Beschaffenheit Entgeltstrukturen (Art. 4 EntgTranspRL)
Die EntgTranspRL konkretisiert den EU-Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit (Art. 157 Abs. 1 AEUV). Die Mitgliedstaaten werden verpflichtet, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Arbeitgeber*innen über Vergütungsstrukturen verfügen, die diesem Grundsatz entsprechen (Art. 4 Abs. 1 EntgTranspRL). In Art. 4 Abs. 4 S. 1 der EntgTranspRL wird definiert, wie die Vergütungsstrukturen beschaffen sein müssen, um dieser Anforderung zu genügen: es muss anhand objektiver und geschlechtsneutraler Kriterien, die – sofern vorhanden – mit den Arbeitnehmervertretungen vereinbart wurden, beurteilt werden können, ob sich Arbeitnehmer*innen im Hinblick auf den Wert der Arbeit in einer vergleichbaren Situation befinden. Die vereinbarten Kriterien umfassen etwa Kompetenzen, Belastungen, Verantwortung und Arbeitsbedingungen, aber auch weitere Faktoren, die für die konkrete Position relevant sind (Art. 4 Abs. 4 S. 3 EntgTranspRL). Sie dürfen in keinem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit dem Geschlecht der Arbeitnehmer*innen stehen und auch soziale Kompetenzen sind zu berücksichtigen (Art. 4 Abs. 4 S. 2 und 5 EntgTranspRL).
Entgelttransparenz gegenüber Bewerber*innen (Art. 5 EntgTranspRL)
Nach Art. 5 Abs. 1 EntgTranspRL sollen Informationspflichten künftig bereits vor Beginn eines Arbeitsverhältnisses gelten. Stellenbewerber*innen haben danach das Recht, von künftigen Arbeitgeber*innen Informationen über das Einstiegsentgelt oder die Entgeltspanne für die betreffende Stelle zu erhalten. Die Informationen müssen von den Unternehmen so zur Verfügung gestellt werden, dass fundierte und transparente Verhandlungen über das Entgelt möglich sind. Als Beispiele werden die Bereitstellung in einer veröffentlichten Stellenausschreibung oder vor dem Vorstellungsgespräch genannt. Dies ist jedoch nicht als Verpflichtung zur Veröffentlichung des Einstiegsgehalts in der Stellenausschreibung zu verstehen. Auch dürfte nicht jede*r Bewerber*in automatisch einen Informationsanspruch haben. Der Wortlaut der Richtlinie lässt zwar auf einen solchen umfassenden Anspruch für alle Bewerber*innen schließen. Dieser steht jedoch nicht im Einklang mit dem Zweck der Regelung, eine informierte Verhandlung über das Einstiegsgehalt zu ermöglichen. Denn für solche Bewerber*innen, die mangels notwendiger fachlicher Voraussetzungen für die ausgeschriebene Stelle bereits nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden, ist die Kenntnis von dem Einstiegsgehalt auch nicht erheblich. Sie dürften daher vom Regelungszweck nicht erfasst sein.
Zudem dürfen Arbeitgeber*innen die Bewerber*innen nicht nach ihrer Entgeltentwicklung in ihren laufenden oder früheren Beschäftigungsverhältnissen befragen (Art. 5 Abs. 2 EntgTranspRL). Dem Wortlaut nach sind Fragen nach der aktuellen Entgelthöhe hiervon ausgenommen. Dies dürfte jedoch nicht dem Zweck der Regelung entsprechen. Der europäische Gesetzgeber hat in den Erwägungsgründen zum Ausdruck gebracht, dass es Arbeitgeber*innen untersagt sein soll, Informationen über die Höhe der Vergütung von Stellenbewerber*innen in deren aktuellen Beschäftigungsverhältnissen zu erlangen, sei es durch Nachfrage oder aus anderen Informationsquellen (ErwGr. 33 S. 6).
Informationspflicht und Auskunftsanspruch (Art. 6, 7 EntgTranspRL)
Die EntgTranspRL verpflichtet Arbeitgeber*innen, die objektiven und geschlechtsneutralen Kriterien, nach denen das Entgelt, die Entgelthöhe und die Entgeltentwicklung bestimmt werden, den Arbeitnehmer*innen offenzulegen (Art. 6 Abs. 1 S. 1 EntgTranspRL). Die Information über die verwendeten Kriterien muss den Arbeitnehmer*innen in leicht zugänglicher Weise zur Verfügung gestellt werden. Die Mitgliedstaaten können jedoch entscheiden, kleinere Unternehmen mit weniger als 50 Arbeitnehmer*innen von der Informationspflicht über die Kriterien für die Festlegung der Entgeltentwicklung auszunehmen (Art. 6 Abs. 2 EntgTranspRL). Über das Entgelt und die Entgelthöhe müssen auch kleine Unternehmen in jedem Fall informieren.
Daneben begründet die EntgTranspRL ein individuelles Auskunftsrecht der Arbeitnehmer*innen bezüglich der Entgelthöhe. Danach müssen Arbeitgeber*innen auf Verlangen der Arbeitnehmer*innen innerhalb von zwei Monaten schriftlich Auskunft über die individuelle und durchschnittliche Entgelthöhe erteilen (Art. 7 Abs. 1, 4 EntgTranspRL). Die durchschnittliche Entgelthöhe ist nach Geschlecht aufzuschlüsseln und für die Gruppen von Arbeitnehmer*innen mitzuteilen, die die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit verrichten wie die Person, die die Auskunft verlangt hat. Das Auskunftsverlangen kann auch von Arbeitnehmervertretungen geltend gemacht werden (Art. 7 Abs. 2 EntgTranspRL).
Es ist zudem vorgesehen, dass Arbeitnehmer*innen einmal im Jahr über ihren Auskunftsanspruch informiert werden (Art. 7 Abs. 3 EntgTranspRL). Diese Informationspflicht ähnelt der Pflicht der Arbeitgeber*innen, über ausstehende Urlaubsansprüche zu informieren. Dabei ist über das Verfahren zur Geltendmachung des Auskunftsanspruchs zu informieren.
Die EntgTranspRL untersagt es, Arbeitnehmer*innen durch Vertragsbedingungen zu verbieten, Informationen über ihr Entgelt offenzulegen (Art. 7 Abs. 5 S. 2 EntgTranspRL). Dieses Verbot ist von Arbeitgeber*innen bei der Erstellung neuer Arbeitsverträge zu beachten. Nach dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift dürfte das Verbot jedoch einschränkend dahingehend auszulegen sein, dass es sich nur auf solche Vertragsbedingungen bezieht, die Arbeitnehmer*innen daran hindern, Informationen über ihr Entgelt offenzulegen, wenn die Offenlegung der Durchsetzung des Grundsatzes des gleichen Entgelts dient (Art. 7 Abs. 5 S. 1 EntgTranspRL). Vereinbarungen, die die Offenlegung des Entgelts aus anderen Gründen einschränken, dürften weiterhin zulässig sein.
Berichterstattung und gemeinsame Entgeltbewertung (Art. 9, 10 EntgTranspRL)
Um den Grundsatz des gleichen Entgelts bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit in den Unternehmen durchzusetzen, besteht eine Berichtspflicht. Diese verpflichtet Arbeitgeber*innen, in regelmäßigen Abständen über das geschlechtsspezifische Entgeltgefälle in ihrem Unternehmen Bericht zu erstatten (Art. 9 Abs. 1 EntgTranspRL). Die Informationen können z.B. auf der Internetseite des Unternehmens veröffentlicht oder ggf. in den Lagebericht aufgenommen werden (Art. 9 Abs. 7 S. 2 EntgTranspRL i.V.m. ErwGr. 38 S. 3).
Beginn und Häufigkeit der Berichtspflicht sind nach Unternehmensgröße gestaffelt. Unternehmen mit weniger als 100 Arbeitnehmer*innen sind nach der Richtlinie nicht zur Berichterstattung verpflichtet. Sie können jedoch freiwillig entsprechenden Informationen veröffentlichen oder durch das nationale Recht der Mitgliedstaaten zur Offenlegung von Entgeltinformationen verpflichtet werden (Art. 9 Abs. 4 EntgTranspRL). Für Unternehmen mit 100 bis 149 Arbeitnehmer*innen beginnt die Berichtspflicht acht Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie. Ab diesem Zeitpunkt müssen alle drei Jahre Informationen über das geschlechtsspezifische Entgeltgefälle veröffentlicht werden (Art. 9 Abs. 4 EntgTranspRL). Arbeitgeber*innen mit 150 bis 249 Arbeitnehmer*innen müssen ihre Berichtspflicht vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Richtlinie erfüllen und ab diesem Zeitpunkt ebenfalls alle drei Jahre Informationen zur Verfügung stellen (Art. 9 Abs. 3 EntgTranspRL). Für Arbeitgeber*innen mit mindestens 250 Arbeitnehmer*innen beginnt die Berichtspflicht vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Richtlinie. Sie müssen ab diesem Zeitpunkt jedes Jahr Informationen über das vorangegangene Kalenderjahr vorlegen (Art. 9 Abs. 2 EntgTranspRL).
Das bedeutet, dass Unternehmen mit mindestens 150 Arbeitnehmer*innen ab 2027 die Zahlen für das Jahr 2026 vorlegen müssen. Unternehmen, die nicht über Missstände berichten wollen, sind daher gut beraten, die Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung ihrer Entgeltsysteme noch in diesem Jahr abzuschließen.
Neben der öffentlichen Bereitstellung der Informationen, müssen die Unternehmen diese auch den Arbeitnehmer*innen sowie deren Vertretungsorganen (z.B. dem Betriebsrat) vorlegen (Art. 9 Abs. 9 S. 1 EntgTranspRL). Dies dürfte jedoch nur für solche Unternehmen gelten, die mit mindestens 100 Arbeitnehmer*innen zur Berichterstattung verpflichtet sind.
In bestimmten Fällen, in denen die im Rahmen der Berichtspflicht offengelegten Informationen ein geschlechtsspezifisches Entgeltgefälle aufzeigen, sind die Unternehmen darüber hinaus verpflichtet, mit ihren Arbeitnehmervertreter*innen ein eine sogenannte gemeinsame Entgeltbewertung durchzuführen (Art. 10 Abs. 1 EntgTranspRL). Dabei sollen Entgeltunterschiede zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nicht durch objektive und geschlechtsneutrale Kriterien gerechtfertigt sind, festgestellt, korrigiert und verhindert werden (Art. 10 Abs. 2 EntgTranspRL).
Schadensersatz und Beweislastumkehr (Art. 16, 18 EntgTranspRL)
Den Arbeitnehmer*innen, die durch die Verletzung des Grundsatzes des gleichen Entgelts einen Schaden erlitten haben, steht ein Anspruch auf Schadensersatz bzw. eine Entschädigung zu (Art. 16 Abs. 1 EntgTranspRL). Dabei sollen die betroffenen Arbeitnehmer*innen durch den Ersatz in die Situation versetzt werden, in der sie sich ohne die Diskriminierung wegen des Geschlechts oder ohne Verletzung der Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit dem Grundsatz des gleichen Entgelts befunden hätten (Art. 16 Abs. 3 EntgTranspRL). Der Ersatz oder die Entschädigung kann z.B. in der Nachzahlung des Entgelts bestehen.
Um den Schaden geltend zu machen, müssen die Arbeitnehmer*innen lediglich Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer Diskriminierung vermuten lassen. Es ist Aufgabe der Arbeitgeber*innen, nachzuweisen, dass keine unmittelbare oder mittelbare Entgeltdiskriminierung vorliegt (Art. 18 Abs. 1 S. 1 EntgTranspRL). Diesen Nachweis müssen Arbeitgeber*innen insbesondere dann führen, wenn sie ihren Verpflichtungen aus den Art. 5, 6, 7, 9 und 10 EntgTranspRL nicht nachgekommen sind, es sei denn, der Verstoß war offensichtlich unbeabsichtigt und geringfügig (Art. 18 Abs. 2 EntgTranspRL).
Ausblick
Die neuen europäischen Transparenzvorgaben gehen deutlich über das Niveau des derzeit geltenden Entgelttransparenzgesetzes hinaus. Die Frist zur Umsetzung der EntgTranspRL endet am 7. Juni 2026. Nach der anstehenden Neuwahl des Deutschen Bundestages ist daher mit einer Anpassung und Verschärfung des Entgelttransparenzgesetzes durch die neue Regierung zu rechnen. Inwieweit der Gesetzgeber von Ausnahmemöglichkeiten zur Entlastung kleinerer Unternehmen Gebrauch machen wird, bleibt abzuwarten.