Patentrecht

Schützenhilfe aus Karlsruhe

Der gegenwärtige Umgang des Europäischen Patentamts (EPA) mit Einsprüchen gegen neu erteilte Patente erzeugt bei Patentinhabern und Anwälten schon länger für Kopfschütteln. Viele Patentexperten kritisieren, dass europäische Patente immer häufiger aus formalen Gründen nicht erteilt werden. Wie JUVE nun erfuhr, haben deshalb im Frühjahr deshalb Mundipharma, Barokes und ein namentlich nicht bekanntes Unternehmen Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht

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Parallele Beschwerden gegen die Entscheidungspraxis des EPA sind nach JUVE-Informationen auch in Großbritannien und den Niederlanden anhängig. Politisch brisant sind die Beschwerden, weil auch Spanien mit dem gleichen Argument vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen das geplante EU-Patent vorgeht.

Vor dem Bundesverfassungsgericht führen Mundipharma und Barokes als Hauptargumente strukturelle und organisatorische Defizite beim EPA an. Beiden Unternehmen hatte das EPA die Erteilung eines Patents zuvor verweigert. Mundipharma kritisiert vor allem das Fehlen eines effektiven Rechtsschutzes und die fehlende Unabhängigkeit der Beschwerdekammern vom Patentamt. Zudem würden Parteien bei Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren nicht gleich behandelt.

Vor allem die Trennung zwischen der Verwaltungsbehörde, die die Patente erteilt, und den Beschwerdekammern sieht das Pharmaunternehmen als nicht ausreichend an. Die vom Grundgesetz garantierte unabhängige Gerichtsbarkeit werde missachtet. Dies begründet Mundipharma etwa mit der Machtfülle des EPA-Präsidenten. Die Mitglieder der Beschwerdekammern seien von ihm abhängig, etwa durch seinen Einfluss bei ihrer Ernennung oder Beförderung.

Mit ähnlichen Argumenten zieht auch Barokes in Karlsruhe gegen das EPA ins Feld. Das australische Unternehmen sieht in seinem Verfahren die Grundsätze eines fairen Verfahrens, des effektiven Rechtsschutzes sowie des gesetzlichen Richters verletzt. Beide Beschwerdeführerinnen beklagen zudem, dass Entscheidungen des EPA, anders als es das Grundgesetz vorsieht, keiner unabhängigen Überprüfung unterliegen.

Das EPA ist nach dem völkerrechtlichen Vertrag zum Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) für die Erteilung des europäischen Patents zuständig. Dieses sogenannte Bündelpatent kann mit Wirkung für bis zu 38 europäische Staaten zentral durch die Behörde erteilt beziehungsweise durch Einspruch eines Angreifers auch zentral verhindert werden. Hierfür sind die Beschwerdekammern des Amtes zuständig. In seltenen Fällen steht den Patentinhabern noch der Weg vor die Große Beschwerdekammer offen. Erst nach Erteilung des Einspruchsverfahrens ist das Patent rechtskräftig und zerfällt wieder in die einzelnen nationalen Patente. Eine Überprüfung der EPA-Entscheidungen durch ein externes Gericht ist nicht vorgesehen.

„Das EPA hat damit ein Widerrufsmonopol“, benennt Dr. Andreas von Falck von Hogan Lovells das Problem. „Die Beschwerdekammern des EPA können mit einer einzigen Entscheidung ein Patent unwiderruflich für ungültig erklären.“ Ein Patentinhaber habe dann kaum noch Möglichkeiten, sich zu wehren. „Der Angreifer kann dagegen, für den Fall, dass das EPA ein Patent zu unrecht aufrecht hält, die Entscheidung immer noch auf dem Weg mehrerer nationaler Nichtigkeitsklagen revidieren lassen.“

Die geplante Einführung des EU-Patents durch 25 EU-Staaten im kommenden Jahr (mehr….) würde nach Meinung von Experten den Angreifer eines Patents zusätzlich stärken. Das neue EU-Patent soll vom EPA nach dem gleichen Verfahren wie das weiterhin gültige europäische Bündelpatent erteilt werden. Zusätzlich installieren die 25 EU-Staaten eine zentrale europäische Gerichtsbarkeit. Der sogenannten Unified Patent Court würde künftig in nur einem Verfahren zentral über die Nichtigkeit eines EU-Patents entscheiden.

Schützenhilfe durch die aktuellen Verfassungsklagen erhält indes Spanien als vehementer Gegner des neuen EU-Patents. Seine Klage vor dem EuGH gegen das EU-Patent (Rechtssache C-146/13) begründet das Königreich unter anderem mit der fehlenden gerichtlichen Kontrolle von Rechtsakten des EPA. Mehr Informationen auf www.juve.de.

Der EuGH und das Bundesverfassungsgericht müssen somit zum gleichen Sachverhalt Stellung nehmen. Allerdings hat das Karlsruher Gericht bislang noch keine der drei Beschwerden terminiert. Der EuGH will nach JUVE-Informationen die spanische Klage dagegen schon im kommenden Jahr verhandeln. Verfassungsklagen gegen die Einspruchspraxis des EPA sind nicht neu, bislang blieben sie aber ohne Erfolg.

Viele Patentexperten halten es derzeit für ausgeschlossen, dass die drei Unternehmen und Spanien mit ihrem Klagen Erfolg haben werden. Allein aus politischen Gründen müsse das EU-Patent Erfolg haben, sind sich die Experten einig. Sollte das Bundesverfassungsgericht Mundipharma und Barokes dennoch Recht geben, müsste Deutschland eine Revisionskonferenz zur Reform des EPÜ-Einspruchsverfahrens beantragen. Die revidierte Fassung des EPÜ müsste von den 38 EPÜ-Mitgliedsländer ratifiziert werden. Sollte der EuGH auf die spanischen Klage C-246/13 diese Änderung für die EUPatVO für erforderlich halten, würde sich dadurch die Einführung des EU-Patents um sieben bis zehn Jahre verzögern, schätzt Prof. Winfried Tilmann, Experte für das geplante EU-Patent.

Drei Verfassungsbeschwerden und ihre Anwälte

Nach JUVE-Informationen gibt es keinen Zusammenhang zwischen den drei Verfassungsbeschwerden und der spanischen Klage beim EuGH. Vielmehr hätten sich die Beschwerdeführerinnen unabhängig voneinander und aus Enttäuschung über nicht erteilte Patente für den Gang nach Karlsruhe entschieden, war von Verfahrensbeteiligten zu hören:

• Die jüngste Beschwerde (AR 2435/13) wurde am 5. April vom Mundipharma bzw. deren US-Mutter Purdue eingereicht – unterstützt vom Verfassungsrechtler Prof. Dr. Christian Kirchberg (Deubner & Kirchberg). Das Einspruchsverfahren hatten Patentanwälte von Maiwald & Partner betreut.
Barokes hatte mit Hilfe der Münchner Patentkanzlei Westendorp Sommer und Preu Bohlig & Partner vergeblich ein europäisches Patent auf eine innovative Weinverpackung angemeldet. Die Beschwerde der Australier vom 25. Februar (2 BvR 421/13) begleitet Prof. Dr. Rüdiger Zuck.
• Der Stuttgarter Verfassungsrechtler führt auch die dritte Beschwerde (2 BvR 2480/10), deren Beschwerdeführerin nicht namentlich bekannt ist.

 

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