Im Namen von mehr als 800 Kanzleien haben die US-Sozietäten Munger Tolles & Olson und Eimer Stahl Amicus-Schriftsätze in den Verfahren von Jenner & Block und WilmerHale gegen das US-Justizministerium eingereicht. Wie im vorigen Amicus-Schriftsatz im Perkins Coie-Verfahren wird im Kern betont, dass es für das Rechtssystem und die Rechtsstaatlichkeit in den USA von entscheidender Bedeutung ist, dass Anwälte Mandanten vertreten können, ohne dafür staatliche Repressionen befürchten zu müssen.
„Missbrauch der Exekutivgewalt“
Unter anderem heißt es: „In den letzten Wochen hat der Präsident sechs Executive Orders erlassen, mit denen Strafsanktionen gegen führende Anwaltskanzleien verhängt werden. Dies ist eine unverhohlene Vergeltungsmaßnahme für Erklärungen, die die Kanzlei oder ihre ehemaligen Partner abgegeben haben, und es könnten noch weitere folgen. Diese Anordnungen stellen eine ernsthafte Bedrohung für unser System der verfassungsmäßigen Regierungsführung und die Rechtsstaatlichkeit selbst dar. Die Justiz sollte entschlossen handeln, um sicherzustellen, dass dieser Missbrauch der Exekutivgewalt ein Ende hat – und zwar jetzt.“
Freshfields und Hausfeld gehören zu den Unterzeichnern, wie schon bei Perkins Coie. Zwar müssen Amicus-Schriftsätze von den Gerichten nicht berücksichtigt werden, aber ihre symbolische Bedeutung kann kaum überschätzt werden – zumal im derzeitigen Klima der Angst, das stolze Kanzleien in demütigende „Deals“ mit der US-Regierung treibt, die noch vor wenigen Monaten völlig unvorstellbar waren.
Zwar hat Freshfields in den USA nicht so viel zu verlieren wie Latham & Watkins, Kirkland & Ellis oder Paul Weiss. Diese zählen in ihrem Heimatmarkt zur absoluten Marktspitze. Freshfields dagegen ist in den vergangenen Jahren eine beachtliche Aufbauleistung jenseits des Atlantiks gelungen, allerdings zählt sie nicht zur US-Elite und hat ihr Zentrum nach wie vor in Europa.
Freshfields im Fadenkreuz der US-Ermittler
Außergewöhnlich und mutig ist der Schritt, sich mit den von Trump bedrängten US-Wettbewerberinnen zu solidarisieren, dennoch. Denn auch Freshfields selbst steht im Fadenkreuz von Ermittlungen der US-Behörden und hätte wie die schweigende Mehrheit der US-Top-Kanzleien gute Gründe zu versuchen, bei der US-Regierung nicht weiter anzuecken.
Die US-Gleichstellungsbehörde EEOC hatte im März 20 Wirtschaftskanzleien aufgefordert, umfangreiche Daten zu ihren Diversity-Programmen (DEI) offenzulegen. Die Untersuchung wird begründet mit dem Verdacht auf diskriminierende Praktiken durch gezielte Förderung bestimmter Gruppen.
Kampf gegen Diskriminierung wird „illegale Bevorzugung“
Damit stellt die Trump-Regierung, der die EEOC untersteht, die Entwicklung der vergangenen Jahre auf den Kopf: Aus dem Bemühen, strukturelle Diskriminierung durch Diversity-Programme zu lindern, wird der Vorwurf, dass diese Programme selbst diskriminierend sind. In einem Trump-Dekret vom Januar 2025 werden DEI-Programme als „illegale Bevorzugung“ eingestuft und deren Abschaffung in Regierung und Privatwirtschaft angeordnet. Der beispiellose Feldzug trifft Behörden, Universitäten, Unternehmen – und eben auch Kanzleien.
Latham, A&O Shearman, Kirkland und Simpson Thacher erreichten Ende vergangener Woche für sich die Einstellung des Verfahrens, indem sie zusagten, jeweils kostenlose Rechtsdienstleistungen im Gegenwert von 125 Millionen Euro für regierungsgenehme Zwecke zu erbringen.
Die Frist der Diversity-Untersuchung läuft ab
Für Freshfields und andere Kanzleien läuft hingegen heute die von der EEOC gesetzte Frist ab. Die Behörde verlangt unter anderem Auskünfte zu Bewerberdaten seit 2019 (Geschlecht, Ethnie, juristische Fakultät, Notendurchschnitt, Kontaktdaten), demografische Angaben und Karriereverläufe von allen Anwältinnen und Anwälten, die in den vergangenen Jahren in die Partnerschaft aufgenommen wurden, Details zu Förderinitiativen und internen DEI-Richtlinien sowie Angaben dazu, inwieweit Mandanten Diversitätskriterien bei der Auswahl externer Berater verlangen.
Viele Kanzleien haben inzwischen, das Wort „Diversity“ von ihren Websites und insbesondere aus Zitaten von Führungskräften gestrichen – selbst wenn sie gar nicht Gegenstand der EEOC-Untersuchung sind, wie etwa Bryan Cave Leighton Paisner.
„Culture“ statt „Diversity“
Auch Freshfields, die zu den Kanzleien im Fokus der Gleichstellungsbehörde zählt, hat ihre Website geändert. Die Diversity-Ziele waren zuvor besonders konkret kommuniziert worden, und die Kanzlei ist stolz ist auf Errungenschaften wie die Erhöhung des Frauenanteils in der Partnerschaft. Deshalb ist die Diskrepanz zwischen dem Vorher und dem Nachher im Internetauftritt bei Freshfields besonders auffällig.
Bei Freshfields wurde nun aus „Diversity and Inclusion“ die Seite „Culture and Inclusion“. Noch immer heißt es dort: „Unsere Bemühungen um Vielfalt und Eingliederung stehen im Einklang mit unserem Ziel und unseren Werten, da wir uns dafür einsetzen, dass alle unsere Kollegen dazugehören, sich engagieren und hervorragende Leistungen erbringen können.“
Freshfields versteckt Diversity-Ziele
Verschwunden ist dieser Absatz: „Unsere Fünfjahresziele und Verpflichtungen in Bezug auf die Vielfalt sind ehrgeizig. Sie bauen auf den Fortschritten auf, die wir in den letzten Jahren gemacht haben, und unterstützen unseren Wunsch, das Tempo des Wandels zu beschleunigen, da wir erkennen, dass wir noch viel weiter gehen müssen.“
Entfernt wurde zudem die Unterseite „Our five year diversity plan“. Dort wurden bis vor wenigen Tagen unter anderem folgende globale Ziele für 2021 bis 2026 aufgeführt:
- Neue Partner werden zu mindestens 40 Prozent aus Frauen und zu 40 Prozent aus Männern bestehen (20 Prozent Männer, Frauen oder nicht binäre Personen)
- Alle wichtigen globalen Führungspositionen werden bis 2023 ethnisch vielfältig besetzt sein und zu mindestens 40 Prozent aus Frauen und zu 40 Prozent aus Männern bestehen (20 Prozent Männer, Frauen oder nicht binäre Personen)
- Verdoppelung der Anzahl Schwarzer Mitarbeiter im Unternehmen bis 2026
- Ein globales Partnerschaftsziel für LGBTQ+ von mindestens 5 Prozent bis 2026
- Einführung von Future Leaders – ein neues globales Talentprogramm für schwarze und ethnische Minderheiten
- Verpflichtung der Führungskräfte, jedes Jahr messbare individuelle Verpflichtungen zu Vielfalt und Inklusion einzugehen
- Stärkere Anerkennung von Beiträgen zu Vielfalt und Inklusion in Beurteilungen auf allen Ebenen der Organisation
„Mission accomplished“
Die entsprechenden Angaben finden sich aber etwas versteckt auf der Seite weiterhin im „Responsible business report“, gelten also offenbar weiterhin. Auf die Frage, ob die Änderungen etwas mit der US-Untersuchung zu tun haben, teilt die Kanzlei lediglich mit: „Der Relaunch unserer Website ist Bestandteil unseres neuen Markenauftritts, war seit Längerem geplant und über ein Jahr in Vorbereitung. Hierbei stehen ein besseres Nutzererlebnis und neue Funktionen im Vordergrund, aber natürlich auch das neue Design, die neuen Bilder und die Tonalität unserer neuen Marke.“
Die ausweichende Antwort dürfte Teil eines kommunikativen Drahtseilakts sein: Die Kanzlei will nicht von ihren Werten abrücken, muss aber einen Weg finden, sich nicht offen in Widerspruch zu US-Regelungen zu setzen. In den USA selbst hat Freshfields, wie Law.com unter Berufung auf Insider berichtet, ihre DEI-Ziele kurzerhand für erreicht erklärt – und damit zurückgezogen.