Kommentar

Zur Steuer, zur Freiheit!

Die Digitalisierung ändert nicht nur, wie wir kommunizieren, leben und arbeiten. Auf Umwegen bewirkt sie sogar, dass immer mehr Kanzleien zu braven Gewerbesteuerzahlern werden. Das ist ein Nebeneffekt des Legal-Operations-Trends, der Rechtsabteilungen und Kanzleien erfasst hat. Der Kommentar stammt aus dem aktuellen JUVE Rechtsmarkt 8/2019, in dem die Redaktion untersucht, wie Technologie die Arbeit von Juristen in Unternehmen, Kanzleien und Justiz verändert.

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Der Freiberufler ist etwas ganz Besonderes, zumal wenn er Anwalt ist. Das zeigt sich auch daran, dass er nicht wie Hinz und Kunz gewerbesteuerpflichtig ist. Viel Aufwand wird in Kanzleien betrieben, damit das so bleibt. Sie gründen Servicegesellschaften, über die sie nichtanwaltliche Dienstleistungen abrechnen. Sie entwickeln komplizierte interne Verrechnungssysteme. Aber immer mehr Kanzleien begreifen: Schützen sie zwanghaft und mit allen Mitteln den Kern des Geschäfts – die Arbeit der Juristen – vor der gefürchteten Gewerbesteuerinfizierung, dann verlieren sie damit auf Dauer mehr als sie gewinnen.

Denn die Steuervermeidung wird immer schwieriger. Längst schwappt aus den Unternehmen die Legal-Operations-Idee in die Kanzleien, und die bedeutet: mehr Arbeitsteilung bei der Herstellung des Produkts Rechtsrat. Der Status des Anwalts als steuerbefreiter Freiberufler hängt qua Gesetz daran, „dass er auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird“. Wie ist es aber nun, wenn Anwälte und Projektmanager in einem großen Mandat auf Augenhöhe miteinander arbeiten sollen? Wenn der Kanzleipartner unter der Leitung eines Kaufmanns ein Programmiererteam bei der Entwicklung eines Legal-Tech-Tools berät? Wenn er dieses Tool später unter Anleitung von IT-Spezialisten anwendet? Ist da immer der Jurist „leitend“? Die Grenzen verschwimmen.

Kanzleien wandeln sich zu umfassenden Beratungseinheiten, die sich nicht mehr auf das Juristische beschränken. Dieser Trend lässt sich überall beobachten. Dass Kanzleien wie Linklaters und Freshfields Bruckhaus Deringer inzwischen, wie man hört, Gewerbesteuer zahlen, ist Teil dieses Trends: Sie befreien sich so von den Fesseln, die eine ängstliche Steuervermeidung mit sich bringt. Sie können nach Herzenslust Projektmanager, Programmierer, Strategieberater mit abrechnen. Sie können das Zusammenspiel von Juristen, neuen Berufsträgern und Technik vorantreiben – und daraus neue Beratungsprodukte und Geschäftsmodelle entwickeln. Den Steuerzahlern gehört die Zukunft! (Marc Chmielewski)

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