Das Asklepios-Verfahren sollte Klarheit darüber bringen, ob Arbeitnehmer nach einem Betriebsübergang Anspruch auf Tariflohnerhöhungen haben. Geklagt hatte unter anderem ein Klinikmitarbeiter, dessen früher kommunal geführter Arbeitgeber von Asklepios übernommen worden war.
In seinen Schlussanträgen im Januar kam Generanwalt Yves Bot zu dem Ergebnis, dass die so genannten dynamischen Bezugsklauseln bei einem Betriebsübergang statisch werden – und stellte sich somit auf die Seite der beklagten Asklepios-Klinik (C-680/15 und C-681/15). Für die Arbeitsrechtsszene war die Sache damit klar, denn in den meisten Fällen folgt das Gericht den Anträgen des Generalanwalts. Doch diesmal kam es anders. Ende April entschieden die höchsten europäischen Richter nämlich zugunsten der Kläger und sorgten dafür, dass sich die Klärung des Problems erneut zurück zum Bundesarbeitsgericht (BAG) verlagert.
Letztes Mittel Änderungskündigung
Die Asklepios-Anwälte interpretieren das Urteil so: „Die EuGH-Richter haben das Problem nicht gelöst, sondern dem BAG die rechtlich spannende Aufgabe gegeben, den Ausgleich der Interessen auf nationaler Ebene zu gewährleisten“. Nur dann sei aus ihrer Sicht die bisherige BAG-Rechtsprechung auch EU-konform. Erwerbern bliebe zur angestrebten Vereinheitlichung ihrer Verträge letztlich nur das Mittel der Änderungskündigung. Um hier entsprechend den EuGH-Vorgaben einen effektiven Interessenausgleich zu gewährleisten, müsse das BAG etwa seine sehr hohen Voraussetzungen an eine Änderungskündigung absenken.
Besser sieht es für die Arbeitgeberschaft – sollte das Gericht dem Schlussantrag des Generalanwalts folgen – in Bezug auf die deutsche Mitbestimmung im Aufsichtsrat aus. Die Richter sollen klären, inwiefern es EU-konform ist, dass in die Aufsichtsräte deutscher Unternehmen nur Vertreter der Arbeitnehmer in Deutschland gewählt werden können. Anfang Mai hat Generalanwalt Henrik Saugmandsgaard Øe in seinem Schlussantrag das deutsche Mitbestimmungsrecht für unionsrechtskonform erklärt (C-566/15).
Hintergrund war eine Klage des Tui-Aktionärs Konrad Erzberger. Kern des Verfahrens war die Frage, ob es europarechtswidrig sei, dass nur in Deutschland tätige Arbeitnehmer ein Wahlrecht für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat deutscher Gesellschaften haben. Dies schränke möglicherweise die Arbeitnehmerfreizügigkeit ein. Der Generalanwalt verneint dies: Die im Ausland tätigen Tui-Mitarbeiter fallen, vereinfacht gesagt, nicht unter die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Das Unionsrecht stehe also dem deutschen Mitbestimmungsgesetz nicht entgegen. Dass der EuGH dem Schlussantrag des Generalanwalts folgt, ist jedoch alles andere als ausgemacht. Das Asklepios-Urteil hat viele diesbezüglich eines Besseren belehrt.
Asklepios-Verfahren:
Vertreter Arbeitnehmer
Peter Schmitz (Berlin): Peter Schmitz
DGB Rechtsschutz (Kassel): Rudolf Buschmann – aus dem Markt bekannt
Vertreter Asklepios Klinik
Beiten Burkhardt (München): Dr. Wolfgang Lipinski, Dr. Anne Dziuba
Inhouse Recht (Hamburg): Inga Schwaiger (Justiziarin Konzernbereich Arbeits- und Tarifrecht); Frank Schwarzenau – aus dem Markt bekannt
Generalanwalt am EuGH
Yves Bot
Tui-Verfahren:
Vertreter Ver.di, Aufsichtsratsmitglieder der Tui AG, Betriebsrat der Tui AG
Apitzsch Schmidt Klebe (Frankfurt): Prof. Dr. Marlene Schmidt
Vertreter Erzberger
Brandhoff Obermüller (Frankfurt): Dr. Jochen Brandhoff – aus dem Markt bekannt
Vertreter Tui
Gleiss Lutz (Stuttgart): Dr. Christian Arnold (Arbeitsrecht), Prof. Dr. Michael Arnold (Gesellschaftsrecht, beide Federführung), Prof. Dr. Clemens Weidemann, Dr. Christiane Freytag (beide Öffentliches Recht, Stuttgart)
Generalanwalt am EuGH
Henrik Saugmandsgaard Øe
Hintergrund: Asklepios vertraut im Arbeitsrecht schon lange auf Beiten Burkhardt. Der Arbeitnehmervertreter Peter Schmitz ist seit mehr als 15 Jahren im gewerkschaftlichen Rechtsschutz und beim Bundesvorstand der Gewerkschaft Verdi in Berlin tätig. Er führt auch als selbstständiger Rechtsanwalt Verfahren, allerdings nur für Gewerkschaftsmitglieder im Rahmen des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes.
Im Tui-Verfahren war aufseiten der Arbeitnehmerschaft mit Schmidt eine europaweit anerkannte Expertin für derartige unionsrechtliche Fragen aktiv. Außerdem ist die Kanzlei bestens verdrahtet bei Gewerkschaften. Christian Arnold gehört zu den anerkanntesten Experten in der arbeitsrechtlichen Beratung von Organen, so ist Gleiss etwa auch für den Aufsichtsrat von VW und Audi in der Dieselaffäre mandatiert.