Nachdem sich der Fall fast 15 Jahre hingezogen hat, ging es am Ende doch vergleichsweise fix: Nach knackigen sechs Hauptverhandlungstagen verkündete der Vorsitzende Richter Dr. Ulrich Egger das Urteil. Zuvor hatte das Bundeskartellamt zwar noch etwas mit dem Säbel gerasselt und einen neu berechneten, angeblich noch höheren Mehrerlös in den Raum gestellt. Dieser Ansatz überzeugte das Gericht allerdings nicht. Es hätte auch andere Gründe für die Preisunterschiede gegeben und zudem sei es nach der langen Verfahrensdauer extrem schwierig, den Mehrerlös exakt festzustellen.
Das Flüssiggaskartell hat nicht nur wegen der überaus langen Dauer, sondern auch wegen der Höhe der Bußgelder und dem Verfahrensverlauf Rechtsgeschichte geschrieben. Im Jahr 2005 hatte das Bundeskartellamt Hausdurchsuchungen durchgeführt und schließlich 2007 Geldbußen in Höhe von 180 Millionen Euro festgesetzt. Die Kartellanten legten Einspruch ein und klagten vor dem OLG Düsseldorf.
Es folgte mit 130 Verhandlungstagen einer der aufwändigsten Kartellprozesse Deutschlands und 2013 erhöhte das OLG die Geldbuße auf 244 Millionen Euro. Diese sogenannte Verböserungspraxis, nach der sich Bußgelder nach Beschwerden vor dem OLG sogar erhöhten, ist in der Vergangenheit vielfach kritisiert worden. Die Unternehmen zogen vor den Bundesgerichtshof (BGH), der das OLG-Urteil Anfang 2019 schließlich aufhob und zurückverwies. Solche Beschlüsse sind äußerst selten, umso überraschender war es, dass der identisch zusammengesetzte BGH-Senat nur ein knappes halbes Jahr später auch den Bußgeldstreit im Süßwarenkartell an das OLG zurückverwies.
Im Flüssiggas-Kartell kann bis Ende dieser Woche theoretisch noch Rechtsbeschwerde gegen das Urteil eingelegt werden – das ist allerdings unwahrscheinlich, da sich alle Beteiligten mit dem Gericht verständigt haben.
Vertreter Friedrich Scharr/Sano-Propan
Haver & Mailänder (Stuttgart): Dr. Ulrich Schnelle (Kartellrecht) – aus dem Markt bekannt
Vertreter Progas
Kümmerlein (Essen): Dr. Torsten Uhlig (Kartellrecht)
Hengeler Mueller (Düsseldorf): Jochen Burrichter (Kartellrecht)
Vertreter Salzgitter Gas (vormals Primagas)
Freshfields Bruckhaus Deringer (Düsseldorf): Dr. Martin Klusmann, Dr. Joachim Pfeffer; Associate: Natalie Ferdinand (alle Kartellrecht)
HammPartner (Frankfurt): Dr. Jürgen Pauly (Revisionsrecht)
Vertreter Transgas Flüssiggas Transport und Logistik
Schmidt von der Osten & Huber (Essen): Dr. Notker Lützenrath (Wettbewerbs- und Kartellrecht)
Vertreter Tyczka Gase (ehemals Tyczka Energie)
Beiten Burkhardt (München): Georg Cotta, Dr. Christian Heinichen (beide Kartellrecht)
Vertreter Tyczka Totalgaz
SKW Schwarz (München): Dr. Sebastian Graf von Wallwitz, Eva Bonacker (beide Kartellrecht)
Vertreter Westfalen
Commeo (Frankfurt): Dr. Dominique Wagener, Isabel Oest; Associate: Josefa Billinger (alle Kartellrecht)
Vertreter Bundeskartellamt
Jens Holger Quellmalz (Bonn, Prozessabteilung)
Vertreter Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf‘
Dr. Jan Steils
Oberlandesgericht Düsseldorf, 6. Kartellsenat
Dr. Ulrich Egger (Vorsitzender Richter)
Hintergrund: Es gab keine Beraterwechsel, die beteiligten Unternehmen wurden auch in den Vorinstanzen und vor dem Bundesgerichtshof von denselben Kartellrechtlern vertreten. Während einige Unternehmen vor dem BGH zusätzlich Strafrechtsspezialisten mandatiert hatten, war das jetzt dem Vernehmen nach nur noch bei Salzgitter der Fall. Das Verfahren gegen Propan Rheingas hat der 6. Kartellsenat bereits im Mai 2020 vollständig eingestellt und die Geldbuße zurückgenommen: Das Bundeskartellamt hatte 2009 gegen das Unternehmen eine Buße von 22,5 Millionen Euro verhängt. Propan Rheingas wurde vom Kölner Kartellrechtler Sven Köhnen von Friedrich Graf von Westphalen vertreten.
Die Urteilsverkündung fand im Rahmen der Hauptverhandlung schließlich an einem außergewöhnlichen Ort statt: Im Hochsicherheitstrakt eines Spezialgebäudes des Gerichts, wo normalerweise Terroristen und Schwerkriminelle auf der mit dicken Glasscheiben abgeschirmten Anklagebank sitzen. Im eigentlichen Gerichtsgebäude in der Düsseldorfer Cecilienallee konnten wegen der hohen Zahl der Verfahrensbeteiligten die aufgrund der Corona-Pandemie vorgeschriebenen Abstandsregelungen nicht eingehalten werden. (Silke Brünger)