Union Investment verklagte den Wirecard-Insolvenzverwalter Dr. Michael Jaffé auf 243 Millionen Euro. Dies ist der Schaden, der dem Fondsverwalter nach der Pleite von Wirecard im Sommer 2020 entstanden sein soll. Insgesamt stehen allerdings – je nach Berechnung – mehrere Milliarden Euro an Aktionärsvermögen im Feuer. Diese Summe hatten rund 22.000 Anleger durch die Wirecard-Insolvenz verloren. Deshalb geht es in diesem Fall um mehr als den Schaden von Union Investment. Und es geht auch nicht nur um die Causa Wirecard, sondern um die ganz grundsätzliche Frage, ob Aktionäre von insolventen Aktiengesellschaften künftig auch zum Gläubigerkreis gehören können.
Jaffé kann rund eine Milliarde Euro aus der Insolvenzmasse verteilen. Die Frage ist nur, an wen. Nach dem Insolvenzrecht müssen Banken und Anleihegläubiger zuerst bedient werden, Aktionäre spielen als Gläubiger im Sinne des Insolvenzrechtes keine Rolle. Ob diese gängige Praxis Bestand hat, wollen beide Seiten in diesem Musterfall höchstrichterlich klären lassen.
Quote könnte sinken
Die Frage, an welche und wie viele Esser Jaffé den Kuchen am Schluss verteilen muss, ist natürlich auch für andere Geschädigte interessant, beispielsweise die Anleihegläubiger. Für sie sänke die Auszahlungsquote deutlich, wenn auch die Aktionäre ihr Stück abbekämen. Aus diesem Grund sprang K&E Treuhand, ein Vehikel von Kirkland & Ellis, dem Insolvenzverwalter als weitere Beklagte bei, vertritt aber natürlich grundsätzlich nicht unbedingt die Interessen des Insolvenzverwalters. K&E ist gemeinsame Vertreterin der Gläubiger einer 500 Millionen Euro schweren Schuldverschreibung von Wirecard.
Vertreter Union Investment
Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan (Hamburg): Joachim Lehnhardt, Dr. Rudolf Hübner; Associate: Dr. Stephan Klebes (alle Konfliktlösung)
Vertreter Insolvenzverwalter Michael Jaffé
SZA Schilling Zutt & Anschütz (Mannheim): Prof. Dr. Thomas Liebscher (Federführung); Associate: Alexander Rickelt (beide Konfliktlösung)
Jaffé Rechtsanwälte: Dr. Lothar Czaja, Martin Fritz, Dr. Michael Schuster (alle München; alle Insolvenzrecht/Konfliktlösung)
Vertreter K&E Treuhand
Freshfields Bruckhaus Deringer (Hamburg): Prof. Dr. Patrick Schroeder (Konfliktlösung), Dr. Lars Westpfahl, Dr. Jan-Philip Wilde (beide Restrukturierung/Insolvenzrecht); Associates: Dr. Marcus Lerch, Kristina Weiler, Sonja Vidal (alle Konfliktlösung), Dr. Tom Dittmar, Susanne Hörrmann (beide Restrukturierung/Insolvenzrecht)
Landgericht München I, 29. Zivilkammer
Susanne Lukauer (Vors. Richterin)
Hintergrund: Quinn vertritt neben Union Investment noch andere Anleger, deren Forderungen sich auf insgesamt rund 1,8 Millionen Euro summieren. Lehnhardt hat in dem Fall die Federführung von der Anfang September verstorbenen Hamburger Partnerin Nadine Herrmann übernommen. Counsel Hübner und er hatten schon von Beginn an daran mitgewirkt. Weitere Anleger vertritt beispielsweise die Kanzlei Tilp.
Jaffé setzt in der Angelegenheit auf einen langjährigen Vertrauten. SZA-Partner Liebscher vertritt den Insolvenzverwalter auch seit über zehn Jahren bei seinen Klagen im Insolvenzfall Qimonda. In einem weiteren Wirecard-Komplex ist Liebscher für Jaffé gegen Ernst & Young im Einsatz, konkret geht es vor dem Landgericht Stuttgart beispielsweise um die Herausgabe von Handakten. Dort urteilte das Gericht kürzlich ebenfalls zugunsten des Insolvenzverwalters: EY muss Jaffé Einsicht in die Handakten gewähren, so der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung (Az. 31 O 125/21 KfH).
In Fällen, die unmittelbar aus der Compliance-Untersuchung von Gleiss Lutz bei Wirecard stehen, vertritt ein Litigation-Team von Gleiss den Insolvenzverwalter. Darunter fällt etwa die Auseinandersetzung darum, ob die Jahresabschlüsse der Wirecard AG gültig waren.
K&E Treuhand ist eine Gesellschaft von Kirkland & Ellis um Insolvenzrechtspartner Dr. Bernd Meyer-Löwy. Sie nimmt als gemeinsame Vertreterin von Anleihegläubigern deren Interessen in Insolvenzverfahren wahr. Im Prozess ist Freshfields’ Hamburger Litigation-Partner Schroeder für sie tätig.
Wir haben den Artikel am 28.11.2022 ergänzt.