Der mutmaßliche Betrug vereinzelter Schrottlieferanten hält eine ganze Taskforce bei Aurubis auf Trab. Die Sonderinventur der Metallbestände habe einen Fehlbestand im Wert von 185 Millionen Euro ergeben, der das bis Ende September laufende Geschäftsjahr 2022/23 belasten werde, teilte das MDax-Unternehmen mit. Versicherungsgelder und ein möglicher Einzug von Tätergeldern dürften die Summe noch um rund 30 Millionen Euro verringern.
Seit Juni laufen Ermittlungen
Ende August hatten die Hamburger erhebliche Abweichungen sowohl beim angedachten Metallbestand festgestellt, als auch bei Sonderproben bestimmter Lieferungen von Einsatzmaterialien im Recyclingbereich. Dies dürfte die Folge weiterer krimineller Handlungen sein, die über die im Juni 2023 bekannt gegebenen Fälle hinausgehen, hieß es. Damals war bekannt geworden, dass eine Diebesbande bei dem Unternehmen über Jahre edelmetallhaltige Zwischenprodukte gestohlen und damit Millionenerlöse erzielt haben soll. Die Hamburger Staatsanwaltschaft ließ seinerzeit mehr als 30 Objekte in Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Hessen durchsuchen. Sechs Männer seien verhaftet worden, teilte die Staatsanwaltschaft damals mit.
Im Spätsommer wurden bei Aurubis zudem Differenzen zwischen Lieferungen und Sollbeständen festgestellt. Mittlerweile sei es „gesicherte Erkenntnis, dass Lieferungen und Proben für Einsatzmaterialien im Recyclingbereich mit hohen Gehalten wertvoller Metalle zum Schaden von Aurubis manipuliert wurden“, teilte das Unternehmen mit. Daher seien überhöhte Rechnungen bezahlt worden, trotz branchenüblichen Sicherheitsstandards. Welche Lieferanten betroffen seien, könnte aber noch nicht gesagt werden, das Landeskriminalamt ermittele dazu.
Ausgeschlossen werden könne indes, dass Aurubis-Kunden und Lieferungen an diese von dem Betrugsfall betroffen seien, hieß es weiter. Um zu verhindern, dass sich der Vorfall wiederholt, will Konzernchef Roland Harings nun „Prozessverbesserungen und weitere Sicherheitsmaßnahmen“ umsetzen.
Auswirkungen auf den Gesellschafterkreis
Aurubis ist auf das Recycling von Kupfer, Edelmetallen und anderen Nichteisenmetallen spezialisiert. Dabei fallen beispielsweise auch Gold und Silber oder Platin und Palladium an. Das expandierende Unternehmen, das derzeit ein Metall-Recyclingwerk in der US-Stadt Richmond errichtet, korrigierte seine Gewinnprognose für 2023.
Vor dem Hintergrund der neuen Geschäftsprognose von Aurubis legte auch die Salzgitter AG einen neuen Ausblick vor. Der Stahlkocher, der im SDax notiert, hält rund 30 Prozent der Anteile an Aurubis und hatte wegen der Unsicherheiten ebenfalls das Jahresgewinnziel ausgesetzt.
Berater Aurubis Vorstand
Inhouse Recht (Hamburg): Dr. Carsten Frenzel (General Counsel) – aus dem Markt bekannt
Freshfields Bruckhaus Deringer (Hamburg): Prof. Dr. Christoph Seibt (Federführung; Corporate), Dr. Moritz Pellmann (Investigations; Frankfurt), Prof. Dr. Klaus-Stefan Hohenstatt, Dr. Boris Dzida (beide Arbeitsrecht); Associate: Dr. Marlen Vesper-Gräske (Compliance/Corporate) – aus dem Markt bekannt
Berater Aurubis Aufsichtsrat
Hengeler Mueller (Frankfurt): Dr. Daniel Weiß, Dr. Sven Schneider (beide Federführung; beide Compliance), Dr. Georg Seyfarth (Corporate), Dr. Vera Jungkind (Datenschutz), Hendrik Bockenheimer (Arbeitsrecht), Dr. Malte Wundenberg; Associates: Dr. Daniel Gajek, Tim Adelberger, Markus Fyrnys, Natascha Dujic, Daniel Adolph, Lara Härtig (alle Compliance) – aus dem Markt bekannt
Hintergrund: Freshfields-Partner Seibt ist seit rund 25 Jahren Relationship-Partner für Aurubis und daher auch mit den Vorgängen zum Diebstahlsachverhalt sowie dem möglichen Betrug durch Lieferanten befasst. Nach JUVE-Informationen steht er dem Vorstand bei der internen Untersuchung mit einem fachlich breit aufgestellten Team zur Seite, zu dem auch Compliance- und Arbeitsrechtsexperten zählen.
Die Magic-Circle-Kanzlei ist dem Vernehmen nach auch in die Fortentwicklung des Sicherheitskonzepts eingebunden. Sie begleitet den Kupferhändler langjährig im Gesellschaftsrecht und bei M&A-Deals – etwa dem Verkauf einer großen Sparte an die Wieland Werke 2018, zur Übernahme der Metallo-Gruppe 2020 sowie beim Rückkauf eigener Aktien.
Forensische Untersuchung mit Hengeler
Das Hengeler-Team um die Partner Weiß und Schneider, das hier den Aufsichtsrat und dessen Vorsitzenden Prof. Dr. Fritz Vahrenholt unterstützt, kam laut Marktangaben auf Empfehlung von Freshfields ins Mandat. Hengeler hatte im vergangenen Jahr beispielsweise auch dem Heidelberger Zahlungsabwickler Unzer geholfen, seine Compliance-Prozesse und -Systeme zu überarbeiten und ist bei Aurubis mit einem multidisziplinären Team auch für die interne Untersuchung der Vorgänge zuständig. Zu dem Team gehört neben zahlreichen Compliance-Experten etwa auch die Wirtschaftsmathematikerin Alina Epe. Die Spezialistin für Datenanalysen und Discovery-Prozesse war erst kürzlich aus dem Internal Investigations-Team von EY zu der deutschen Großkanzlei gewechselt.
Zwischen Hengeler und Aurubis bestehen im Finanzierungsbereich bereits länger Mandatskontakte. Partnerin Dr. Daniela Böning hatte schon 2012 eine Refinanzierungsvereinbarung des Kupferkonzerns geprüft. Vergangenes Jahr hatte sie den Multimetallanbieter unterstützt, als er einen neuen syndizierten Kreditvertrag über 350 Millionen Euro mit einem Bankenkonsortium aushandelte.
Aurubis setzt aber nicht nur auf Großkanzleien: Als das MDax-Unternehmen 2020 ein Joint-Venture mit TSR Recycling aus der Remondis-Gruppe einging, hatte es laut Marktangaben AHB Rechtsanwälte mandatiert, während TSR auf die Frankfurter Kanzlei Greenfort setzte.
Die Konzernrechtsabteilung von Aurubis wird schon langjährig von General Counsel Frenzel geleitet, der auch regelmäßig die Arbeit des Aufsichtsrates unterstützt.
Hinsichtlich Aurubis’ Lagerbestand wurde die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young mit der Aufklärung der Diebstahlsachverhalte und des möglichen Betrugs durch Lieferanten beauftragt. EY ist mit einem Team um Tim Ahrens zudem mit der Fortentwicklung des Sicherheitskonzepts beauftragt worden. Ahrens leitet den Bereich Investigation in Deutschland.*
Salzgitter wiederum wird in finanzierungsrechtlicher Hinsicht von Linklaters beraten. Mithilfe der Magic-Circle-Kanzlei verhandelte das Unternehmen jüngst eine Kreditlinie über 1,03 Milliarden Euro. Als Salzgitter im Sommer ihre US-Tochter Berg Pipe verkaufte, hatte sie dagegen ein Team von Hengeler Mueller hinzugezogen. Beim Verkauf der Salzgitter Elemente kam zuvor die Frankfurter Einheit Wendelstein zum Zug. (mit Material von dpa)
*Anmerkung der Redaktion: Wir haben diesen Absatz geändert.
EY war nicht mit der Sonderinventur betraut.