Gerichtshof für Menschenrechte

Lux Leaks-Whistleblower bekommt nach elf Jahren Recht – und Schadensersatz

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Raphaël Halet im Zusammenhang mit geleakten Dokumenten über Steuersparmodelle in Luxemburg Recht gegeben. Die Richter befreiten den ehemaligen Mitarbeiter von PricewaterhouseCoopers von der Strafe, die ein luxemburgisches Gericht verhängt hatte. Auch Schadensersatz stehe ihm zu.

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Der Whistleblower Halet ist laut Gericht durch die Verurteilung in seiner Meinungsfreiheit verletzt worden. Das öffentliche Interesse an den Informationen überwiege die dadurch entstandenen Schäden. Ein solcher Eingriff in die Meinungsfreiheit sei in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig. Luxemburg muss Halet 55.000 Euro Schadensersatz und Gerichtskosten zahlen.

Ende nach elf Jahren

Halet hatte einem Journalisten 2012 insgesamt 16 Dokumente zugespielt. Deutsche und internationale Medien berichteten daraufhin Ende 2014 in den ,Luxemburg Leaks‘ über zweifelhafte Steuerabsprachen von Konzernen mit Luxemburgs Finanzbehörde. Die Veröffentlichungen trugen dazu bei, dass in der Europäischen Union Steuertricksereien erschwert wurden.

Nachdem Halet unter anderem wegen Diebstahls und der Verletzung des Berufsgeheimnisses zu einer Geldstrafe von 1.000 Euro verurteilt worden war, klagte er vor dem EGMR und bekam nun vor der Großen Kammer nach elf Jahren Auseinandersetzung mit PwC und Luxemburg Recht. 

EU-Kommission verklagt sieben Mitgliedstaaten 

Das Urteil kommt zeitgleich mit der Vertragsverletzungsklage der EU-Kommission unter anderem gegen Deutschland. Der Bundesrepublik wird vorgeworfen, Regeln zum Schutz von Menschen, die Verstöße gegen EU-Recht melden, nicht vollständig umgesetzt zu haben, wie die Kommission am Mittwoch mitteilte. Der EuGH kann Deutschland im Fall einer Niederlage zu einer Geldstrafe verurteilen. Sieben weitere EU-Staaten werden ebenfalls verklagt.

EU-Recht verpflichtet die Mitgliedstaaten eigentlich, Hinweisgebern geeignete Kanäle zur Verfügung zu stellen, über die sie vertraulich Verstöße gegen EU-Vorschriften melden können. Angesichts mehrerer Skandale wie dem Facebook-Datenleck oder den sogenannten Panama Papers, die erst durch Whistleblower öffentlich geworden waren, hatte sich die EU 2019 auf neue Regeln geeinigt. 

Bundesrat stoppt deutsches Whistleblower-Gesetz

Die Vorgaben decken unter anderem Verstöße gegen EU-Recht in Bereichen wie Geldwäsche, Unternehmensbesteuerung, Daten- und Umweltschutz ab. Konkret ist etwa vorgesehen, dass Whistleblower den Weg, wie sie die Verstöße melden, frei wählen können. Sie werden nicht verpflichtet, sich als Erstes an eine Stelle in ihrem eigenen Unternehmen zu wenden.

In Deutschland hatte der Bundesrat das sogenannte Whistleblower-Gesetz zur Umsetzung der europäischen Vorgaben am Freitag gestoppt. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) erklärte, das Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern gehe in seiner vorliegenden Fassung weit über die EU-Vorgaben hinaus.

Vertreter Raphaël Halet
Meyer & Nouzha (Straßburg): Christophe Meyer
Prof. Dr. Peggy Ducoulombier (Universität Straßburg)

Vertreter Luxemburg/Justizministerium
Thewes & Reuter (Luxemburg): Marc Thewes, Dr. Hicham Rassafi-Guibal
Inhouse (Luxemburg; Justizministerium): Amal Jaouid

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Große Kammer
Prof. Róbert Spanó (President)

Hintergrund: Beim Straßburger Gerichtshof war die Große Kammer mit ihren insgesamt 17 Richtern zuständig – ein Indiz für den Stellenwert, den das Gericht dem Fall beimisst.

Der ehemalige PwC-Mitarbeiter Halet ließ sich von der Straßburger Kanzlei Meyer & Nouzha vertreten, die auf Menschenrechtsfragen spezialisiert ist. Unterstützt wurde das Team von der Straßburger Professorin Ducoulombier, einer Expertin für internationales Menschenrecht.

Luxemburg wiederum ließ sich von der Kanzlei Thewes & Reuter vor Gericht begleiten. Thewes ist auf sämtliche Fragen des Öffentlichen Wirtschaftsrechts spezialisiert. Die Kanzlei ist insgesamt deutlich breiter aufgestellt und vor allem für ihre Prozesserfahrung bekannt. (mit Material von dpa)

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