Der Löwenanteil entfällt mit 223 Millionen Euro auf den Essenslieferdienst Delivery Hero mit Sitz in Berlin. Dessen spanische Tochtergesellschaft Glovo muss knapp 106 Millionen Euro Strafe zahlen.
Neben Absprachen zu sensiblen Geschäftsinformationen hatten Delivery Hero und Glovo auch vereinbart, keine Mitarbeiter voneinander abzuwerben und nationale Märkte für Essenslieferungen untereinander aufzuteilen. Laut EU-Kommission sollen die Absprachen unter anderem per Mail und WhatsApp stattgefunden haben.
Absprachen liegen schon länger zurück
Das Kartellverfahren läuft schon seit einigen Jahren. So hatte die EU-Kommission bereits im November 2023 die Geschäftsräume des Essenslieferdienstes Delivery Hero in Berlin und seiner spanischen Tochter in Barcelona durchsucht. Die Kartellrechtsverstöße reichen jedoch noch weiter zurück und sollen nach Angaben der EU-Kommission schon vor der Übernahme von Glovo durch Delivery Hero stattgefunden haben. Ab Juli 2018 habe Delivery Hero eine Minderheitsbeteiligung an Glovo gehalten und im Juli 2022 die alleinige Kontrolle über das Unternehmen übernommen.
Ende ohne Schrecken
Aus Sicht von Delivery Hero liegt die nun verhängte Strafe deutlich unter dem erwarteten Niveau. So hatte das MDax-Unternehmen im vergangenen Jahr bekanntgegeben, dass mit einer Strafe von möglicherweise mehr als 400 Millionen Euro zu rechnen sei. Daraufhin stockte das börsennotierte Unternehmen seine bis dato gebildeten Rückstellungen von 186 Millionen Euro noch einmal deutlich auf.
Wie das Unternehmen mitteilte, habe die EU-Kommission anerkannt, dass das beanstandete Verhalten über einige Zeiträume hinweg von geringerer Intensität gewesen sei.
Arbeitsmarkt im Visier der Kartellbehörden
Während es in den USA in der Vergangenheit bereits mehrere größere Verfahren insbesondere gegen Big-Tech-Unternehmen gab, spielten Abwerbeverbote von Mitarbeitenden, sogenannte ‚No-Poach-Agreements‘, in der kartellrechtlichen Debatte in Deutschland und Europa lange Zeit keine praktische Rolle. Die Durchsuchung der Geschäftsräume von Delivery Hero und Glovo im November 2023 aufgrund des Verdachts von No-Poach-Abreden markierte die erste öffentliche Maßnahme der Kommission gegen derlei Vereinbarungen.
In einem ‚Competition Policy Brief’ im Mai 2024 machte die EU-Kommission daraufhin deutlich, dass sowohl No-Poach-Abreden als auch Gehaltsabsprachen (sogenanntes ‚Wage Fixing‘) in der Regel als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen gelten und damit dem Kartellverbot unterliegen.
Die Kommission wolle dazu beitragen, einen fairen Arbeitsmarkt zu gewährleisten, auf dem die Arbeitgeber nicht gemeinsam die Zahl und Qualität der Möglichkeiten für Arbeitnehmer beschränken, sondern um Talente konkurrieren, heißt es weiter in der Pressemitteilung zur vorliegenden Bußgeldentscheidung.
Die Vertreter im Überblick
Vertreter Delivery Hero und Glovo
Clifford Chance: Nelson Jung (London), Stavroula Vryna (beide London), Marc Besen, Anne Filzmoser; Associates: Simon Wattenberg (alle Düsseldorf), Greg Hayes (London; alle Kartellrecht)
Inhouse Recht (Berlin): Andreas Krause (General Counsel), Dr. Eike Helbig (Vice President Legal), Carla Wachendorfer (Director; Global Head of Commercial & Antitrust Law)
Vertreter Delivery Hero Aufsichtsrat
Gleiss Lutz (Stuttgart): Prof. Dr. Michael Arnold (Federführung), Dr. Vera Rothenburg (beide Gesellschaftsrecht), Dr. Ulrich Soltész (Brüssel), Dr. Petra Linsmeier; Associates: Amelie Peiker (beide München; alle Kartellrecht), Dr. Nikolai Unmuth, Pia Schneider (beide Gesellschaftsrecht)
Europäische Kommission
Generaldirektion Wettbewerb (Brüssel): Philippe Chauve (Referatsleiter/Head of Unit E5)
Hintergrund: Clifford Chance war im vorliegenden Pionierfall mit einem standortübergreifenden Team um den Düsseldorfer Partner und Leiter der deutschen Kartellrechtspraxis Marc Besen sowie die beiden Londoner Kartellrechtspartner Stavroula Vryna und Nelson Jung vertreten. Das aktuelle Mandat kam dabei über Jung zustande, der bereits in der Vergangenheit für Delivery Hero tätig war, so etwa 2021 bei dessen Einstieg als Lead-Investor bei Gorillas.
Inhouse begleitete bei Delivery Hero ein Team um General Counsel Krause das Verfahren. Der frühere Luther-Associate hat die Rechtsabteilung seit seiner Amtsübernahme 2016 erheblich ausgebaut.
Ein standortübergreifendes Gleiss Lutz-Team unter der Federführung von Gesellschaftsrechtler Arnold übernahm die Vertretung des Aufsichtsrats von Delivery Hero.
Für den Erwerb der Mehrheitsbeteiligung an Glovo vor rund drei Jahren hatte das Unternehmen wiederholt auf ein Team um die beiden Gesellschaftsrechtler Dr. Martin Schaper und Dr. Tim Schlösser von Ypog gesetzt.