Unternehmerische Verantwortung unter Nachhaltigkeitsaspekten ist für Unternehmen kein schmückendes Beiwerk mehr, sondern ein Schlüsselfaktor im Verkaufsprozess. Je stärker sich große börsengelistete Konzerne, Finanzinvestoren und Banken an ESG-Standards orientieren und dazu zum Teil strikte Vorgaben machen, desto mehr sind auch mittelständische Unternehmen gefordert, ESG in ihren Geschäftsprozessen zu berücksichtigen.
Werden ESG-Risiken bei der Prüfung eines Targets nicht oder nicht rechtzeitig vor Eintritt in einen Transaktionsprozess erkannt, kann dies erhebliche Auswirkungen auf die Unternehmensbewertung oder den Erfolg einer Transaktion haben.
Daher verwundert es nicht, dass sich die ESG Due Diligence mittlerweile stark an die klassische Legal bzw. Technical Due Diligence angepasst hat. Auch hier wird mit detaillierten Checklisten gearbeitet, die gleichsam tailor-made auf die spezifischen Rahmenbedingungen der Unternehmen zugeschnitten werden.
E – der Aspekt Umwelt in der Due Diligence
Spätestens seit die Europäische Kommission ihren Green Deal vorgestellt und damit ambitionierte Ziele zur Dekarbonisierung proklamiert hat, spielt dieser Aspekt auch in M&A- und Private-Equity-Transaktionen eine Rolle. Den Carbon-Footprint der Zielgesellschaft zu erheben, gehört inzwischen zum Standard der Due Diligence. Mit der seit 2022 wirksamen Taxonomie-Verordnung legt die EU-Kommission als Baustein des Green Deals Standards für ökologisches Wirtschaften fest. Im Kern geht es darum, unternehmerische Tätigkeiten dahingehend zu bewerten, ob sie einen grünen Beitrag leisten oder nicht. Anhand dieser Bewertung sollen Investoren einschätzen können, ob Unternehmen nachhaltig arbeiten.
Unterteilt ist die Taxonomie bisher in sechs Umweltziele: Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme. In eine ähnliche Richtung wies bereits das an die von ihr beaufsichtigten Unternehmen gerichtete „Merkblatt“ der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) „zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“ vom 20. Dezember 2019, wiewohl dies (noch) als „Kompendium unverbindlicher Verfahrensweisen“ bezeichnet wurde.
Inwieweit produzierende Betriebe mit umweltschädlichen Stoffen und Emissionen belastet sind, ob und inwieweit sie Umweltmanagementsysteme etabliert haben, um moderne Umweltschutzstandards zu erfüllen, wie sparsam sie in ihren Prozessen ebenso wie beim Unterhalten von Büros und Werkstätten mit Ressourcen wie Wasser oder Strom umgehen und wie weit sie sich bereits mit dem Thema Resilienz mit Blick auf den Klimawandel beschäftigt haben – all dies gehört heute zum Prüfungsschema der ESG Due Diligence. Auf der Schnittstelle zur Legal sowie Technical Due Diligence spielen zudem Fragen nach Umwelt-Compliance-Regularien, nachhaltigen Lieferketten, Störfällen und sonstigen Umweltschäden sowie öffentlich- rechtlichen Genehmigungserfordernissen eine entscheidende Rolle und sind somit bewertungsrelevant.
S – soziale Verantwortung und Menschenrechte
Social Responsibility ist im Unternehmensalltag kein neues Konzept. Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz sowie Produktverantwortung müssen von Unternehmen bereits seit Langem aufgrund zwingender rechtlicher Vorgaben beachtet werden.
Mit den Lieferkettengesetzen in vielen Ländern, seit jüngerem auch in Deutschland und künftig wohl auch auf EU-Ebene, sind Unternehmen darüber hinaus in der Pflicht, sicherzustellen, dass auch ihre Lieferanten soziale Standards im Umgang mit ihren Beschäftigten einhalten. Die Verletzung von Menschenrechten und soziale Ausbeutung, gravierende Nachlässigkeiten in puncto Produktsicherheit oder das Nichteinhalten von Umwelt- und Sicherheitsvorschriften am Arbeitsplatz müssen sich Hersteller und Händler daher vermehrt zurechnen lassen, wenn sie nicht nachweisen können, das ihrerseits Mögliche zur Kontrolle beigetragen zu haben.
Ein breiteres Verständnis von Verantwortung über die rein rechtliche Verantwortlichkeit oder Haftung hinaus gewinnt zunehmend an Bedeutung. Verantwortung zu zeigen für Mitarbeiter, unabhängig davon, ob diese im eigenen Unternehmen oder in einem Unternehmen der Lieferkette beschäftigt sind, das Mitdenken der sozialrelevanten Konsequenzen der Produktanwendung sowie die Übernahme gesamtgesellschaftlicher Verantwortung (Corporate Social Responsibility) rücken im gesellschaftlichen Diskurs immer stärker in den Fokus. Sie können daher Werttreiber bei Unternehmenstransaktionen sein oder – im Falle von identifizierten ESG-Risiken – auch zu Abschlägen beim Unternehmenswert führen.
G – verantwortungsbewusste Unternehmensführung
Die Einführung des Corporate Governance Kodex hat Unternehmen nicht nur Leitlinien für die verantwortungsbewusste Unternehmensführung an die Hand gegeben, sondern auch zu einer erhöhten Sensibilität für das Thema insgesamt geführt. Zugleich hat der Gesetzgeber die Organe der Gesellschaften über die Jahre immer stärker auch persönlich in die Verantwortung genommen.
Ohne ausgefeilte Compliance- und Risikomanagementsysteme ist Unternehmensführung heute kaum noch denkbar. Damit einher gehen erhöhte Anforderungen an die unternehmensbezogene Berichterstattung, die interne Organisation und Besetzung von Gremien, die Vorstandsvergütung und das Agieren im Wettbewerb. Nicht nur mit teils hohem technischem und personellem Aufwand verbunden, sondern ebenfalls für das Management höchst haftungsträchtig sind die Bereiche Datenschutz und IT-Sicherheit. Im Rahmen des Governance-Kriteriums spielen bei ESG ebenso Chancengleichheit bei der Besetzung von offenen Positionen, Diversity auf allen Ebenen des Unternehmens sowie effiziente Prozesse zur Verhinderung von Korruption, Bestechung, Betrug und anderen illegalen Praktiken eine Rolle. Unternehmen, die nicht oder nur unzureichend nachweisen können, in all diesen Feldern gerüstet zu sein, müssen ebenfalls damit rechnen, mit Abschlägen beim Unternehmenswert abgestraft zu werden.
Mit dem Closing der M&A-Transaktion ist die Beschäftigung der Parteien mit dem Thema ESG natürlich nicht an ihr Ende angelangt. Es gilt dann beispielsweise das Augenmerk auf die wirksame Integration der ESG-Compliance-Strukturen der beteiligten Unternehmen zu lenken.
Fazit – jedes Detail zählt
Die ESG Due Diligence entwickelt sich mehr und mehr zu einem Schlüsselfaktor, um den Parteien bei Transaktionen nicht mehr herumkommen. Zugleich ist ESG ein relativ junges Beratungsfeld, in dem sich vieles im Fluss befindet. So steht weder fest, was genau unter einer ESG Due Diligence zu verstehen ist, noch welche ESG-Kriterien standardmäßig anzulegen sind. Derzeit existieren mindestens drei wesentliche Standards für den Vergleich von Nachhaltigkeitsdaten: GRI (Global Reporting Initiative), TCFD (Task Force on Climate-Related Financial Disclosures) sowie SASB (Sustainability Accounting Standards Board).
Viele Unternehmen sind unsicher, welchen Standard sie anwenden sollen. Der Ruf nach einem einzigen, regulatorisch verpflichtenden ESG-Standard in Richtung Politik und Gesetzgeber wird daher immer lauter. Dies wird auch dadurch befeuert, dass für Private Equity Fonds Manager seit dem Laufe des Jahres 2021 die Informations- und Offenlegungspflichten hinsichtlich der den Investitionen der Private Equity Fonds zugrundeliegenden Nachhaltigkeitsrisiken sowie Art und Umfang ihrer Berücksichtigung zu beachten sind, die die Europäische Union in der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) verordnungsrechtlich vorgegeben haben.
Umso mehr kommt es heute auf eine frühzeitige und offene Abstimmung zwischen Käufer und Verkäufer in der Frühphase des Transaktionsprozesses an: Haben beide Seiten ein weitestgehend gleiches Verständnis von ESG? Welche Kriterien sollen angelegt werden? Und gibt es vielleicht bereits Ausschlusskriterien im Sinne von ESG-Anforderungen, die der Verkäufer im avisierten Zeithorizont nicht wird erfüllen können? Diese Fragen gilt es zu klären, damit einer erfolgreichen Transaktion auch das Thema ESG nicht im Wege steht.
Was passiert, wenn bei der Due Diligence ESG-Risiken identifiziert werden? In den meisten Fällen reagieren die Parteien mit Abschlägen beim Unternehmenswert. Darüber hinaus können selbstverständlich auch für ESG-Risiken in den entsprechenden Vertragswerken Garantien sowie Freistellungen vereinbart werden, möglicherweise erweitert um die Option der Versicherung entsprechender Risiken durch W&I-Versicherungen. Entsprechende Versicherungen treten jedoch nur dann ein, wenn zuvor eine adäquate Due Diligence durchgeführt wurde – hier schließt sich der Kreis.