Insbesondere im CDU-geführten Bundesinnenministerium von Wolfgang Schäuble hatten die Pläne des Finanzministeriums unter Peer Steinbrück (SPD) zu Widerstand geführt. Gestern Abend sollen die zuständigen Minister die noch offenen Punkte geklärt haben.
Der Entwurf aus dem Finanzministerium sieht vor, Enteignungen zeitlich befristet gegen Zahlung einer Entschädigung zu ermöglichen. Die Entschädigung soll sich dabei nach dem durchschnittlichen Börsenpreis während der letzten zwei Wochen vor dem Enteignungsbeschluss bemessen. Ist der Kurs kurzfristig gefallen, soll der Durchschnitt der letzten drei Tage gelten.
Das Gesetz ist so konstruiert, dass eine Enteignung per Rechtsverordnung der Bundesregierung erfolgen kann und keiner Zustimmung des Bundesrats bedarf. Die Maßnahmen sollen auf die HRE beschränkt sein, die Möglichkeit, ein Enteignungsverfahren einzuleiten, besteht nur bis zum 30. Juni dieses Jahres.
Die Verstaatlichung soll nur zulässig sein, wenn andere rechtliche und wirtschaftlich zumutbare Lösungen zur Sicherung der Finanzmarktstabilität nicht zur Verfügung stehen. Zudem soll die Laufzeit für Bankgarantien des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) von zurzeit 36 Monaten auf 60 Monate verlängert werden, um eine Anpassung an die Refinanzierungsstruktur der Banken zu erleichtern.
Alternativ zur Enteignung, die politische Kräfte als letzte Möglichkeit im Fall HRE bewerten, sieht der Entwurf zudem Verschärfungen im Kapitalmarktrecht vor, damit der Bund rasch zu einer Mehrheitsbeteiligung kommt. Das Limit für die zwangsweise Abfindung von Minderheitsaktionären soll von 95 auf 90 Prozent gesenkt werden können, Fristen für die Ladung zu einer Hauptversammlung auf bis zu einen Tag verkürzt werden. Pflichtangebote können ausgeschlossen, Mehrheitserfordernisse auf Hauptversammlungen von 75 Prozent auf voraussichtlich 50 Prozent gesenkt werden, etwa die Schwelle zur Bewilligung von Kapitalerhöhungen. Ziel ist es, binnen vier bis zehn Wochen die HRE-Mehrheit zu erhalten.
Die HRE hatte erst vor Kurzem erneut staatliche Garantien in Höhe von 10 Milliarden Euro erhalten, damit erhöhen sich die zugesagten Kapitalhilfen und staatlichen Garantien für die HRE auf insgesamt 102 Milliarden Euro. Der Garantierahmen allein beläuft sich nun auf 52 Milliarden Euro.
Weil die Bank aber täglich mehr Geld vernichtet, sah sich die Bundesregierung nun veranlasst, auch die bereits investierten Summen mit dem Enteignungsgesetz zu schützen. Außerdem können Investoren abgewehrt werden, die die Bank sonst zum Schnäppchenpreis erwerben könnten.
Bereits in der vergangen Woche hatte der SoFFin Gespräche mit dem HRE-Großaktionär J.C. Flowers aufgenommen, um über eine Übernahme seiner Anteile zu verhandeln, bislang allerdings ergebnislos. Flowers hält seit Sommer 2008 knapp 25 Prozent an der HRE und hatte bei seinem Einstieg noch 22,50 Euro pro Aktie gezahlt. Mittlerweile ist die Aktie nur noch rund 1,30 Euro wert. Flowers soll zuletzt noch zehn Euro pro Aktie verlangt haben, angesichts des Kursverfalls will die Regierung aber weniger als zwei Euro zahlen.
Berater Bundesfinanzministerium
FRESHFIELDS BRUCKHAUS DERINGER : Dr. Gunnar Schuster (Bankrecht), Dr. Andreas Fabritius (Unternehmensrecht; beide Frankfurt), Dr. Benedikt Wolfers (Öffentliches Recht; Berlin) – aus dem Markt bekannt
Berater SoFFin
INHOUSE (Frankfurt): Bernd Giersberg (Leiter Recht) – aus dem Markt bekannt
Berater Bundesinnenministerium
HENGELER MUELLER (Berlin): Dr. Wolfgang Spoerr, Dr. Stefan Richter – aus dem Markt bekannt
Berater Flowers
SULLIVAN & CROMWELL (Frankfurt): Dr. Wolfgang Feuring – aus dem Markt bekannt
Bei den aktuellen Mandatierungen soll es Kontroversen gegeben haben, insbesondere wegen der Mandatierung von Hengeler durch das Innenministerium.
Das beim Sonderfonds SoFFin maßgebliche Finanzministerium soll Einwände gehabt haben, nach einer rechtlichen Prüfung stand der Mandatierung von Hengeler jedoch nichts im Wege. Die Hengeler-Anwälte hatten Flowers, den Hauptleidtragenden einer möglichen Enteignung, beim Einstieg bei der HRE im Sommer beraten.
Hengeler beriet das Innenministerium jetzt dem Vernehmen nach zu den verschärften gesellschaftsrechtlichen Regelungen, die das Gesetz neben der möglichen Enteignung vorsieht. Die Kanzlei soll in dem Zusammenhang mit der Prüfung der vom Finanzministerium vorgesehenen Optionen befasst gewesen sein und sollte gegebenenfalls zusätzliche Möglichkeiten ausloten – intern läuft dies im Innenministerium unter ‚Option 6‘.
Flowers selbst mandatierte diesmal Sullivan & Cromwell-Partner Feuring, wohl auch weil Hengeler bezüglich des Enteignungsgesetzes anderweitig mandatiert war.
Freshfields soll bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs dem Vernehmen nach eine bedeutende Rolle gespielt haben. Dies verwundert nicht, stand die Kanzlei dem Finanzministerium beziehungsweise dem Sonderfonds SoFFin doch in den vergangenen Monaten bereits umfangreich bei Rettungsmaßnahmen im Bankensektor zur Seite, insbesondere auch im Zusammenhang mit der Hypo Real Estate.
Weil das Gesetz schon vor seiner Verabschiedung politisch stark umstritten war, rechnen alle Beteiligten damit, dass es – sollte es den Bundestag passieren – dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung vorgelegt wird.
Erstmals veröffentlicht auf www.juve.de am 18. Februar 2009