Das Gesetz von 1997 ist für die Restrukturierung von in die Schieflage geratenen, aber nicht insolventen Unternehmen gedacht, wurde allerdings in der Praxis kaum erprobt.
Die KLH sieht sich infolge des Hypo-Chaos und der von Österreich beschlossenen Sondergesetze zum Schutz der Hypo-Nachfolgerin HETA zahlreichen bereits erhobenen oder angedrohten Klagen ausgesetzt. Allein die frühere Eigentümerin BayernLB klagt die KLH aus einer im Landesholding-Gesetz vorgesehenen Bürgenhaftung auf 2,6 Milliarden Euro, hinzu kommt der Luxemburger Deutsche Bank-Fonds DWS Institutional als bisher bekannte zweitgrößte gerichtlich geltend gemachte Einzelforderung mit über 200 Millionen Euro.
Insgesamt beziffert die KLH in ihrem Reorganisationsantrag die Klagsrisiken, denen sie sich gegenüber sieht, auf 13,6 Milliarden Euro. Schon die gerichtlichen Pauschalgebühren, die dadurch anfallen könnten, bezeichnet die KLH als „existenzbedrohend“.
Dieser Umstand hat den anerkannten Insolvenzrechtsanwalt Norbert Abel (Abel & Abel) auf die Idee des Reorganisationsverfahrens nach dem URG gebracht. Der Wiener Jurist berät die KLH seit dem Frühjahr. Für ihn ist „unbestreitbar, dass der Vorstand nicht zur Tagesordnung übergehen kann, wenn namhafte Kläger und Anwaltskanzleien große Beträge einklagen“. Hier habe man aufgrund der Business Judgement Rule, aber ohne Anerkennung der Ansprüche entschieden. Abel setzt vielmehr mithilfe des URG auf Kommunikation mit den Gläubigern, statt auf gerichtliche Auseinandersetzungen.
Zudem will Abel das formalisierte Verfahren nutzen, um alle betroffenen Gläubiger ausfindig zu machen. Neben denjenigen, die bereits Klagen erhoben haben, will er auch mit denen sprechen, die sich noch nicht gerührt haben. Dafür hat er, ähnlich wie in einem Insolvenzverfahren, ein Formular für Gläubigeranmeldungen auf seine Website gestellt. Die Personifizierung der Gläubiger sei von entscheidender Bedeutung, „um mit diesen in deren Interesse einen tragfähigen Reorganisationsplan zu entwerfen“, heißt es im Reorganisationsantrag.
Investoren kaum überzeugt
Die Vertreter der großen Gläubigergruppen, mit denen JUVE sprach, sehen Abels Ideen überwiegend skeptisch. Die Gruppe mit den höchsten Forderungen wird von Freshfields Bruckhaus Deringer vertreten: Neben der BayernLB sowie DWS berät die Kanzlei zahlreiche, häufig deutsche, Banken bei Ansprüchen im HETA-Komplex. Daneben gibt es eine Gruppe, für die Binder Grösswang und die US-Kanzlei Kirkland & Ellis tätig ist, und deren Forderungen sich nach JUVE-Recherchen auf knapp drei Milliarden Euro belaufen. Hinzu kommen Investoren, die auf die deutsch-österreichische Kanzleikombination Görg und Dorda Brugger Jordis setzen, sowie eine stattliche Anzahl von Nachranggläubigern, die Wolf Theiss vertrauen.
Aus diesen Gruppen hieß es, Abels Idee mit dem Reorganisationsplan sei ein „wirklich kreativer Move des Kollegen“. Man sollte diesen „redlichen Versuch“ unterstützen, um eine vernünftige Kommunikationsebene zu schaffen. Davon würden vor allem die nicht so professionell beratenen kleineren Gläubiger profitieren.
Allerdings sind sich alle Anwälte einig, dass das URG-Verfahren an sich nicht das passende Instrument für die Situation bei der KLH ist. Dem widerspricht Abel: „Ein solches URG-Verfahren ist in diesen Dimensionen beispiellos“. Zumal habe es seit Inkrafttreten des Gesetzes höchstens acht Reorganisations-Verfahren gegeben, über nur eines sei etwas mehr bekannt. „Mir ist klar, dass das URG-Verfahren hauptsächlich für die betriebswirtschaftliche Restrukturierung gedacht war, und vornehmlich nicht auf die Passivseite und Haftungsfragen gerichtet ist. Der Gesetzgeber hat das Verfahren aber auch für Risiken auf der Passivseite als mögliches Szenario gesehen.“
Die Kritiker des Plans finden dagegen, dass sich vor allem die Geschäftsleitung der KLH so Zeit verschaffen und einer Organhaftung aus dem Wege gehen will. „Die wollen nur Klagen vermeiden und ihre eigene Haftung ausschließen“, so ein Klägervertreter. Dabei sei klar, dass die KLH angesichts ihrer gesetzlich vorgesehenen Bürgschaftsstellung für über 10 Milliarden Euro geradestehen müsse, und das bei einem Eigenkapital von gerade 500 Millionen Euro. Das gleiche einer Insolvenzverschleppung. Tatsächlich ist jedoch unter Juristen umstritten, ob die Bürgschaftsstellung der KLH angesichts der Regelungen des Hypo Alpe-Adria Sanierungsgesetz (HanSanG) und des Bundesgesetz über die Sanierung und Abwicklung von Banken (BaSAG) derzeit tatsächlich gegeben ist.
Plan bedarf der Prüfung
Noch ist der Reorganisationsplan indes nicht in Kraft. In den kommenden Wochen prüft der vom Landesgericht Klagenfurt zum Reorganisationsprüfer bestellte Wiener Anwalt Dr. Karl Engelhart (Dr. Engelhart & Partner), ob die KLH tatsächlich nicht insolvent ist.
Engelhart, der als Grandseigneur des österreichischen Insolvenzrechts gilt, wird von dem Gericht als Person bezeichnet, die „über die im Gesetz genannten Fähigkeiten hinaus sicherstellt, dass keine Nahebeziehung zum und im Land Kärnten besteht, ebensowenig wie zur Republik Österreich“.
Sollte Engelhardt zu dem Ergebnis kommen, dass die KLH nicht insolvent ist, würde dies zu einem unanfechtbaren gerichtlichen Beschluss führen – und die KLH wäre vorerst aus dem Schneider. (Jörn Poppelbaum)