Team Treuhand will das angeschlagene Unternehmen sanieren und dann weiter verkaufen.
Die französische SNCF-Tochter Keolis ist über ihre deutsche Tochter seit vielen Jahren im deutschen Markt für Schienenpersonennahverkehr (SPNV) aber auch als Betreiberin der Thalys-Strecke Dortmund-Aachen im Fernverkehr unterwegs. Dazu ist sie Vertragspartner insbesondere des Landes Nordrhein-Westfalen und ihrer Aufgabenträger, den Verkehrsverbünden.
Seit einiger Zeit hadern die privaten Eisenbahnunternehmen mit den Verkehrsverträgen. Diverse Umstände wie etwa Personalkosten und die Streckenbereitstellung durch die Infrastrukturtochter der Deutschen Bahn, DB Netz, offenbaren die wirtschaftlichen Risiken der im Vergabewettbewerb deutlich zu optimistisch gerechneten Verkehrsverträge. Sie treiben die Bahngesellschaften tief in die roten Zahlen – und im Fall Abellio in die Insolvenz.
Insolvenz abgewendet
Auch die deutsche Keolis-Tochter fuhr hohe Verluste ein. Die französische Muttergesellschaft hatte nach langen Verhandlungen im Herbst entschieden, sich zum Jahreswechsel aus dem deutschen Markt zurückzuziehen. Für einen Großteil der vertraglichen Pflichten komme sie allerdings noch auf, heißt es.
Zudem ist es gelungen, die Insolvenz der Gesellschaft abzuwenden. Die Gesellschafter haben dazu gemeinsam mit den Verkehrsverbünden einen Kompromiss gefunden, der dem Unternehmen eine positive Fortführungsprognose bescheinigt. Damit ist sie auch bereit für eine Übernahme durch die Noerr-Tochter Team Treuhand. Sie übernimmt die deutsche Keolis für einen negativen Kaufpreis, um sie fit für einen neuen Investor zu machen.
Im Zuge des Gesellschafterwechsels heißt das Unternehmen nun auch wie sein Markenname Eurobahn. Mit dem Unternehmen bleiben in NRW rund 900 Arbeitsplätze erhalten.
Berater Keolis Deutschland/Team Treuhand
Noerr (Berlin): Dr. Martin Kleinschmitt, Dr. Thomas Hoffmann (Frankfurt; beide Federführung; beide Restrukturierung), Georg Edelmann, Dr. Michaela Engel, Oliver Schließer (alle Steuerrecht; alle München), Dr. Kathrin Westermann (Kartellrecht), Elisabeth Dworschak (Steuerrecht; München); Associates: Dr. Andrea Braun, Sabrina Lux (beide Restrukturierung; beide Frankfurt), Susanne Sopart (Steuerrecht; München)
Berater Keolis Frankreich/Deutschland
Bird & Bird (Düsseldorf): Dr. Kathrin Knöfler (Corporate/M&A), Dr. Jan Byok (Vergaberecht/Vertragsrecht; beide Federführung), Dr. Stefan Gottgetreu (Corporate/M&A), Dr. Jörg Witting (Kartellrecht); Associates: Dr. Dominic Poster (Corporate/M&A), Anna Horschick, Mario Kreutzer (beide Vergaberecht), Tamy Tieze (Kartellrecht)
CMS Hasche Sigle (Berlin): Jesko Nobiling (Steuerrecht)
Inhouse Recht (Paris): Isabelle Ballestra (General Counsel), Emmanuel Boisselet (Legal Director), Francisca Alvarez (Legal Director)
Inhouse Recht (Düsseldorf): Julia Theel (General Counsel)
Berater Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL), Verkehrsverbund Rhein Ruhr (VRR), Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) und Provincie Overijssel
Heuking Kühn Lüer Wojtek (Düsseldorf): Dr. Ute Jasper, Dr. Christopher Marx; Associates: Rebecca Dreps, Moritz von Voss (alle Vergaberecht/Vertragsrecht) – aus dem Markt bekannt
Notar
Brücker & Klühs (Düsseldorf): Johanna Brücker – aus dem Markt bekannt
Hintergrund: Stammberaterin von Keolis ist seit vielen Jahren Bird & Bird. Die Kanzlei, die auch für Abellio insbesondere im SPNV-Vergaberecht tätig war, war soweit bekannt auch hier von Beginn an mit einem großen Team um die Counsel Knoefler und Partner Byok mandatiert. Bei den Nachverhandlungen zur Risikoverteilung in den Verkehrsverträgen mit den Verkehrsverbünden beriet sie sowohl die französische als auch die deutsche Keolis gegenüber den nordrhein-westfälischen Aufgabenträgern, die erneut auf ihre Stammberaterin Heuking setzten. Partnerin Jasper führte bereits die Verhandlungen gegenüber Abellio.
Neben Bird & Bird war früh bereits Noerr Consulting um Partner Kleinschmitt von Keolis beauftragt. Er entwickelte alternativ zum Insolvenzantrag die Struktur einer Übernahme durch die Noerr-eigene Team Treuhand. Als die Entscheidung der SNCF zum Rückzug aus dem deutschen Markt feststand, kam nach JUVE-Informationen über einen erneuten Pitch in Frankreich das erweiterte Noerr-Team um Partner Hoffmann dazu. Es beriet die deutsche Keolis-Tochter beim Verkauf gegenüber der französischen Keolis und dann auch steuerrechtlich zum Kauf durch das Team Treuhand.
Neues Terrain für Noerr
Für die Noerr-Tochter Team Treuhand und somit auch für die Partnerschaftsgesellschaft Noerr ist die Übernahme der Keolis-Tochter ein weiterer Schritt, um die treuhänderische Sanierung als offizielles Standbein der Insolvenz- und Restrukturierungsberatung zu etablieren. Bereits bei der Condor-Sanierung kam Team Treuhand zum Einsatz. Anders als Insolvenz- und Restrukturierungskanzleien wie Wellensiek, Brinkmann & Partner oder Schneider Geiwitz oder eine Großkanzlei wie Dentons setzt Noerr das Angebot allerdings bisher eher zurückhaltend ein.
Das hat damit zu tun, dass sich aus treuhänderischer Sanierungstätigkeit neben einer lukrativen Vergütung auch Risiken ergeben können, die klassische Partnerschaften wie Noerr normalerweise eher ungern eingehen. Da sich die finanziellen Risiken immer besser versichern lassen, überwiegen heutzutage die geschäftlichen Interessen aber häufig gegenüber der Sorge, den Markenkern einer Kanzlei zu verwässern.