In seinem Urteil stellt das höchste deutsche Verwaltungsgericht fest, dass das Umweltinformationsgesetz (UIG) genauso ausgelegt werden muss wie das später entstandene Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Das IFG schützt die Daten von Personen, die Ministerial- und Verwaltungshandeln zu verantworten haben, weniger stark als das UIG – so jedenfalls die bisherige Lesart.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) muss nun erneut entscheiden, welche personenbezogenen Daten in der Antwort auf einen UIG-Antrag des Glasherstellers Verallia übermittelt werden müssen. Das Unternehmen erhofft sich von seinem Antrag Rückschlüsse auf mögliche Interessenkonflikte in der Entstehung einer belastenden Gebührenverordnung (BAGebV) im Energiesektor. Die Gebührenverordnung war Ende 2017 vom Verwaltungsgericht Frankfurt zumindest teilweise für unwirksam erklärt worden (Az. 5 K 2240/17.F).
Nicht nur Ministerialbeamte im Fokus
In dem Antrag nach dem UIG verlangte das Unternehmen Informationen darüber, welche Sachbearbeiter, Verbändevertreter und auch externe, für das Wirtschaftsministerium tätige Dritte an der Verordnung beteiligt waren. Das Ministerium hatte in seiner Antwort sämtliche personenbezogenen Daten von Behördenmitarbeitern unterhalb der Referatsleiterebene sowie von Mitarbeitern der am Verfahren beteiligten Verbände und Bundestagsfraktionen geschwärzt.
Dagegen klagte Verallia zunächst erfolglos vor dem Verwaltungsgericht Berlin (Az. 2 K 384.16) und auch vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Az. 12 B 1.19), die an der unterschiedlichen Auslegung von UIG und IFG festhielten. Weil das Bundesverwaltungsgericht diese Frage geklärt hat, wird das OVG sich nun damit beschäftigen, wer als Bearbeiter des Verwaltungshandelns gelten kann.
Marktbeobachtern zufolge erleichtert das Urteil es Unternehmen und Bürgern, individuelle Verantwortung bei Behördenhandeln nachzuvollziehen. Dies kann die Abwehr rechtswidriger Maßnahmen ebenso erleichtern wie die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen.
Vertreter Verallia
Luther (Düsseldorf): Dr. Stefan Altenschmidt; Associate: Pauline Müller (beide Öffentliches Wirtschaftsrecht)
Vertreter Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
Redeker Sellner Dahs (Berlin): Dr. Gernot Schiller (Öffentliches Wirtschaftsrecht)
Inhouse (Berlin): Dr. Davids (Zentrales Rechtsreferat)
Bundesverwaltungsgericht, 10. Senat
Prof. Dr. Andreas Korbmacher (Vizepräsident)
Hintergrund: Luther ist regelmäßig für Verallia tätig, unter anderem aus ihrer Energiesektorpraxis heraus, der auch der Öffentlichrechtler Altenschmidt angehört.
Für das Ministerium war Redeker-Partner Schiller im Mandat, der immer wieder Klagen im Bereich UIG und IFG auf der Seite der öffentlichen Hand vertritt.
Gegner in den eigenen Reihen
Als Vertreter des Bundesinteresses war Dr. Dr. Bernhard Sendler vom Bundesinnenministerium in das Verfahren involviert. Dabei vertrat er nicht den Standpunkt seiner Kollegen aus dem Bundeswirtschaftsministerium, sondern den der klagenden Verallia.
Die für das Unternehmen ergangene Entscheidung des 10. Senats verantwortet Richter Korbmacher, damals noch Vizepräsident des Bundesverwaltungsgerichts. Seit vergangener Woche ist Korbmacher Präsident.