Kommentar

Neu nachdenken

Das Selbstbewusstsein der freien Advokatur hat einen heftigen Knacks bekommen. Nie sollte es passieren, dass Sozialrichter definieren, was ein Rechtsanwalt ist. Das wollte die Zunft stets selbst entscheiden. Doch sie hat sich damit zu viel Zeit gelassen. Nun hat ihnen das Bundesozialgericht (BSG) die Arbeit abgenommen.

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Juristen mit Anstellungsvertrag sind keine Anwälte – so einfach ist das. Und wenn sie alle bisher geltenden Kriterien für eine Befreiung erfüllen? Egal. Arbeitsvertraglich zugesicherte anwaltliche Unabhängigkeit? Egal. Angestellt bei einer Kanzlei? Fast egal. Aus Sicht der Unternehmensanwälte sind die BSG-Entscheidungen verheerend, für Kanzleien dürften sie zumindest problematisch werden.  

Die enge Kopplung der Rentenfrage – ein Thema, bei dem quer durch die Juristenlandschaft Konsens herrschte – mit den Themen Anwaltsprivileg und Postulationsfähigkeit – Punkte, in denen die Interessen der niedergelassenen Anwälte und der Unternehmensjuristen durchaus nicht im Gleichklang sind – führte dazu, dass die Statusdebatte jahrelang eher halbherzig geführt wurde. Die Kammern mussten auf ihre Mehrheiten Rücksicht nehmen, die Inhouse-Anwälte wollten als vollwertige Anwälte ernst genommen werden.

Die BSG-Urteile könnten die juristischen Lager wieder näher zusammenbringen. Die Sicherung der Versorgungswerke und die Durchlässigkeit des juristischen Arbeitsmarktes sind gemeinsame Probleme. Eine konstruktive Annäherung, die ganz neue Denkmodelle erlaubt und eine Diskussion um Alternativen zum „Alles oder Nichts“ zulässt, könnte letztlich vielleicht auch die Politik überzeugen. So gesehen birgt der richterliche Schuss vor den Bug zugleich eine Chance.

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