Der 47-jährige Patentprozessrechtler steigt als Salary-Partner ein und wird bei der internationalen Kanzlei in Wien eine Patentpraxis aufbauen. Taylor Wessing hat seit vielen Jahren ein starkes europäisches Patentteam mit Schwerpunkt in Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden. In Österreich hatte die Kanzlei bislang keine marktbekannten Patentexperten. Das Wiener Büro fiel vielmehr über seine marken- und wettbewerbsrechtliche Tätigkeit um Partner Dr. Martin Prohaska-Marchried auf.
Das ändert sich nun mit dem Zugang Adockers, der als einer der aufstrebenden Patentprozessrechtler in Wien gilt. Zuletzt stritt er für die Novartis-Tochter Sandoz gegen Bayer um Generika für das Krebsmedikament Sorafenib; das Mandat nimmt er mit zu Taylor Wessing. Das Münchner Team der Kanzlei ist für den Generikahersteller ebenfalls in mehreren Verfahren aktiv.
Für den Kfz-Zulieferer Magna stritt Adocker zuletzt gegen Valeo um LED-Scheinwerfer für Autos. Martin Prohaska-Marchried, der das CEE IP-Team leitet, sagt: „Thomas’ umfassende Erfahrung mit multinationalen Fällen macht ihn zu einem äußerst wertvollen Mitglied unseres IP-Teams und insbesondere unsere Prozessrechtler im UPC-Gebiet.“
Durch UPC herausgefordert
Adocker ist einer der wenigen österreichischen Rechtsanwälte, die sich stark darauf spezialisiert haben, Patentprozesse zu führen. Die meisten hiesigen IP-Anwälte sind deutlich breiter aufgestellt. Das hat nun Konsequenzen. Denn die österreichischen Patentprozessrechtler stehen durch den Start des Unified Patent Courts vor einer unklaren Zukunft. Zwar wird Wien Heimat einer Lokalkammer des UPC sein. Wie stark Unternehmen hier jedoch im Vergleich zu den deutschen, niederländischen oder französischen Lokalkammern klagen werden, ist derzeit unklar. Österreichische Patentexperten gehen davon aus, dass zunächst nur wenige Klagen die Wiener UPC-Kammer erreichen. Gleichzeitig könnte der UPC Prozesse von nationalen Patentgerichten abziehen.
„Ich suche gezielt im international aufgestellten Patentteam von Taylor Wessing die Möglichkeiten, künftig für meine Mandaten an interessanten und wichtigen UPC-Fällen mitwirken zu können“, erläutert Adocker die Gründe für seinen Wechsel. „In einer nationalen IP-Boutique wie meiner alten Kanzlei wird das schwer. Die österreichischen IP-Boutiquen werden darauf angewiesen sein, dass sie von ihren Kooperationspartnern vor allem in UK und Deutschland in UPC-Verfahren eingebunden werden. Bei Taylor Wessing werde ich als Mitglied eines internationalen Teams an UPC-Verfahren arbeiten.“
Schlag für Schwarz Schönherr
Schwarz Schönherr muss nun seine Patentpraxis neu sortieren. Namenspartner Dr. Georg Schönherr gilt ebenfalls als erfahren in Patentprozessen, doch die Kanzlei hatte die patentrechtliche Arbeit zuletzt vor allem auf Adocker konzentriert. Sie hat ohnehin einen sehr starken Schwerpunkt bei Soft-IP-Themen, bei denen sie in Österreich zu den Marktführern zählt. Sie betreut zum Beispiel zahlreiche internationale Modelabel zur Produktpiraterie. Die markenrechtliche Betreuung des Novartis-Konzerns und seiner Generika-Töchter Hexal und Sandoz bleibt auch weiterhin bei Schwarz Schönherr.
Um ihre Chancen für UPC-Verfahren zu stärken, wird die Kanzlei engere Verbindungen zu ähnlich positionierten Einheiten in anderen UPC-Ländern eingehen müssen. Allerdings ist Schwarz Schönherr, wie auch andere österreichische IP-Boutiquen, hier limitiert, weil sie von vielen Verweismandanten insbesondere von deutschen IP-Kanzleien lebt. Exklusive Kooperation sind daher eher unwahrscheinlich.
In UPC-Verfahren werden österreichische Anwälte in Zukunft wohl immer dann eingebunden werden, wenn Unternehmen direkt an der Lokalkammer in Wien klagen oder wenn österreichische Richter an Verfahren bei anderen Lokalkammern als sogenannter ausländischer Richter beteiligt sind. Dies dürfte vor allem in Verfahren vor den deutschen Lokalkammern in Düsseldorf, Hamburg, Mannheim und München der Fall sein.
Nicht absehbar
Der Unified Patent Court nimmt am 1. Juni seine Arbeit auf. Er ist zuständig für Nichtigkeits- und Verletzungsklagen zum ebenfalls neuen Unified Patent. Zudem ist das neue Gericht zuständig für alle bereits von European Patent Office erteilten Europäischen Patente, sofern deren Besitzer sie nicht der Zuständigkeit des UPCs entziehen. Wie viele Verfahren Unternehmen ab Juni beim UPC einreichen lassen, vermag derzeit niemand zu sagen. Die Experten gehen von einem langsamen, aber kontinuierlichen Start aus.
Langfristig könnte der UPC allerdings zu einer Konzentration von Fällen führen. Denn statt wie in Pharmaprozessen üblich in allen Ländern zu klagen, in denen ein Medikament vertrieben wird, reicht dann eine einzige Klage vor dem UPC für einen Großteil der EU-Länder aus. Die Experten gehen von einer Konzentration wichtiger Verfahren in Deutschland, den Niederlanden und Frankreich aus. Aufgrund sehr knapper Fristen und der hohen technischen Komplexität rechnen Kanzleien auch damit, dass für UPC-Verfahren vor allem auf Beklagtenseite sehr große Teams nötig sein werden.
Daher vergrößerten zuletzt mehrere Kanzleien ihre Prozessteams und stellten sie zusätzlich international auf, um UPC-Verfahren an mehreren Lokalkammern führen zu können. Bardehle Pagenberg holte in Deutschland etwa drei Partner von Meissner Bolte und Eisenführ Speiser. Hogan Lovell integrierte zuletzt einen bekannten Partner in Amsterdam von De Brauw Blackstone Westbroek.