Zwist bei Gelita

Gericht entzieht Besonderem Vertreter den Boden

Seit mehreren Jahren tobt ein Familienstreit beim Gelatinehersteller Gelita. Das Unternehmen geht über einen Besonderen Vertreter gewissermaßen gegen sich selbst vor. Das Landgericht Heidelberg hat nun eine Klage gegen mehrere Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder abgewiesen. Die Begründung dürfte für ähnlich gelagerte aktienrechtliche Konflikte interessant sein: Der Besondere Vertreter Dr. Norbert Knüppel hatte gar kein Mandat für die Klagen. Der entsprechende Beschluss der Hauptversammlung sei nichtig.

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Knüppel_Norbert
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Gelita ist Weltmarktführer für Gelatineprodukte. Das Unternehmen hat 2.400 Beschäftigte und erzielte 2015 knapp 700 Millionen Euro Umsatz. Ursprünglich hielten drei Familienstämme jeweils etwa ein Drittel der Firmenanteile: Dr. Klaus-Philipp Koepff, sein Onkel Peter Koepff und Benjamin Plötzl. Doch dann kaufte Klaus-Philipp Koepff die Anteile des Familienzweigs um Plötzl und wurde so zum Mehrheitsgesellschafter. Wie das genau vonstatten ging, ist Gegenstand von mittlerweile drei Gerichtsverfahren. Diese hat der dritte Familienzweig um Peter Koepff ins Rollen gebracht. Der Onkel des jetzigen Mehrheitsgesellschafters ist zweitgrößter Aktionär.

Die Konstellation jeweils: Die Aktionäre um Peter Koepff haben auf der Hauptversammlung den Einsatz sogenannter Besonderer Vertreter durchgesetzt, die im Namen der Gesellschaft mehrere Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder verklagen. Mehrheitsgesellschafter Klaus-Philipp Koepff konnte wegen eines Stimmverbots nicht den Beschluss der Hauptversammlung verhindern, gegen führende Manager und Aufseher des Unternehmens vorzugehen.

Bei zwei der Klagen geht es um den Verkauf von Anteilen an dem Tochterunternehmen RPS, die der Vorstand angeblich absichtlich unter Wert veräußert hat. Hier soll der Stuttgarter Aktienrechtler Prof. Dr. Matthias Schüppen als Besonderer Vertreter insgesamt 40 Millionen Euro Schadensersatz durchsetzen. Eine Teilklage Schüppens auf 10 Millionen Euro Schadensersatz hatte das LG Heidelberg im vergangenen Sommer abgewiesen (Az. 11 O 8/15 KfH), das Verfahren liegt nun in der Berufungsinstanz beim OLG Karlsruhe. Diese Woche wird vor dem LG Heidelberg über eine weitere Klage in dieser Sache mit 30 Millionen Euro Streitwert verhandelt (Az.12 O 46/16 KFH).

Krieger_Gerd
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Richter ziehen Besonderem Vertreter den Teppich unter den Füßen weg

Die Klage, über die das LG Heidelberg jetzt entschieden hat, kam von dem weiteren Besonderen Vertreter Knüppel. Sie richtet sich ebenfalls gegen zwei Vorstands- und vier Aufsichtsratsmitglieder. Zudem gehört der Mehrheitsgesellschafter Klaus-Philipp Koepff zu den Beklagten, ebenso Benjamin Plötzl, der Koepff seine Anteile verkauft und ihn so zum Mehrheitsgesellschafter gemacht hatte. 

Hintergrund der Klage: Beim Verkauf der Anteile sei das Über- und Unterschreiten aktienrechtlicher Meldeschwellen nicht angezeigt worden. Damit hätten beide für mehrere Jahre ihr Anrecht auf Dividenden verloren. Die gezahlten Beträge fordert Knüppel zurück. Insgesamt geht es um 15,5 Millionen Euro. Die Vorstandsmitglieder nimmt Knüppel in Anspruch, weil sie die Dividendenauszahlungen zu Unrecht veranlasst hätten; die Aufsichtsratsmitglieder, weil sie dies nicht verhindert hätten.

Doch die Richter der Heidelberger Handelskammer beschäftigten sich nicht mit der Frage, ob die Dividenden zurückgezahlt werden müssen oder nicht. Sie wiesen die Klage als von vornherein unzulässig ab: Die Hauptversammlung hätte nämlich 2015 den Besonderen Vertreter gar nicht zu der Klage ermächtigen dürfen; der entsprechende Beschluss sei daher nichtig. Laut Aktiengesetz sei es Sache des Vorstands, etwaige Ansprüche durchzusetzen. Indem die Hauptversammlung einen Besonderen Vertreter damit beauftragte, griff sie nach Ansicht des Gerichts ungebührlich in die Kompetenzen des Vorstands ein.

Streit über die Rolle des Besonderen Vertreters

Nur in wenigen Ausnahmefällen könnten einem Besonderen Vertreter Kompetenzen zugewiesen werden, die normalerweise auf Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft verteilt seien, so die Kammer. Der konkrete Fall sei keine solche Ausnahme. 

Das Urteil dürfte auf reges Interesse stoßen, denn was ein Besonderer Vertreter kann und darf, ist derzeit ein heiß diskutiertes Thema. Zunehmend versuchen aktivistische Aktionäre über den Hebel des Besonderen Vertreters ihren Einfluss auszuweiten. Auch beim Baukonzern Strabag wird derzeit über Rolle und Rechte des Besonderen Vertreters gestritten, in dem Fall Dr. Thomas Heidel von Meilicke Hoffmann & Partner. Heidel spielte auch im Gelita-Komplex eine prominente Rolle: Er war es, der im Namen des Familienzweigs um Peter Koepff vor dem OLG Karlsruhe die außerordentliche Hauptversammlung erstritten hatte, auf der schließlich Schüppen zum Besonderen Vertreter ernannt wurde.

Vertreter Gelita       
Marccus (Düsseldorf): Dr. Norbert Knüppel, Dr. Christof Bremer

Trölitzsch_Thomas
Trölitzsch_Thomas

Vertreter Vorstände Dr. Franz-Josef Konert, Klaus Hanke   
Oppenländer (Stuttgart): Dr. Thomas Trölitzsch; Associate: Dr. Teresa Trutnau

Vertreter Aufsichtsratsmitglieder Jörg Siebert, Dr. Günther Niethammer, Dr. Christoph Kirsch, Dr. Konstanze Koepff-Röhrs 
Thümmel Schütze & Partner (Stuttgart): Prof. Dr. Roderich Thümmel (Federführung), Jens Haubold; Associate: Christoph Ballmaier

Vertreter Dr. Klaus-Philipp Koepff     
Hengeler Mueller (Düsseldorf): Prof. Dr. Gerd Krieger

Vertreter Benjamin Pötzl          
Baas Overlack Witz (Mannheim): Dr. Wolfgang Witz – aus dem Markt bekannt

Berater AIG (D&O-Versicherer)
BLD Bach Langheid Dallmayr (Köln): Michael Jakobs, Bastian Finkel – aus dem Markt bekannt

Landgericht Heidelberg, 11. Kammer für Handelssachen
Reinhard Dold (Vorsitzender Richter)

Hintergrund: Bei der Klage auf 30 Millionen Euro, die an diesem Dienstag vor dem LG Heidelberg verhandelt wird, ist die Beraterkonstellation dieselbe wie bei der Teilklage auf 10 Millionen, die das LG 2016 abgewiesen hat. Einzige Ausnahme: Diesmal hat der Besondere Vertreter Schüppen zusätzlich zu den zwei Vorstands- und vier Aufsichtsratsmitgliedern noch Mehrheitsgesellschafter Klaus-Philipp Koepff mitverklagt. Denn mit dem Geld aus der Sonderdividende nach dem RPS-Verkauf hatte Koepff die Mehrheit an Gelita übernommen. Koepff lässt sich in diesem Verfahren nach JUVE-Informationen von Dr. Jürgen Rieg von der Stuttgarter Kanzlei Kuhn Carl Norden Baum vertreten.

Auch beim Gericht gibt es eine veränderte Besetzung. Am LG Heidelberg war 2016 für die Teilklage Schüppens noch die 11. Kammer für Handelssachen zuständig, nun ist es die 12. unter Vorsitz von Dr. Friederike Bauer-Gerland.

Thümmel_Roderich
Thümmel_Roderich

In dem Komplex stehen sich angesehene Aktienrechtler gegenüber. Marccus-Partner Knüppel ist auch in weiteren Verfahren an der Seite von Minderheitsaktionären als Besonderer Vertreter tätig. Schüppen von Graf Kanitz Schüppen & Partner, Oppenländer-Partner Trölitzsch sowie Thümmel und Haubold sind anerkannte Stuttgarter Spezialisten für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten.

Thümmel gehört zudem zu den bundesweit anerkannten Beratern von Versicherern. Es wäre also auch nicht überraschend gewesen, wenn Thümmel statt BLD die Rolle des Monitoring Counsel für den D&O-Versicherer AIG in diesem Verfahren übernommen hätte. Für die Aufsichtsratsmitglieder kam Thümmel über die Empfehlung einer anderen Kanzlei ins Mandat.

Schüppen hat sich nach der Niederlage im Streit über den RPS-Verkauf für die Berufung die Münchner Kanzlei Ego Humrich Wyen an die Seite geholt. Die Gesellschaftsrechtsboutique war Ende 2015 von früheren Hengeler-Associates gegründet worden. Um zu belegen, dass der Gelita-Vorstand die RPS-Beteiligung zu günstig verkauft hat, ließ Schüppen ein Gutachten von Prof. Dr. Dirk Hachmeister anfertigen, Inhaber des Lehrstuhls für Rechnungswesen und Finanzierung der Uni Hohenheim. Die Richter in der ersten Instanz ließen sich davon aber nicht überzeugen.

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