Kommentar

Wenige vertreten ihre Interessen so schlecht wie Großkanzleianwälte

Wirtschaftskanzleien können ihre Probleme nur lösen, wenn sie ihre Interessen besser vertreten. Dazu gehört, dass ihre Anwälte sich stärker in den Kammern engagieren. Außerdem zeigt das Ringen um Brexit-Übergangsregeln, dass auch informelle Kanäle der politischen Einflussnahme stärker genutzt werden sollten.

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Sind Anwälte wirklich reine Freiberufler, die mit Gewerbe nichts am Hut haben? Geht wirklich die Welt oder mindestens der Rechtsstaat unter, wenn Kanzleien Kapital von Nicht-Anwälten annehmen dürfen? Ja und ja – darauf beharren die mächtigen Kammern seit einem Vierteljahrhundert. Damit würgen sie jeden nennenswerten Fortschritt ab.

Der Hauptgrund: Die Gewerbefrage und das Bedürfnis, sich neue Finanzierungsquellen zu erschließen – das sind Themen, die Anwälte in Wirtschaftskanzleien seit Jahren stark beschäftigen, die aber viele Familien- und Verkehrsrechtsanwälte überhaupt nicht betreffen und interessieren. Deshalb ist es kein Wunder, dass diese bequem auf tradierten berufsrechtlichen Grundsätzen beharren. Sie sind in der Mehrheit, und sie dominieren mit ihrer kompromisslosen Haltung die Kammern.

Die Wahrheit ist: Ein wachsender Teil der in Deutschland erbrachten Rechtsdienstleistungen unterliegt schon längst der Gewerbesteuer. MDP-Kanzleien wie EY Law und PwC Legal, aber auch die britische Kanzleielite zahlen die Steuer inzwischen in Deutschland, weil sie die Fallstricke des deutschen Anwaltsrechts leid sind. Sie verstehen sich als unabhängige, im internationalen Wettbewerb stehende Beratungsunternehmen, die von der Nachfrage der Mandanten abhängen – und die ändert sich eben aktuell.

Es wäre aber zu einfach, allein den Verhinderern eines modernen Berufsrechts in den Kammern den Schwarzen Peter zuzuschieben. Denn dass es nicht vorwärts geht, weil der rechtspolitische Einfluss der Wirtschaftsanwälte gegen null tendiert – das haben sie sich auch selbst zuzuschreiben. Wenn Großkanzleianwälte eines nicht können, dann ist das politische Einflussnahme im eigenen Interesse. Sie könnten sich in den Kammern stärker engagieren. Wenn sie das nicht wollen, sollten sie wenigstens gezielter als bisher informellen Kanäle der politischen Einflussnahme nutzen – Clifford Chance macht im Zusammenhang mit Brexit-Übergangsregeln vor, wie es auch bei anderen Themen des Berufsrechts oder sogar bei der Gewerbesteuer gehen könnte. (Martin Ströder)

Mehr zum Thema Berufsrechtsreform und Gewerbesteuer lesen Sie im JUVE Rechtsmarkt 11/2019.

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