Der Fall Infinus gilt als einer der größten Anlegerskandale Deutschlands. Die Staatsanwaltschaft wirft fünf Ex-Infinus-Managern vor, Zehntausende von Anlegern mithilfe eines Schneeballsystems um Milliarden Euro geprellt zu haben, K. soll Beihilfe dazu geleistet haben. Mit dem Beschluss des Landesverfassungsgerichtes ist nun wieder Bewegung in das Verfahren gegen die sechs Angeklagten gekommen, von denen fünf seit ihrer Festnahme im November 2013 in Untersuchungshaft sitzen. Diverse Haftprüfungsanträge aller Angeklagten bei der Kammer und Beschwerden beim OLG waren in der Vergangenheit abgeschmettert worden, auch das Landesverfassungsgericht hatte bei einer früheren Anrufung eine Haftentlassung abgelehnt.
Nun rügten die sächsischen Verfassungsrichter in ihrer Begründung vor allem, dass die bisherigen Begründungen des OLG „den Anforderungen an die Begründungstiefe nicht gerecht“ würden und die „Ausführungen zur Fluchtgefahr in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft“ seien. Außerdem hätten die Vorinstanzen keine „Verhältnismäßigkeitsprüfung“ zwischen zu erwartendem Strafmaß und bereits abgesessener Untersuchungshaft vorgenommen. Bemängelt wurde auch, dass die Strafkammer in ihrer Begründung für die Haft zuletzt Beweise zugrunde gelegt hatte, die nach Paragraf 154a nicht Gegenstand des Prozesses waren.
Die Wirtschaftsstrafkammer hatte in einer Sitzung Anfang April einen zu erwartenden Strafrahmen für die Ex-Manager verkündet: Dem Firmengründer Jörg B. drohen demnach wegen bandenmäßigen Betrugs neun Jahre Haft, dem Ex-Rechtschef und Aufsichtsratsvorsitzenden A. sechs, zwei Vorstandsmitgliedern sieben, einem Finanzmanager fünfeinhalb und K. wegen Beihilfe zum Kapitalanlagebetrug fünf Jahre Haft.
Daraus leitete das Verfassungsgericht auch die mangelnde Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft ab, da man davon ausgehen könne, dass K. als möglicher Ersttäter und einer bereits abgeleisteten Untersuchungshaft von zweieinhalb Jahren im Falle einer Verurteilung sowieso nur noch wenig Zeit in Haft verbringen müsste.
Nun dürften auch weitere Verteidiger neue Vorstöße zur Freilassung ihrer Mandanten unternehmen. Die Anwälte von Firmengründer Jörg B. prüfen dies bereits und wollen in der kommenden Woche nachziehen.
Jörg B. hatte in den vergangenen Sitzungstagen sein bisheriges Schweigen gebrochen. Es sei nicht alles „optimal verlaufen“ und es seien auch Fehler passiert, sagte er in seiner ersten Aussage seit Prozessbeginn. Er bestritt allerdings jede Betrugsabsicht, das Geschäftsmodell war nach seiner Ansicht und nach der seiner Steuer- und Wirtschaftsberater zwar riskant, aber rechtens, so B. Auch die Aufsichtsbehörde BaFin sowie die Bundesbank und das Finanzamt hätten regelmäßig die Unterlagen geprüft.
Vertreter vor dem Verfassungsgerichtshof Sachsen
Vertreter K.
Stephan (Dresden): Michael Stephan
Roxin (Hamburg): Dr. Johannes Altenburg
Verfassungsgerichtshof Sachsen
Birgit Munz (Präsidentin)
Vertreter vor dem Landgericht Dresden
Vertreter B.
Israel & Hübner (Dresden): Ulf Israel, Alexander Hübner
Vertreter K.
Brüssow (Köln): Rainer Brüssow, Klaus Pfitzner
Vertreter P.
Heinemann & Peters (Dresden): Stefan Heinemann
Zeeh & Coll. (Dresden): Thomas Zeeh
Vertreter K. Stephan (Dresden): Michael Stephan
Roxin (Hamburg): Dr. Johannes Altenburg
Vertreter O.
Strafverteidigerbüro (Köln): Dirk Petri
Doreen Blasig-Vonderlin (Leipzig)
Vertreter B. (Aufsichtsratsvorsitzender/Leiter Recht)
Wissmann (Dresden): Martin Wissmann
Duchon Meißner Schütrumpf (München): Markus Meißner
Staatsanwaltschaft Dresden
Dr. Kai Dömland (Oberstaatsanwalt)
Landgericht Dresden, 5. Strafkammer
Hans Schlüter-Staats (Vorsitzender Richter)
Hintergrund: Anfang des Jahres hatten sich Kammer und Verteidiger wochenlang beharkt, der Fortgang des Prozesses kam streckenweise völlig zum Erliegen. Die Verteidiger hatten gegen die Kammer und einzelne Richter unterschiedliche Befangenheitsanträge gestellt. Im Kern bemängelten sie die Verfahrensführung des Vorsitzenden und hegten Zweifel an seiner Unparteilichkeit, weil er sich außerhalb der Verhandlung mit Gutachtern und Zeugen getroffen hatte.
Roxin-Anwalt Altenburg, der gemeinsam mit seinem Dresdner Kollegen Michael Stephan den Verfassungsgerichtsentscheid durchsetzte, war im vergangenen Jahr bereits in einem anderen öffentlichkeitswirksamen Prozess dabei, als er im Skandal um verkaufte Examensklausuren an der Seite des letztlich verurteilten Ex-Richters stand. Außerdem vertritt er nach JUVE-Informationen im Zusammenhang mit der Pleite des Arcandor-Konzerns einen beschuldigten Ex-Vorstand.
Einer der Vertreter von Jörg B., Ulf Israel, verteidigt außerdem in einem Großprozess in Landshut einen der Ex-Vorstände von Müller Brot. Dort geht es Hygieneverstöße und Untreuevorwürfe.
Abgetrennt wurde das Strafverfahren gegen einen Steuerberater und einen Wirtschaftsprüfer von Infinus; sie werden nach JUVE-Informationen von dem Dresdner Starfrechtler Franz-Josef Schillo, der früher für Noerr arbeitete, und der Dresdner Kanzlei Elbs Manthey Kilian Wirth vertreten. (Christiane Schiffer)
Aktualisierung vom 25.04.16: Der Haftbefehl wurde heute außer Vollzug gesetzt