Zuvor hatte die Unternehmensgruppe mit Sitz im westfälischen Halle schon einen massiven Restrukturierungskurs eingeschlagen und dazu einen Sanierungsvertrag mit dem Betriebsrat ausgehandelt. Demnach sollen rund 900 der mehr als 6.500 Stellen abgebaut und 230 Verkaufsflächen geschlosssen werden. Das nun begonnene Eigenverwaltungsverfahren betrifft nur die Muttergesellschaft, nicht die Tochtergesellschaften, zu denen auch Marken wie Samoon und Hallhuber gehören. Für das laufende Geschäft sei die Finanzierung bis 2020 gesichert, heißt es. Ein M&A-Prozess soll eingeleitet werden.
Ein Gutachten nach IDW S6-Standard von Ebner Stolz im vergangenen Oktober hatte eine positive Sanierungsprognose für die Unternehmensgruppe ergeben. Parallel hatte die Gerry-Weber-Geschäftsführung den Betriebswirt Florian Frank aus der Restrukturierungsberatung Wieselhuber & Partner hinzugezogen. Frank kam als Chief Restructuring Officer (CRO) in den Vorstand. Bei Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung kann das Management weiter im Amt bleiben.
Erst die Arbeitnehmer, dann die Banken
Die Firmengruppe Gerry Weber betreibt etwa 1.270 eigene Läden und Verkaufsflächen. Damit zählt sie zu den größten Modekonzernen der Republik. Zum Jahreswechsel wurde noch heftig über das Weihnachtsgeld und die geplanten Stellenkürzungen gestritten. Zunächst wurde ein Sanierungstarifvertrag bekannt gegeben, der zwischen der IG Metall und dem Vorstand der Gerry Weber International vereinbart wurde und der eine schrittweise Absenkung der Personalkosten um 10 Prozent vorsieht.
Die Gesellschafterfamilien des Modeunternehmens hatten dem Restrukturierungskonzept, das auf drei Jahre angelegt ist, zugestimmt. Doch als weiteren Schritt galt es, mit den Banken einen entsprechenden Sanierungsplan zu erarbeiten. Diese Verhandlungen gestalteten sich dem Vernehmen nach als äußerst komplex, da sich unter den Schuldscheingläubigern auch mehr als 200 Sparkassen befanden. Hier konnte im vorgesehenen Zeitraum keine Einigung erzielt werden, sodass am vergangenen Freitag schließlich der Weg zum Gericht eingeschlagen wurde.
Gerry Weber hat seine Umsatzerwartungen für das Geschäftsjahr 2017/18 schon angepasst: Mitte Januar wurde noch mit einem Fehlbetrag von rund 192 Millionen Euro kalkuiert. Dabei wurden Rückstellungen für Restrukturierungsmaßnahmen sowie Beratungskosten in Höhe von 63,3 Millionen Euro berücksichtigt.
Berater Gerry-Weber-Vorstand
Gerloff Liebler (München): Dr. Christian Gerloff (Generalbevollmächtigter; Insolvenzrecht)
Allen & Overy (Frankfurt): Dr. Sven Prüfer (Corporate), Dr. Franz-Bernhard Herding (Bank- und Finanzrecht/Restrukturierung), Thomas Ubber, Peter Wehner (beide Arbeitsrecht) − aus dem Markt bekannt
Berater Aufsichtsrat
Hengeler Mueller (Düsseldorf): Dr. Matthias Blaum – aus dem Markt bekannt
Berater Betriebsrat
Vieker & Chatziparaskewas (Minden): Stefan Chatziparaskewas − aus dem Markt bekannt
Berater Betriebsmittelfinanzierung:
Freshfields Bruckhaus Deringer (Frankfurt): Jochen Wilkens (Gesellschaftsrecht), Dr. Frank Laudenklos (Bankrecht); Associates: Nina Heym (München), Vanessa Lawrenz, Jennifer Maiworm, Dennis Chinnow, Alexander Schley (alle Bank- und Finanzrecht)
Berater Schuldscheingläubiger
Gleiss Lutz: Dr. Kai Birke (Frankfurt; Finanzierung/Restrukturierung), Dr. Matthias Tresselt (Stuttgart; Gesellschaftsrecht/Restrukturierung; beide Federführung); Dr. Alexander Werder (Stuttgart; Steuerrecht); Dr. Alexander Nagel (Düsseldorf; Counsel, Restrukturierung). Associates: Alexander Gebhardt (Frankfurt; Finanzierung/Restrukturierung), Dr. Hanna Datzer (Stuttgart; Steuerrecht)
Sachwaltung
Pluta (Lübbecke): Stefan Meyer (Sachwalter)
Hintergrund: Für die Sanierung in Eigenregie hat der Vorstand nun einen sehr erfahrenen Verwalter, Berater und Restrukturierungsmanager an der Seite. Gerloff ist wie kein anderer Anwalt für seine tiefe Marktkenntnis in der kriselnden Modebranche bekannt. Er hat bereits 2013 das Luxusmodehaus Rena Lange unter den Fittichen gehabt, 2016 überwachte er als Sachwalter bei Laurèl ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Im gleichen Jahr war der Insolvenzrechtler auch bei der Modehandelskette Rudolf Wöhrl in den Vorstand berufen worden.
2018 wurde Gerloff für die Insolvenz der Weilheimer Modehandelskette K&L als CRO in deren Vorstand berufen. Das Branchen-Know-how konnte er auch auf Mitstreiter in seiner Kanzlei übertragen: Christian Stoffler wurde erst vor wenigen Tagen zum Sanierungsgeschäftsführer der deutlich kleineren Escape Clothing in Brannenburg ernannt. Für deren Insolvenzverfahren bestellte das Rosenheimer Insolvenzgericht Axel Bierbach von Müller-Heydenreich Beutler & Kollegen zum Sachwalter.
Zwischen Gleiss Lutz als Beraterin der Schuldscheingläubiger und Christian Gerloff gibt es einige Berührungspunkte. In der öffentlichkeitswirksam umkämpften Insolvenz der SKW-Metallurgie-Holding fungierte Gerloff als Sachwalter, während Gleiss das Unternehmen insolvenzrechtlich beriet. Partner Tresselt war hier Teil des Gleiss-Beraterteams.
Der bei Gerry Weber als Sachwalter bestellte Pluta-Partner Meyer wimdete sich in der Vergangenheit schon den Insolvenzplänen von Liberty Damenmoden und des Textilhauses Kolck. Er hatte sich 2016 mit seinem Team Pluta angeschlossen. Beim Bielefelder Insolvenzgericht ist Meyer gut gelitten: Erst vor wenigen Wochen übertrug ihm das Gericht die Sachwalterrolle für den großen Personalvermittler Teilzeit-Thiele.
Für Personalfragen bei Gerry Weber ist seit 2009 Dirk Wefing als Director Human Resources zuständig. Er wurde nach Marktinformationen unterstützt von Allen & Overy-Partner Ubber, dessen Team mit dem Betriebsrat einen Sozialplan erarbeitet hat. Mit dabei war auch Counsel Wehner, der im Herbst von Hengeler Mueller zu Allen & Overy gewechselt war. Den insolvenzrechtlichen Part übernehmen mit Prüfer und Herding zwei erfahrene Restrukturierer: Prüfer war unter anderem bei der Baumarktkette Praktiker/Max Bahr aktiv, Prüfer und Herding zusammen unterstützten Altmeister Peter Hoegen bei der Sanierung von Kathrein.
Auf Seiten der IG Metall war Manfred Menningen von der Vorstandsverwaltung in Frankfurt eingebunden, der regelmäßig Tarifverhandlungen in der Textilindustrie verhandelt, sowie Marc Schneider als Gewerkschaftsekretär der IG Metall Bielefeld. Zudem wurde die Arbeitnehmerseite soweit bekannt betriebswirtschaftlich unterstützt von Dr. Andreas Veres aus der Essener Unternehmensberatung PCG – Project Consult. (Sonja Behrens/Markus Lembeck, mit Material von dpa)