Funktionierende Logistikprozesse sind für den Unternehmenserfolg von entscheidender Bedeutung. Gesellschaftliche Entwicklungen und weltpolitische Geschehnisse fordern die Logistik immer wieder neu heraus. Eine immer höhere Effizienz und Flexibilität der Lieferketten ist gefordert. Hinzu kommen weitreichende regulatorische Vorgaben. All das hat Auswirkungen auf die Themen, mit denen sich die Rechtsabteilungen sowohl des Logistikeinkaufs als auch der Logistikdienstleister derzeit auseinandersetzen müssen.
GEFÄHRDUNG DER LIEFERKETTEN
Obwohl die Logistik seit jeher eine dynamische Branche gewesen ist, so ist die Stabilität der Lieferketten in den letzten Jahren durch besonders viele und gravierende äußere Umstände gefährdet worden. Auf die Covid 19-Pandemie folgte der Ukraine-Krieg. Die Klimakrise zeigt sich mitunter durch immer häufigere Niedrigwasserstände, die den Schiffsverkehr erheblich einschränken. Gleichzeitig zwingen die Angriffe der Huthi-Rebellen im Roten Meer die Verfrachter zu Umroutungen, die eine Verlängerung der Transitzeiten, eine Erhöhung der Beförderungskosten sowie Transportengpässe zur Folge haben. Ebenso wirken sich politische Instabilitäten in einzelnen Ländern, wie etwa gegenwärtig in Bangladesch, auf die internationalen Lieferketten aus. Nicht zuletzt seien die sich seit Jahren häufenden IT-Sicherheitsvorfälle, etwa der jüngste Crowdstrike-Vorfall, und die zahlreichen Hacker-Angriffe genannt. All diese Umstände erschüttern die Lieferketten massiv. Die Logistik muss einerseits schnelle Ad hoc-Lösungen finden und andererseits langfristige Maßnahmen ergreifen, um die Lieferketten nachhaltig zu stabilisieren.
TRANSFORMATIONSPROZESSE UND REGULIERUNG
Doch damit nicht genug: Neben dem Krisenmanagement laufen umfangreiche und langfristige Projekte zur Nachhaltigkeit und zur Digitalisierung sowohl der physischen als auch der administrativen Prozesse. Die Steigerung der eigenen IT-Sicherheit hat (ebenfalls) oberste Priorität. All jene Maßnahmen haben die Unternehmen nicht nur im eigenen Interesse und zur Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit umzusetzen. Vielmehr unterliegt die Transport- und Verkehrsbranche auch immer weitergehenden regulatorischen Vorgaben. Zu nennen sind hier beispielhaft die BSI-Kritisverordnung, die neue NIS 2-Richtlinie zur Cybersicherheit, die KI-Verordnung und nicht zuletzt das LkSG.
ANPASSUNGEN AN VERTRIEBSMODELLE UND NEUE GESCHÄFTSFELDER
Die Logistikabwicklung muss perfekt auf die jeweiligen Vertriebssysteme abgestimmt sein. Dies erfordert maximale Flexibilität von den Logistik-Verantwortlichen, weil sich die Vertriebsmodelle stetig ändern und fortentwickeln, besonders im E-Commerce-Bereich. Die Dynamik des Transport- und Logistiksektors eröffnet zugleich unzählige neue Geschäftsfelder. Hierbei sind neben dem Einsatz von KI, der Entwicklung von Software, etwa zur Steuerung der Lieferketten, auch das Entdecken der logistischen Daten als Wert zu nennen.
VERTRAGSGESTALTUNG UND RECHTSTHEMEN
Unternehmen haben aus den Erschütterungen ihrer Lieferketten ihre Lehren gezogen, die Bedeutung und Komplexität des Themas erkannt. Logistikverträge und Transportrahmenverträge erreichen leicht ein Vertragsvolumen von mehreren Millionen Euro. Da braucht es präzise Verträge, die auf die ständig wechselnden Bedingungen reagieren. Die Wichtigkeit der Kooperation zwischen Auftraggebern und Logistikunternehmen ist in den Vordergrund getreten. Auftraggeber benötigen zur Stabilisierung ihrer Lieferketten verlässliche Partner, mit denen sie Krisen gemeinsam bewältigen können. Am Transportmarkt lässt sich eine Abkehr von Spotgeschäften hin zu langfristigen Dauerschuldverhältnissen beobachten, die in umfangreichen, komplexen Rahmenverträgen fixiert werden. Bei diesen gilt es, die Balance zwischen dem einerseits vorhandenen Bindungswillen und der andererseits beidseitig notwendigen Flexibilität zu finden. Schließlich müssen die Risiken, etwa im Hinblick auf die Volatilität der Frachtraten und auf etwaige Volumenschwankungen, angemessen verteilt bzw. zugeordnet werden. Darüber hinaus decken heutige Rahmenverträge noch sehr viel mehr ab: hohe Anforderungen an stetige Prozessoptimierung und Qualitätsstandards, Notfallpläne, Eskalationsprozesse, komplexe
Preisanpassungsmechanismen, Möglichkeiten des Change Requests, Sicherheiten für Vergütungspflichten, Exit- und Force-Majeure-Szenarien sowie Compliance. Ferner regeln Rahmenverträge Themen aus deutlich mehr Rechtsgebieten als nur aus dem klassischen Transportrecht. Hier sei neben dem äußerst relevanten IT-/IP- und Datenschutzrecht vor allem das Außenwirtschaftsrecht genannt: Die beispiellosen Embargomaßnahmen der EU gegen Russland und Belarus fordern allen Wirtschaftsbeteiligten, einschließlich der Transportdienstleister, ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit ab. Hinzu kommen die (zumindest aus amerikanischer Sicht) extraterritorial wirkenden US-Sanktionen und die Embargomaßnahmen anderer Industrienationen. Hierbei gilt es, den gesunden Mittelweg zwischen Einhaltung der Regularien und einer vielfach zu beobachtenden „Over-Compliance“ zu wahren.
Die beschriebene steigende Komplexität und Anzahl an berührten Rechtsgebieten macht die Rechtsberatung im Transport- und Logistiksektor anspruchsvoller und dynamischer als je zuvor.