Seit Monaten liefen Verhandlungen zur Stabilisierung des Konzerns, der einen hohen Schuldenberg hat. Thomas Cook hatte eigentlich Ende August eine grundsätzliche Einigung mit dem chinesischen Mischkonzern Fosun, den kreditgebenden Banken und den größten Gläubigern erzielt. Demnach sollte das Unternehmen 900 Millionen Pfund erhalten, umgerechnet gut eine Milliarde Euro. 750 Millionen sollten von Banken und Fosun kommen. Die Chinesen wollten über ihre in Hongkong gelistete Touristiktochter Fosun Travel (Foliday) investieren und im Gegenzug ihre Beteiligung von 18 Prozent ausbauen, und zwar auf drei Viertel des Reisegeschäfts und ein Viertel der Airline-Gruppe.
„Größte Rückführungsaktion“ in Friedenszeiten
Die Airline-Geschäfte, die rechtlich schon länger von dem ‚Tour Operator Business‘ getrennt sind, sollten nach Verhandlungskreisen auch operativ abgespalten werden, zusammen mit der deutschen Tochter Condor. Indem Fosun nur einen Minderheitsanteil dort erwerben würde, wären ihre europäischen Flugrechte gesichert gewesen und keine Pflicht für ein öffentliches Übernahmeangebot ausgelöst worden. Nach den gescheiterten Verhandlungen hieß es am Montag in einer Mitteilung, die auf der Webseite von Tencent Finance veröffentlicht wurde: „Fosun Travel ist enttäuscht, dass die Thomas-Cook-Gruppe nicht in der Lage war, eine praktikable Lösung für ihre vorgeschlagene Rekapitalisierung mit anderen Partnern, wichtigen Kreditgebern, führenden Investoren und zusätzlich beteiligten Parteien zu finden.“
150 Millionen Pfund hatten die Anleihegläubiger bereits zugesagt, doch auf der Gläubigerversammlung vergangene Woche hatten sich einige Investoren gegen den Deal gestemmt, über den ein Großteil der Bankkredite und Anleihen des Konzerns in Eigenkapital umgewandelt worden wären (Debt-for-Equity-Swap). Für die Sanierungspläne wären weitere Liquiditätszusagen über 200 Millionen Pfund notwendig gewesen, die nicht zusammenkamen.
Die britische Regierung hatte eine Finanzierungsbitte über 150 Millionen Pfund (knapp 170 Millionen Euro) abgelehnt. Doch nach dem Scheitern der Gespräche hat sie eine Rückholaktion eingeleitet, die sie nun auch noch einiges kosten dürfte: „Die größte Rückführungsaktion des Vereinigten Königreichs in Friedenszeiten ist angelaufen“, teilte ihr Verkehrsminister mit. Hundertausende Urlauber sitzen derzeit entweder im Ausland fest oder können ihre bereits gebuchten Reisen ad acta legen.
Verhandlungen mit der Bundesregierung
Bislang hat nur die britische Obergesellschaft Insolvenz beantragt, keine ihrer kontinentaleuropäischen Töchterfirmen. Condor kündigte an, ihren Betrieb aufrecht zu erhalten, dafür habe sie auch einen staatlich verbürgten Überbrückungskredit beantragt. Dieser werde derzeit von der Bundesregierung geprüft. Die deutschen Gesellschaften gelten als die Ertragsperlen des Konzerns.
Parallel zum eingeleiteten Konkursverfahren in Großbritannien wird nach JUVE-Informationen mit alternativen Investoren und über die Veräußerung profitabler Teile der Cook-Firmengruppe weiter verhandelt. Schon die vergangenen Monate waren geprägt von öffentlichen Stellungnahmen auch einzelner Investoren sowie Interessensbekundungen von Wettbewerbern.
Berater Thomas Cook Group
Latham & Watkins: Frank Grell (Hamburg), John Houghton (beide Restrukturierung/Insolvenzrecht), Nick Cline (Corporate/M&A), Ross Pooley (Bank- und Finanzrecht; alle London)
Berater Thomas Cook plc / Alix Partners
Gleiss Lutz (Stuttgart): Dr. Matthias Tresselt (Federführung; Insolvenzrecht), Dr. Helge Kortz (Finanzrecht; Frankfurt), Dr. Andreas Neun (Öffentliches Recht; Berlin)
Berater Thomas Cook Deutschland/Condor Fluggesellschaft
Noerr: Dr. Thomas Hoffmann (Berlin), Dr. Dorothee Prosteder (München), Marlies Raschke (Dresden), Simone Schönen (Hamburg; alle Restrukturierung), Dr. Holger Alfes (Aktien- und Kapitalmarktrecht); Associates: Dr. Andrea Braun (Frankfurt), Kenny Koa (Berlin), Dr. Björn Grotebrune (München; alle Restrukturierung)
Berater Thomas Cook Board
Slaughter and May (London): Ian Johnson
Berater Konkursverwalter AlixPartners und KPMG
Ashurst (London): Giles Boothman, Olga Galazoula (beide Restrukturierung)
KPMG – aus dem Markt bekannt
Berater Fosun
Clifford Chance (London): Tim Lewis (Corporate), David Towers (Restrukturierung)
Berater Banken
Allen & Overy (London): Hannah Valintine, Nick Lister (beide Bankrecht/Restrukturierungen), Melissa Samuek, Greg Brown (beide Bankrecht)
Berater Civil Aviation Authority
Reed Smith: Dr. Volker Kammel (Frankfurt), Richard Spafford, Charlotte Moller, Nicholas Williams (alle London)
Hintergrund: Noch am Sonntag wurde verhandelt, doch keiner der Beteiligten will zu dem Gesamtkomplex derzeit Stellung beziehen – die Berater sind JUVE aus dem Markt bekannt.
Lathams Londoner Partner Houghton leitet die europäische Restrukturierungspraxis der Sozietät. Ihr Hamburger Partner Grell ist auch für Air-Berlin-Insolvenzverwalter Prof. Dr. Lucas Flöther im Einsatz, der Ansprüche gegenüber dem Aktionär Etihad geltend macht.
Gleiss Lutz berät seit etwa sechs Wochen die Thomas Cook plc und Alix Partners mit Blick auf eine mögliche Insolvenz zu den deutschen Tochtergesellschaften. Alix ist ein Beratungsunternehmen für Unternehmen in wirtschaftlichen Krisen und wurde von Thomas Cook beauftragt. Gleis beriet im Wesentlichen zum deutschen Insolvenzrecht, aber auch zum Luftverkehrsrecht und zur Finanzierung. Die Kontaktaufnahme erfolgte soweit bekannt über Slaughter and May, denn diese bereitete für den Fall eines Scheiterns der Finanzierungsversuche ein Restrukturierungsszenario vor.
Noerr ist schon seit 2017 für Thomas Cook im Einsatz, das Mandat kam wohl ursprünglich über den Brüsseler Partner Dr. Dominik Wendel zustande. Mithilfe der Kanzlei übernahm der britische Reiseveranstalter 2009 auch den Ferienflieger Condor und ein Jahr später den Pauschalreiseanbieter Öger Tours. Neben den Konzernrechtlern und Restrukturierungsteams ist dem Vernehmen nach auch ein Team um den Münchner Luftverkehrsrechtler Erling damit befasst, Fragen rund um die potenziellen Brexit-Folgen für die Fluggesellschaft und ihre Streckenrechte auszuloten.
Noerr ist aber auch mit Fosun vertraut: Die Kanzlei beriet Fosun International Anfang des Jahres beispielsweise zur Kapitalerhöhung beim schlingernden Modekonzern Tom Tailor und zum anschließenden öffentlichen Übernahmeangebot. Die Federführung dafür hatten Dr. Laurenz Wieneke und Dr. Julian Schulze De la Cruz übernommen.
Auch Linklaters, Freshfields und Kirkland sind im Einsatz
Auch Clifford Chance ist eine regelmäßige Beraterin des chinesischen Mischkonzerns. Sie beriet Fosun etwa 2015, als der Konzern die Mehrheit an der Privatbank Hauck & Anhäuser erwarb. Als die Chinesen im selben Jahr bei Thomas Cook an Bord gingen, wurde das Team noch von der Transaktionsexpertin Kathy Honeywood geleitet, die inzwischen zu Baker & McKenzie gewechselt ist.
Die Aufgabe als Group General Counsel des börsennotierten Tourismuskonzerns war viele Monate vakant, nachdem die vorige Chefjuristin Alice Marsden im November 2018 zum Baukonzern Taylor Wimpey gewechselt war. Seit August ist nun Rebecca Symondson in dieser Position, die bereits seit 2010 in unterschiedlichen Positionen im Unternehmen tätig war.
Laut britischen Medienberichten sind von alternativen Kreditgebern des Konzerns auch Linklaters, Freshfields Bruckhaus Deringer und Kirkland & Ellis mandatiert worden, während Milbank einer Mehrheitsgruppe der Anleihegläubiger zur Seite stehen soll. Weitere Details zu dem Insolvenzregime und den beratenden Teams dürften in den kommenden Tagen bekannt werden.
Die Civil Aviation Authority, die mit den Belangen der zivilen Luftfahrt in Großbritannien befasst ist, vertraute schon im Vorfeld der Insolvenz auf Reed Smith, die nach JUVE-Informationen auch weiterhin mit einem britisch-deutschen Team berät. (Sonja Behrens, Dennis Koch, Ludger Steckelbach, Martin Ströder, Verena Clemens, mit Material von dpa)
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