Auf einmal ging alles ganz schnell: Innerhalb eines Jahres brachte die Bundeswettbewerbsbehörde Anträge auf Geldbußen gegen die großen österreichischen Baukonzerne Strabag, Porr, Habau und Swietelsky auf den Weg. Um einen Mangel an Mandaten müssen sich die Kartellrechtler aber nicht sorgen, denn erste Schadenersatzklagen stehen ins Haus. Ein erfahrener Partner verglich das Rechtsgebiet mal mit einem Kraken. Dieser hat inzwischen weitere Arme entwickelt oder ist gerade dabei, etwa mit der Investitionskontrolle oder Fragen zur Zusammenarbeit zwischen Unternehmen.
Zu den neuen Regelungen mit kartellrechtlichem Einschlag gehört das deutsche Lieferkettengesetz, das hiesige Unternehmen ab Jänner 2023 trifft, sowie der frühe Entwurf der EU-Lieferkettenrichtlinie. Auch Kooperationen zwischen Unternehmen beim Ausbau erneuerbarer Energien werfen wettbewerbsrechtliche Fragen auf. Die Kartell- und Wettbewerbsrechtsnovelle von 2021 brachte zudem Nachhaltigkeitsausnahmen, die BWB legte inzwischen Leitlinien dazu vor.
All diese Entwicklungen kommen zu den bestehenden, ebenfalls wachsenden Beratungsfeldern hinzu. In puncto Kartellverfahren belegen dies die Hausdurchsuchungen in der Abfall- und der Pelletsbranche. Bemerkenswert ist auch, dass die BWB beim Kartellgericht beantragte, den rechtskräftigen Beschluss über die Strabag-Geldbuße über knapp 45,4 Millionen Euro zu überprüfen – ein völliges Novum. Zu den kartellrechtlichen Beratern zählte im ersten Vergleich unter anderem
Nachdem im Baukartell auch Porr (mit
Geklärt hat sich in den meisten Kanzleien inzwischen, dass die Kartellrechtsteams für Investitionskontrollen (FDI) zuständig sind. Das ergibt sich aus dem Prozedere einer Transaktion, in der beide Stränge parallel laufen, wenn auch mit verschieden langen Zeitfenstern. In etlichen Praxisgruppen machten FDI-Verfahren die Lücke wett, die sich in der Fusionskontrolle auftat. Denn zusätzliche Schwellenwerte ab Jänner 2022 drückten die Zusammenschlussanmeldungen deutlich: Die BWB zählte bis Mitte Oktober 251 Anmeldungen, im Gesamtjahr 2021 dagegen 653.
Für Beratungsbedarf sorgt außerdem die Neufassung der EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vereinbarungen (Vertikal-GVO), die im Sommer in Kraft trat. Ins Zentrum der kartellrechtlichen Arbeit rücken die Vertriebsthemen bei der Salzburger Kanzlei
Völlig neu als Berater etabliert hat sich in Wien
Deutlich an Bedeutung gewonnen hat für manche Kartellrechtspraxen zuletzt der Standort Brüssel.
Unklar blieb bis Redaktionsschluss, wie die Bundesregierung die Nachfolge an der Spitze der BWB regelt. Dem von der ÖVP vorgeschlagenen Kandidaten, Bundesverwaltungsgerichts-Vizepräsident Michael Sachs, verweigern sich die Grünen weiterhin, auch wenn ein Gutachten des Kölner Kartellrechtsspezialisten Prof. Dr. Torsten Körber nun dessen Eignung bestätigt hat. Vorübergehend – seit beinahe einem Jahr – leitet die stellvertretende Generaldirektorin Natalie Harsdorf-Borsch die Behörde. Fast einhellig sind sich Kartellrechtler und -rechtlerinnen einig, dass sie eine hervorragende Wahl wäre. „Sie hat das Kartellrecht von der Pike auf gelernt, und sie kennt die Akteure und die BWB bestens“, sagte ein angesehener Partner: „Das ist wichtig, weil wir für eine gute Beratung Berechenbarkeit brauchen.“ Dass die Stelle weiter unbesetzt ist, wird für viele der Bedeutung der Behörde nicht gerecht. Auf ein positives Echo stieß indes der personelle Ausbau beim Bundeskartellanwalt, wo nun zusätzlich eine zweite Stellvertreterin und eine juristische Mitarbeiterin beschäftigt sind.