Das Start-up AI:ssociate ist gerade ein paar Tage alt, seine Anwendung gerade in einer ersten Testphase online – schon melden sich Investoren: „An uns traten innerhalb weniger Tage Venture-Capital-Gesellschaften und Verlage heran“, sagt Dr. Bernd Grama, Partner bei der Wiener Kanzlei Grama Schwaighofer Vondrak (GSV). Diese steht hinter der im Frühsommer gegründeten FlexCo, die im August vier Mitarbeiter zählen dürfte.
Bislang kaum Budget
Das Interesse am Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) in der Rechtsberatung ist also groß. Auch der aktuelle Legal Tech Barometer von Future Law aus dem Frühjahr zeigt, dass 36 Prozent der 110 teilnehmenden Kanzleien und Rechtsabteilungen KI-Tools bereits einsetzen, allerdings fast die Hälfte dafür kein Budget haben. Als wichtige Einsatzgebiete zeichneten sich ab: Textbearbeitung und -analyse, das Erstellen von Dokumenten und juristische Recherchen.
AI:ssociate kann Fragen zu zivil-, steuer- und strafrechtlichen Sachverhalten beantworten. Die Basis ist eine Vektordatenbank, in die unter anderem über 210.000 höchstgerichtliche Urteile des Obersten Gerichtshofs, des Verwaltungsgerichtshofs und des Bundesfinanzgerichts eingearbeitet sind. Teilweise reichen diese bis 1993 zurück. Verantwortlich für das Projekt ist der GSV-Partner Dr. Philipp Merzo (37) – kein Informatiker, aber Jurist mit großem Interesse an ‚Machine Learning‘ und Legal Tech.
„Wir haben lange auf ein entsprechendes Tool von den fachjuristischen Verlagen gewartet. Etwas vergleichbares ist aber bis heute nicht am Markt verfügbar“, erläutert er seinen Antrieb, selbst einen KI-Assistenten aufzusetzen – für Juristen, nicht für Laien. AI:ssociate könne rechtliche Fragen und Aufgaben verstehen und Antworten mit exakten Quellenangaben geben. Das schließe erfundene Antworten, das Halluzinieren, aus und mache die Ergebnisse vergleichbar mit denen eines Berufsanwärters. Beim Einsatz von technologischen Lösungen in der Rechtsberatung ist GSV allerdings keine Novizin. Schon seit mehreren Jahren arbeitet sie mit einem Mandanten aus der Immobilienbranche über eine eigens entwickelte IT-Lösung zusammen.
Auf anderem Weg
Auf ganz andere Weise nähert sich Schönherr dem Einsatz von KI in der Rechtsberatung. Die Großkanzlei hat im Frühsommer eine strategische Partnerschaft mit Harvey geschlossen, einer der führenden generativen KI-Plattformen für die Rechtsbranche, und macht diese als eine der ersten Kanzleien in allen ihren Standorten, auch in Zentral- und Osteuropa, verfügbar. Unter anderem setzen auch A&O Shearman und PricewaterhouseCoopers auf Harvey.
Schönherrs ‚Head of Digitalisation‘, Andrei Salajan, hebt jedoch hervor: Harvey ist nur ein Ansatz unter mehreren, um KI in der Rechtsbranche sinnvoll einzusetzen. Als Gründe für die Investition nennt die Kanzlei: den Wettbewerbsvorteil in der Mandatsarbeit, die Weiterbildung von Mitarbeitenden und die Attraktivität als Arbeitgeber. Der Markt startet also gerade durch, auswirken wird sich der KI-Einsatz auch auf Geschäftsmodelle und Berufsbilder.