Der ehemalige Oberstaatsanwalt B. soll Gutachten für die Justiz an einen Bekannten vergeben und dafür Schmiergeld kassiert haben. Dem Beamten wird gewerbsmäßige Bestechlichkeit, Untreue und Steuerhinterziehung vorgeworfen. Mit ihm auf der Anklagebank sitzt ein Unternehmer aus dem Hochtaunuskreis, dessen Firma die Gutachten erstellt hatte. Ihm wird gewerbsmäßige Bestechung und Subventionsbetrug vorgeworfen.
Angesetzt sind bereits jetzt 22 Verhandlungstermine – zwei pro Woche – bis Ende März. Nach Angaben des Gerichts wurden bislang 26 Zeugen geladen.
Eine Zeugin wird in dem Verfahren fehlen: Die ehemalige Lebensgefährtin B.s, die mit ihrer Anzeige den Fall ins Rollen gebracht hatte, ist zwischenzeitlich gestorben. Dank der im Lauf der Ermittlungen gewonnenen Erkenntnisse werde „dem endgültigen Wegfall der Verstorbenen als Zeugin“ aber keine große Bedeutung mehr beigemessen, hieß es bei der Staatsanwaltschaft.
Mutmaßlich rund 280.000 Euro Schmiergeld
Die Firma des Mitangeklagten soll von der hessischen Justiz insgesamt Aufträge in Höhe von insgesamt 12,5 Millionen Euro erhalten haben. Der Oberstaatsanwalt soll zwischen 2015 und 2020 – dem Zeitraum, in dem die Taten noch nicht verjährt sind – rund 280.000 Euro Schmiergeld kassiert haben.
Bei der anstehenden Verhandlung geht es nur um einen Teil des gesamten Komplexes – sowohl was die beteiligten Personen angeht als auch die Tatvorwürfe. Die Ermittlungen, die seit 2019 laufen, hatten bundesweit für Aufsehen gesorgt, die Justiz erschüttert und die Politik aufgerüttelt.
Für Gesprächsstoff in der eng vernetzten Juristenszene Frankfurts hatte im Verlauf des Verfahrens auch eine mögliche Befangenheit des Vorsitzenden Richters Werner Gröschel gesorgt. Mit zwei Befangenheitsanträgen – der zweite wurde erst vor wenigen Wochen zurückgewiesen – hatte die Verteidigung versucht, Gröschel als Kammervorsitzenden zu verhindern. Sie wirft ihm vor, dass er als Duz-Freund mit privaten Kontakten zu B. nicht die nötige Distanz für das Verfahren habe.
Im Sommer 2020 war der nun angeklagte B. erstmals festgenommen worden, später wurde er unter Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen und im Januar 2022 erneut ins Gefängnis gebracht: Nachdem die Ermittlungen weitere Tatvorwürfe ergeben hatten, befürchtete die Staatsanwaltschaft Verdunkelungs- oder Fluchtgefahr.
Vorwürfe gegen weitere Personen
In den Fall verstrickt sind mehr Personen als die zwei, die ab Freitag auf der Anklagebank sitzen. Besonders brisant ist die Frage, inwieweit Kollegen des Oberstaatsanwalts in die Affäre verwickelt sind. Zwei Staatsanwälte, die mit ihm zusammengearbeitet haben, wurden inzwischen suspendiert. Ihnen wird Beihilfe zur Untreue im Amt vorgeworfen. Die Ermittlungen laufen noch.
Auch bei den Unternehmen, die Aufträge von der Zentralstelle erhielten, gibt es weitere Verdächtige. Laut Staatsanwaltschaft wird zum einen gegen eine Teamleiterin und elf freie Mitarbeiterinnen des mitangeklagten Unternehmers ermittelt. Sie stehen im Verdacht bei der Zentralstelle „tatsächlich nicht erbrachte Arbeitsstunden abgerechnet zu haben“, wie die Sprecherin der Anklagebehörde sagte.
Auch gegen die Inhaber einer zweiten Firma, die EDV-Dienstleistungen für die Zentralstelle erbracht hat, wird ermittelt. Von dort sollen ebenfalls Schmiergelder an den Oberstaatsanwalt geflossen sein.
Als Konsequenz aus der Affäre ordnete das Justizministerium an, dass künftig bei allen hessischen Staatsanwaltschaften bei der Vergabe von Gutachten das Vier-Augen-Prinzip gilt. Eine neue Stabsstelle Innenrevision soll Korruption vorbeugen und die Kontrollmechanismen fortlaufend überprüfen. Die Zentralstelle für Medizinwirtschaftsstrafrecht, die der Angeklagte geleitet hatte, wurde geschlossen.
Verteidiger Ex-Oberstaatsanwalt
Dr. Andreas Hohnel (Frankfurt)
Ignor & Partner (Frankfurt): David Püschel
Verteidiger Unternehmer
Dr. Brigitta Hohnel (Limburg)
Reichling Corsten (Frankfurt): Dr. Johannes Corsten
Staatsanwaltschaft Frankfurt
Michael Loer, Gisela Leimeister
Landgericht Frankfurt, 24. Strafkammer
Werner Gröschel
Hintergrund: Andreas und Brigitta Hohnel sind seit Beginn der Ermittlungen gegen ihre Mandanten im Boot. Püschel aus der Kanzlei Ignor und Corsten von Reichling Corsten kamen jeweils später hinzu. Corsten hatte sich mit seinem Kanzleipartner Dr. Tilman Reichling im vergangenen Oktober selbstständig gemacht. Er hatte bis dahin bei Kempf Schilling + Partner gearbeitet. (mit Material von dpa)