsabteilung: Offiziell zieht sich der langjährige Rechtschef Michael Ganninger Ende 2015 zwar auf eigenen Wunsch und aus persönlichen Gründen zurück. Aus Beraterkreisen heißt es aber, Ganninger sei bei den wichtigen Entscheidungen zur Aufarbeitung der Dieselaffäre schlichtweg übergangen worden und habe deshalb die Reißleine gezogen. Anwälte beschreiben Ganninger als „Typ preußischer Beamter, der jahrelang bei VW den Laden am Laufen gehalten hat“. Wenn so einer im Sturm der Dieselaffäre zur Seite geschoben wird: Wie soll da eine ehemalige Verfassungsrichterin als Außenstehende ihren Platz im Wolfsburger Machtgefüge finden?
Chefaufklärerin als Zaungast und Feigenblatt
Zwischen Hohmann-Dennhardt und Döss ist aufgrund der Konstellation in den Chefsesseln ein Machtkampf unausweichlich. Dass die VW-Vorstandsfrau ihn verliert, zeichnet sich früh ab. So scheitert sie mit dem Vorschlag, den früheren FBI-Direktor Louis Freeh als Sonderbeauftragten einzusetzen. Als gerichtlich bestellter „Compliance Monitor“ hatte der beim Wettbewerber Daimler aufgeräumt, daher kennt ihn Hohmann-Dennhardt. Die Wolfsburger aber lehnen seinen Einsatz vor allem aus Kostengründen ab. Auch die Verhandlungen mit dem US-Justizministerium über Strafen und Bußgelder in Höhe von 4,3 Milliarden Dollar werden von Rechtschef Döss und Einkaufsvorstand Francisco Javier Garcia Sanz geführt. Die Chefaufklärerin wird zum Zaungast – angeblich, weil ihre Englischkenntnisse nicht verhandlungssicher waren.
Nun also der Bruch nach nur einem Jahr im Amt – und ohne handfeste Ergebnisse. Denn der Aufbau einer neuen Compliance-Struktur im Unternehmen ist längst nicht abgeschlossen. Das beschädigt die Person Hohmann-Dennhardt, die an den Wolfsburger Verhältnissen gescheitert ist. Es beschädigt den Autobauer, der wieder einmal so wirkt, als sei es ihm mit der eigenen Läuterung nicht allzu ernst. Und es bleibt das Bauchgefühl, dass Hohmann-Dennhardt für VW von Anfang an mehr nach außen als nach innen wirken sollte: als ethisches Feigenblatt, aber eben nicht als systematische Aufklärerin.
Einem strengen Aufseher vom Schlage Feehs wird VW trotzdem nicht entgehen – denn zu den Auflagen des US-Vergleichs zählt auch der Einsatz eines Monitors. Sein Gegenpol bei VW wird aber sicher nicht Hohmann-Dennhardts Nachfolgerin Hiltrud Werner, die aus der Konzernrevision wechselt. Sondern der starke Mann in der Rechtsabteilung: Manfred Döss.