Hintergrund ist die 35 Prozent-Beteiligung der Strabag AG an der BHB Bauholding Beteiligungs AG (BHB). Die weiteren 65 Prozent werden von der Strabag SE gehalten. 2012 hatte die SE verschiedene Beteiligungen und Sachmittel in die BHB eingebracht, die AG sollte Barmittel von fast 280 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Da die AG diese Summe nicht hatte, musste sie diese unter anderem durch Beteiligungsverkäufe aufbringen. Mitte März diesen Jahres erfolgte jedoch eine Ad hoc-Meldung zu einer „außerordentlichen Wertminderung im Segment Beteiligungen Österreich“.
Nach Ansicht einiger Aktionäre deutet dies darauf hin, dass die Beteiligungen 2012 überbewertet waren. Daher stellten die Aktionäre Sparta Aktiengesellschaft und Investmentaktiengesellschaft für langfristige Investoren TGV auf der Hauptversammlung der Strabag AG Mitte Juni den Antrag, dass die Hauptversammlung die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen derzeitige und seit 2012 ausgeschiedene Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der Strabag AG sowie gegen die Großaktionärin Strabag SE und deren aktuelle und seit 2012 ausgeschiedene Vorstandsmitglieder beschließen sollte. Persönlich richten sich die Ansprüche gegen Dr. Thomas Birtel, Vorstandsvorsitzender der Strabag SE und Aufsichtsratsvorsitzender der Strabag AG, sowie Dr. Hans Haselsteiner, Vorstandsvorsitzender der Strabag SE 2006 bis 2013.
Die Hauptversammlung beschloss die Geltendmachung von Ansprüchen und bestellte hierfür den Bonner Anwalt Dr. Thomas Heidel von Meilicke Hoffmann als besonderen Vertreter, und seinen Partnerkollegen Dr. Daniel Lochner als Stellvertreter. Beide bringen bereits einige Erfahrung in der Ausübung der Position mit. Viel Aufsehen erregte 2007 ihre Bestellung als besonderer Vertreter der HVB nach der Übernahme durch die Unicredit. 2012 übernahm Heidel diese Position auch für die Easy Software.
Unabhängige Prüfung möglicher Ansprüche
Der besondere Vertreter ist ein Sonderorgan einer Aktiengesellschaft. Er wird eingesetzt, um Ansprüche der AG anstelle der eigentlich für diese Aufgaben zuständigen Organe zu prüfen und gegebenenfalls durchzusetzen. Bei der Strabag können Vorstand und Aufsichtsrat nach Ansicht der Hauptversammlung nicht tätig werden, da sie selbst unter Beschuss stehen. Heidel und Lochner werden nun in den nächsten Monaten unabhängig prüfen, ob Ansprüche bestehen und diese dann gegebenenfalls geltend machen. Soweit bekannt, wurden beide Anwälte zuvor von Sparta und TGV angesprochen, ob sie die Tätigkeit wahrnehmen könnten und standen dann bei der Hauptversammlung als Kandidaten zur Verfügung. Welche Rechte und Pflichten ein besonderer Vertreter hat, ist jedoch nicht unumstritten.
Zum Anderen forderten Sparta und TGV die Bestellung eines Sonderprüfers. Dieser solle Vorstand und Aufsichtsrat insbesondere mit Blick auf die Ursachen der „außerordentlichen Wertminderung im Segment Beteiligungen Österreich“ überprüfen und untersuchen, ob der Wert damals korrekt ermittelt wurde, beziehungsweise welche anderen Gründe es für die Wertminderung geben könnte. Dies lehnte die Hauptversammlung jedoch ab.
Bei beiden Tagesordnungspunkten gab es unterschiedliche Stimmberechtigte: Bei der der Bestellung des besonderen Vetreters war der Hauptaktionär der Strabag AG, die SE mit 93 Prozent der Anteile, nicht stimmberechtigt, da sich die Ansprüche auch gegen sie richten. Bei der Bestellung des Sonderprüfers waren wiederum alle Aktionäre stimmberechtigt.
Die Hauptversammlung wurde auf Seiten Strabags von den Hengeler Mueller-Partnern Dr. Georg Seyfarth und Prof. Dr. Jochen Vetter begleitet, mitgearbeitet hat zudem der Hengeler Mueller-Senior Associate Dr. Björn Bork. Die Kanzlei ist bereits langjährig für die Strabag AG tätig. Ob und durch wen sich die Einzelpersonen beziehungsweise die SE anwaltlich vertreten lassen, ist derzeit noch nicht bekannt. Marktbeobachter rechnen durchaus noch mit Anfechtungsklagen entweder der SE oder anderer kleinerer Aktionäre gegen die Bestellung des Besonderen Vertreters. Die Frist hierfür läuft in Kürze ab.
Ein weiterer Streitpunkt ist Medienberichten zufolge die Forderung der Kleinaktionäre, dass die SE ihre Beteiligung von 93 Prozent an der AG in einen Beherrschungsvertrag mit Gewinnabführung zu ändern. Dies zu prüfen oder durchzusetzen ist jedoch nicht Aufgabe des Besonderen Vertreters.