Streit um Finanzwetten

BVG wirft Clifford Chance Täuschung vor

Autor/en
  • JUVE

Im Londoner Prozess um gescheiterte Finanzwetten zwischen den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) und der Investmentbank JP Morgan erhebt die Verkehrsgesellschaft weiter schwere Vorwürfe gegen Clifford Chance. Die BVG fühlen sich von den deutschen Anwälten über die Risiken eines CDO-Geschäfts und über das Bestehen eines Mandatsverhältnisses getäuscht.

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2007 hatte die Kanzlei ein Gutachten für die BVG zu komplexen Finanztransaktionen mit JP Morgan angefertigt, unter anderem zum Erwerb sogenannter Collateralized Debt Obligations (CDO). Die Transaktion erwies sich für die BVG als großes Verlustgeschäft, in der Folge verweigerten sie Zahlungen an JP Morgan. Die Bank fordert mit einer Klage vor dem High Court in London nun rund 155 Millionen Euro von den BVG (mehr…).

Ihrerseits nehmen die BVG Clifford als Drittbeklagte in Anspruch. Wesentlicher Streitpunkt dabei ist die Frage, ob überhaupt ein belastbares Mandatsverhältnis zwischen den BVG und Clifford vorlag.

Nun veröffentlichte die Tageszeitung ‚taz‘ das ‚Opening Statement‘ der beklagten BVG, das brisante Details zutage fördert. Auf knapp 300 Seiten erheben die BVG massive Vorwürfe gegen Clifford. So habe die Kanzlei sie nicht umfangreich genug über Rechtsrisiken aufgeklärt. Strittig ist außerdem die Frage des Mandatsverhältnisses: Waren die BVG Mandant der Kanzlei – wie die Beklagte behauptet – oder war allen Beteiligten klar, dass Clifford in erster Linie für JP Morgan arbeitete?

Vorwurf der Täuschung

Marc Benzler
Marc Benzler

Ihre Vorwürfe stützen die BVG auf Telefonmitschnitte zwischen den beteiligten Clifford-Anwälten um den Frankfurter Partner Dr. Marc Benzler und den Investmentbankern von JP Morgan. Sie sollen Anhaltspunkte liefern, dass den deutschen Anwälten durchaus bewusst war, dass die BVG glaubten, direkter Mandant von Clifford zu sein. Clifford habe aber gezielt nicht auf dieses Missverständnis hingewiesen, so die BVG.

Die BVG wunderten sich etwa, dass auf einer Rechnung von Clifford JP Morgan als Leistungsempfänger benannt war. Auf Nachfrage zerstreuten die Anwälte und Banker aber offenbar die Bedenken eines BVG-Mitarbeiters. Rückblickend meinen die BVG, Mandant von Clifford gewesen zu sein und dies klar kommuniziert zu haben.

Die Kanzlei sieht sich zu Unrecht beschuldigt. In einer Stellungnahme schreibt sie: „Die von uns abgegebene Legal Opinion wies in ihrer Einleitung ausdrücklich darauf hin, dass JP Morgan unser Mandant war und BVG nur der Kunde von JP Morgan, an den die Legal Opinion als Dritter gerichtet war. Das wurde von BVG damals verstanden und akzeptiert.“

Komplexe Transaktion

Rückblickend zweifeln die BVG auch ihr eigenes Verständnis für die komplexe Transaktion an. Sie bezeichnen sich in ihrer Verteidigungsschrift als „naiv in Bezug auf komplexe Finanzderivate“. Auch läge der Abschluss einer CDO-Finanztransaktion außerhalb des Ermessensspielraums eines öffentliches Transportunternehmens wie der BVG und sei damit nichtig. Das sollen die Clifford-Anwälte auch erkannt, aber verschwiegen haben, weil sie als Berater von JP Morgan deren Interessen verfolgt hätten.

Laut der Telefonmitschnitte zwischen Clifford-Partner Benzler und den Investmentbankern von JP Morgan sagte der Frankfurter Banking-Partner unter anderem, der BVG-Finanzexperte sei „nicht kompetent“ das Geschäft zu verstehen. Die Transaktion sei zudem „unüblich für solch ein staatliches Unternehmen“. Ein Hinweis hierauf sei allerdings „nicht Teil unseres Mandats oder unserer Beratung“. Man werde das „reduzieren auf eine total schematische Kernaussage, dass die Verträge, die uns präsentiert wurden, handwerklich korrekt sind“.

Auch zu diesen Vorwürfen bezieht Clifford nun Stellung. „Die Legal Opinion hat ausdrücklich klargestellt, dass sie nur bestimmte Fragen behandeln würde und andere nicht. Auch dies wurde von BVG verstanden und akzeptiert“, schreibt die Kanzlei. „Dass an dem Inhalt unserer Legal Opinion irgendetwas falsch gewesen sei, wird von BVG bis heute nicht behauptet.“

Tatsächlich zahlten die BVG die von Clifford in Rechnung gestellten 45.000 Euro – und damit ein deutlich niedrigeres Honorar, als ihre Stammkanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer verlangt hatte. Freshfields hatte die Verkehrsbetriebe häufiger bei Finanztransaktionen begleitet, für das konkrete Mandat aber ein Honorar von 100.000 bis 250.000 Euro veranschlagt. Das wollten die Verkehrsbetriebe offenbar nicht zahlen und erkundigten sich bei JP Morgan nach weiteren Beratern.

Auch Linklaters soll zuvor als Beraterin im Gespräch gewesen sein, die Mandatierung scheiterte allerdings an einer bestehenden Beziehung zu JP Morgan.

Die Investmentbank hat die Klage gegen die BVG bereits 2008 eingereicht. Jahrelang wurde über den Gerichtsstand gestritten. Die BVG wollten Berlin als Gerichtsstand durchsetzen, die Bank wollte in London streiten. 2011 entschied der Europäische Gerichtshof in einer Grundsatzentscheidung, dass der Fall nicht im Heimatland des Angeklagten zu klären sei (mehr…). Das Verfahren gilt als Präzedenzfall für ähnlich gelagerte Streitfälle zwischen internationalen Banken und deutschen Kommunen sowie deren Tochtergesellschaften (Ulrike Barth).

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