Interview zu Legal Ops

„Kanzleien und Rechtsabteilungen teilen ein Problem: Sie sind in manchem rückständig“

Binnen weniger Jahre ist das CLOC (Corporate Legal Operations Consortium) von einer Nischenveranstaltung mit einer Handvoll Juristen zu einer Organisation mit mehreren Tausend Mitgliedern geworden. Nun will sich der Verband, dem bisher nur Inhouse-Juristen angehören, auch für Kanzleien öffnen – ein nicht unumstrittener Schritt. Darüber sprach JUVE mit Maurus Schreyvogel, Chief Legal Innovation Officer bei Novartis und seit einem halben Jahr Repräsentant des CLOC für Kontinentaleuropa. Schreyvogel ist einer der Referenten bei der Jahreskonferenz Legal Operations, die morgen in Frankfurt beginnt.

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Schreyvogel_Maurus
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JUVE: Kanzleien wollen möglichst viel Geld für ihre Rechtsberatung haben, Unternehmen wollen möglichst wenig zahlen. Welchen Sinn hat es, wenn Vertreter mit derart gegensätzlichen Interessen im selben Verband sitzen?
Maurus Schreyvogel:
Ganz so hart würde ich das nicht ausdrücken. Ich freue mich, dass sich das CLOC für Kanzleien öffnet, denn auch wenn die Perspektiven unterschiedlich sind: Für viele Probleme können Juristen aus Unternehmen und Kanzleien gemeinsam bessere Lösungen finden als jeder für sich. Denn eines verbindet uns: Wir agieren in verschiedenen Fachgebieten ein bisschen rückständig und müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit erhöhen.

Wie meinen Sie das?
Juristen, egal ob in Unternehmen oder Kanzleien, machen sehr viel handwerklich. Sie tun die Dinge lieber selber, statt sich der Spezialisten zu bedienen. Damit erbringen sie ihre Dienstleistung auf eine Weise, die andere Unternehmensabteilungen und Branchen längst hinter sich gelassen haben. Während in modernen Großunternehmen etwa sämtliche Abteilungen von der Einkaufsabteilung unterstützt werden, ist die Rechtsabteilung oft so eine Art ‚mystic bubble‘: Sobald etwas dorthin geht, denken viele gleich, dass es wichtig und kompliziert ist. Dabei haben wir auch viele Standardaufgaben und -prozesse, genauso wie Marketing, Einkauf und zig andere Abteilungen. Wir müssen uns als Juristen also fragen: Sind wir als Marktteilnehmer wettbewerbsfähig?

Müssen Sie das sein? Sie sind doch nicht ersetzbar.
Naja, schauen Sie sich nur mal Ebay an. Die machen, gemessen in Fallzahlen, heute schon mehr Streitschlichtung als sämtliche US-Gerichte über alle Instanzen hinweg zusammen. Das sind zwar in der Masse Bagatellen, aber es wird alles online über ein vertraglich organisiertes Streitschlichtungsverfahren abgewickelt. Weitgehend ohne Juristen. Prinzipiell könnten sich zum Beispiel auch Pharmafirmen mit Markenrechten auf ein solches Verfahren einigen. Juristen aus Rechtsabteilungen und Kanzleien sollten gemeinsam die Industrialisierung ihres Geschäfts vorantreiben, und dafür ist das CLOC ein gutes Forum.

Aber wollen Inhouse-Counsel immer Kanzleianwälte dabeihaben, wenn sie sich austauschen?
Nein, und so wird es auch nicht kommen. CLOC-Präsidentin Mary O’Carroll hat zwar angekündigt, dass in Kürze ein neuer Mitgliedsstatus für Kanzleianwälte eingeführt wird. So können die sich mit Legal-Ops-Spezialisten aus Unternehmen vernetzen und sich in die Entwicklung von Legal Ops einbringen. Es wird aber weiterhin getrennte Foren geben, denn manchmal kann eine offene Diskussion nur im geschlossenen Raum stattfinden.

Wann zum Beispiel?
Wenn es etwa um Best Practices geht: Was tun wir als Rechtsabteilung im Markenrecht selber, was geben wir raus an Kanzleien? Da hilft es mir bei der Meinungsbildung, mich mit Kollegen aus anderen Unternehmen auszutauschen, die berichten: Wir machen das soundso, weil es günstiger ist oder aus politischen Erwägungen, was auch immer. Was mir nicht hilft: Wenn Vertreter von Kanzleien oder Legal-Service-Providern mit am Tisch sitzen, denen es nur darum geht, Visitenkarten an uns Inhouse-Juristen zu verteilen. Das nervt eher. In so einer Runde fällt es auch schwerer, offen über Zahlen zu sprechen. Umgekehrt haben auch Kanzleijuristen Themen, die sie lieber besprechen, wenn wir Inhouse-Leute nicht dabei sind.

Was könnte das sein?
Auch hier die Best Practices: Was lässt sich automatisieren, wer hat welche Erfahrungen mit welcher Software? Letztlich: Welche Effizienzsteigerungen ermöglicht Technologie wirklich, die letztlich an Kunden weitergegeben werden – oder eben auch nicht?

Getrennte Sektionen in der CLOC, die sich zu manchen Themen vermischen und bei anderen unter sich bleiben: Ist das der Kompromiss, der Befürworter und Gegner einer Öffnung des Verbands für Kanzleien versöhnt?
So könnte man es sagen. Wie gesagt, unterm Strich ist es ein logischer Schritt: Anwälte aus Unternehmen und Kanzleien mögen unterschiedliche Perspektiven haben, aber sie sind letztlich Teil derselben Industrie – sie erbringen Rechtsdienstleistungen. Die CLOC will eine Plattform für sämtliche Teilnehmer dieser Industrie sein, deshalb war ich immer ein Befürworter der Öffnung für Kanzleien.

Das Gespräch führte Marc Chmielewski.

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