Legal-Tech-Anwälte in Großkanzleien entwickeln Innovationsstrategien und setzen sie um, programmieren in Teams Anwendungen oder automatisieren Arbeitsvorgänge für die Kanzlei, ihre Arbeitgeber. Bislang eher selten kann diese Arbeit nach Stunden abgerechnet werden – denn sie ist Pionierarbeit. Den Kanzleien bereitet diese Entwicklung Schwierigkeiten. Denn die maßgeblichen Größen der Leistungsbewertung und damit auch entscheidende Karrierefaktoren der Nachwuchsanwälte sind seit jeher Billables Hours, Umsatz und Profitabilität.
„Für Kanzleien ist es eine Herausforderung, Legal-Tech-Arbeit in messbare Leistung zu übersetzen“, sagt Martin Gerner von Taylor Wessing, einer Kanzlei, die sich klar zu Investitionen in Legal Tech bekennt. Dazu gehört auch Freshfields Bruckhaus Deringer: „Die klassischen Karrierewege werden sich ändern, sie brechen auf“, sagt Dr. Mario Hüther, Personalpartner der Kanzlei, mit Blick auf die Aufgaben des Nachwuchses. „Wir brauchen einen neuen Ansatz, um Umsatz und Profitabilität zu messen.“ Freshfields beschäftigt sich seit einiger Zeit mit dem Thema, eine endgültige Entscheidung steht aber noch aus.
Legal Tech im Arbeitsvertrag
Auch andere Kanzleien erproben Modelle, um die notwendige Pionierarbeit ihres Partnernachwuchses auch im Partnertrack angemessen zu berücksichtigen. Beispiel: McDermott Will & Emery. „50 Prozent Legal Tech, 50 Prozent normale Mandatsarbeit – in meinem Arbeitsvertrag ist das ganz klar festgehalten“, sagt Dr. Philip Uecker, Associate im Düsseldorfer Büro der Kanzlei. Die Zeit, in der sich Uecker mit digitalisierten Arbeitsprozessen in der Kanzlei beschäftigt, zeichnet er genauso wie Billables auf. Abgerechnet wird die Legal-Tech-Zeit aber nicht wie im klassischen Billable-System mit dem Mandanten, sondern vielmehr mit McDermott selbst. „Man kann sich das so vorstellen: Die Kanzlei ist mein Mandant, für und mit dem ich meine Produkte und Ideen entwickle“, sagt Uecker.
Bei Hogan Lovells hat der Hamburger Associate Nico Kuhlmann Legal Tech in seinem Arbeitsvertrag klar geregelt. „70 Prozent meiner Zeit verbringe ich mit Mandatsarbeit, 30 Prozent mit Legal Tech“, erklärt Kuhlmann. Das Engagement für digitalen Fortschritt ist bei Hogan Lovells aber keine Billable-Einheit. „Während meiner 30 Prozent Legal-Tech-Zeit arbeite ich an Projekten, die keine Billables hervorbringen müssen. Die Anzahl meiner Billables sind im Zeitbudget-Modell entsprechend reduziert,“ sagt Kuhlmann.
Als reinen Legal-Tech-Anwalt sieht Kuhlmann sich aber nicht, im Gegenteil: „Mir ist es wichtig, dass ich als Anwalt wahrgenommen werde.“ Ganz raus aus der Mandatsarbeit – für ihn keine Option. Dass stark technikfokussiertes Wissen einen anwaltlichen Business Case trägt, daran glaubt Kuhlmann nicht, zumindest nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Damit ist er nicht alleine: „Klar ist, wer Karriere auf dem Anwaltstrack machen will, muss profitabel arbeiten, mit oder ohne Legal Tech“, sagt Hüther.