Bereits seit mehreren Jahren wird die Arbeitswelt durch neu auftretende Arbeitsformen, wie mobiles Arbeiten, Co-Working & Co. auf den Kopf gestellt. Das Arbeitsrecht ist dagegen nur eingeschränkt auf die gewandelten Bedürfnisse von Arbeitnehmern in der modernen Arbeitswelt vorbereitet.
Das bisherige Arbeitsrecht verfolgt das veraltete Verständnis einer 40-Stunden Woche. Zeitliche oder örtliche Flexibilisierung sind nur eingeschränkt vorgesehen.
Flexible Gestaltung des Arbeitsplatzes – Chancen und Risiken
Die flexible Gestaltung des Arbeitsplatzes birgt vielfältige Chancen sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber. So kann der Arbeitgeber unter Umständen Kosten sparen durch die Verringerung von Arbeitsräumen. Der Arbeitnehmer kann flexibel nach seinen Bedürfnissen seinen Arbeitsplatz wählen und somit seine sog. Work-Life-Balance verwirklichen.
Andererseits bestehen auch viele Risiken, die mit den neuen Arbeitsformen einhergehen.
Die überwiegend digitale Arbeit kann insbesondere im Bereich des Datenschutzrechts zu Problemen führen. Dies gilt besonders dann, wenn der Arbeitnehmer von zu Hause arbeitet und womöglich sogar nach der BYOD Methode (bring-your-own-device) private Geräte für die Arbeit nutzt. In diesem Fall gilt es, private Dateien und arbeitsbezogene Dateien strikt voneinander zu trennen. Ferner neigen Arbeitnehmer womöglich dazu, Arbeitszeit und Freizeit miteinander zu vermischen. Gesetzlich zwingende Pausen sowie Höchstarbeitszeiten könnten nicht eingehalten werden, wodurch eine Überforderungssituation für die Arbeitnehmer entstehen kann. Auch kann es mangels Kontrollmöglichkeit des Arbeitgebers vermehrt zu Arbeitsunfällen kommen.
Rechtliche Hürden und Problemstellungen
Die rechtlichen Hürden und Problemstellungen bei diesen neuen Arbeitsformen sind vielfältig. Der Arbeitgeber muss dafür Sorge tragen, dass der Datenschutz auch an den selbst gewählten Arbeitsorten der Arbeitnehmer eingehalten wird. Besonders im Falle des Co- Working kann es zu Datenschutzverstößen kommen, wodurch der Arbeitgeber als verantwortliche Stelle in die Haftung genommen wird. Möglich sind Bußgelder nach Art. 83 DSG-VO in Höhe von bis zu 20 Mio. Euro oder 8% des Jahresumsatzes sowie Schadensersatzansprüche nach Art. 82 DSG-VO. Es können zudem leicht Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unabsichtlich offenbart werden welche nach dem GeschGehG geschützt werden.
Arbeits- und Gesundheitsschutz
Ferner ist grundsätzlich der Arbeits- und Gesundheitsschutz einzuhalten. Praktische Probleme können sich hier insbesondere durch einen nicht ergonomischen Arbeitsplatz, einen Arbeitsplatz, der keine Trennung von Privat- und Arbeitsbereich vorsieht sowie durch soziale Isolation ergeben.
Um diese Risiken zu minimieren sind nach §5 ArbSchG Schutzmaßnahmen, eine Gefährdungsbeurteilung sowie entsprechende Unterweisungen der Arbeitnehmer nach §12 ArbSchG vorzunehmen. Zusätzlich sind – nach aktueller Rechtslage in jedem Fall – die Vorgaben der ArbStättV zu beachten.
Ansatz zur Lösung
Damit die Bedürfnisse der modernen Arbeitswelt mit den rechtlichen Anforderungen übereinstimmen, ist ein pragmatisches Verständnis des Arbeitsrechtes zu befürworten. Zu starre Regeln sind nicht mehr praxistauglich und erschweren vielmehr die mobile Arbeit mit ihren vielfältigen Vorteilen. Um rechtlichen Problemen im Gesundheits- und Datenschutz vorzubeugen, sind die Arbeitnehmer umfassend über die Gefahren und Risiken des mobilen Arbeitens zu unterrichten. Gefährdungsbeurteilungen sind nur für die Fälle vorzunehmen, an denen der Arbeitsplatz weitgehend konstant bleibt. Um Rechtsklarheit zu schaffen, ist die Anzahl der Tage des mobilen Arbeitens sowie weitere Modalitäten schriftlich zu vereinbaren. Hierfür ist zu empfehlen Betriebsvereinbarungen abzuschließen, in denen die konkrete Ausgestaltung von mobiler Arbeit oder Home-Office geregelt wird.
Arbeitszeit – Untauglichkeit des ArbZG
Das ArbZG normiert zwingend einzuhaltende Anforderungen, wie eine maximale Höchstarbeitszeit von 10 Stunden nach §3 ArbZG, gemäß §4 ArbZG zwingende Ruhezeiten von 11 Stunden sowie das Verbot der Arbeit an Sonn- und Feiertagen nach §9f. ArbZG. Solche starren Regelungen sind in der modernen Arbeitswelt nicht geeignet, die neuen Arbeitsformen zu unterstützen. Die Vorgaben des ArbZG sind insgesamt untauglich, um das Arbeitsrecht der gewandelten Wirklichkeit in Unternehmen anzupassen. Es ist erforderlich, diese Vorgaben flexibel an die neuen Arbeitsformen anzupassen. Der durch das ArbZG intendierte Schutz der Arbeitnehmer kann in gleichem Maße auch durch flexible rechtliche Regelungen erreicht werden. So wäre es beispielsweise möglich, nur eine wöchentliche Höchstarbeitszeit festzulegen, um Arbeitnehmern mehr zeitliche Flexibilität zu gewähren. Auf diese Weise könnte der Gesundheitsschutz des ArbZG beachtet werden und zudem den geänderten Bedürfnissen von Arbeitnehmer Rechnung getragen werden. Auch könnte das Verbot der Arbeit an Sonntagen beseitigt werden, sofern gleichzeitig ein Ruhezeitraum von 24 Stunden gewährleistet wird. So könnten Arbeitnehmer flexibel nach ihren Bedürfnissen arbeiten, ohne dass der Gesundheitsschutz vernachlässigt wird. Folglich muss der Gesetzgeber tätig werden und die rechtlichen Anforderungen des ArbZG den Bedürfnissen der modernen Arbeitswelt anpassen.
Pragmatische Arbeitszeiterfassung
Es ist zwingend erforderlich für die neue Arbeitswelt, auch ein neues Konzept einer Vertrauensarbeitszeit einzuführen. Die aktuelle europäische und nationale Rechtsprechung machen es für Arbeitgeber praktisch unmöglich, sich den Bestimmungen entsprechend zu verhalten. Elementar ist es, die Arbeitnehmer umfassend über die Notwendigkeit von Ruhepausen und die Gefahr einer Überarbeitung aufzuklären. Diese Unterweisungspflicht des Arbeitgebers gilt es schriftlich zu dokumentieren. Ferner wird erforderlich sein, nicht jede Tätigkeit als Unterbrechung der nächtlichen Ruhezeit zu werten. Die moderne Arbeitswelt macht es erforderlich, auch unabhängig von Bürozeiten auf E-Mails zu antworten und insofern eine Arbeitsleistung zu erbringen. Dafür ist gesetzlich zu normieren, dass solche kurzzeitigen Arbeitsleistungen die Ruhezeiten nicht unterbrechen, sofern eine gewisse zeitliche Schwelle nicht überschritten wird. Eine solche Schwelle wäre ab einer halben Stunde anzusetzen.
Für die Arbeitszeiterfassung sind geeignete technische Systeme zu verwenden, die effektiv und unproblematisch die Arbeitszeit digital erfassen können. So kann der Arbeitnehmer beispielsweise von überall per App seine Arbeitszeit aufzeichnen lassen. Während des Home-Office kann die Arbeitszeit unterbrochen werden, um sich um private Angelegenheiten zu kümmern. Kurzfristige Unterbrechungen der Arbeitszeit sind ebenso wie bei der Arbeit im Büro unbeachtlich. Denn auch bisher war es im Büro üblich, sich nebenbei einen Kaffee zu holen und sich mit Kollegen auszutauschen.
Missbrauchsfälle sind gerade bei der digitalen Aufzeichnung denkbar. Auch könnten Arbeitnehmer unabsichtlich vergessen, sich von der Arbeitszeiterfassung abzumelden. Möglich wäre eine technische Abschaltung der Arbeitszeiterfassung bei Inaktivität des Arbeitnehmers über einen langen Zeitraum hinaus. Allerdings bereitet dieser Vorschlag naturgemäß rechtliche Bedenken hinsichtlich einer Überwachung des Arbeitnehmers. Von besonderer Bedeutung ist daher die richtige Instruktion der Arbeitnehmer, sodass diese verantwortungsvoll auf die Aufzeichnung ihrer Arbeitszeit achten können.
Rolle des Betriebsrates
Der Betriebsrat hat vielfältige Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte hinsichtlich der Einführung von neuen Arbeitsformen, wie z.B. des Home-Office. So ist der Betriebsrat nach §80 Abs. 2 S. 1 BetrVG über die Planung solcher Maßnahmen rechtzeitig und umfassend zu informieren. Ferner muss der Betriebsrat über die Personalplanung nach §92 BetrVG unterrichtet werden. Unter Umständen kann sich sogar eine Betriebsänderung nach §111ff. BetrVG mit der Pflicht zur Erstellung einer Interessenvereinbarung sowie eines Sozialplanes ergeben. Mit Inkrafttreten des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes wurde zudem in §87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung von mobiler Arbeit geregelt. Dieses gilt als Auffangtatbestand und umfasst nur die Mitbestimmung über das Wie der Maßnahme. Die Entscheidung über das Ob obliegt allein dem Arbeitgeber. Der Betriebsrat hat auch kein Initiativrecht auf die Einführung von mobiler Arbeit. Demgemäß kommt dem Betriebsrat keine wesentlich erweitere Befugnis zu. Es gilt – wie bisher – mit dem Betriebsrat vertrauensvoll zusammen zu arbeiten. Auch sollte der Betriebsrat hinsichtlich seiner eigenen Arbeit datenschutzrechtlich sensibilisiert werden, um entsprechende Verstöße zu vermeiden.
Fazit
Es lässt sich festhalten, dass die Regelungen des ArbZG den geänderten Bedürfnissen der modernen Arbeitswelt angepasst werden müssen. Es bedarf flexibler Regelungen, welche die Arbeitenden nicht unzumutbar beschränken. Auch werden die Arbeitnehmer mehr Verantwortung tragen müssen hinsichtlich der Bereiche des Datenschutzrechts, des Gesundheitsschutzes sowie auch der Arbeitszeiterfassung. Dafür muss der Arbeitgeber die Arbeitnehmer umfassend unterweisen und über die Gefahren aufklären.