Personalstrategien in Corona-Zeiten

Kanzleien dosieren nach Bedarf

Die Corona-Krise hat in den vergangenen Monaten viele Dinge, die in Kanzleien jahrelang selbstverständlich waren, außer Kraft gesetzt: Plötzlich können auch Associates im Homeoffice arbeiten ohne darüber diskutieren zu müssen, Transaktionsanwälte machen pünktlich Feierabend – und Kanzleien denken darüber nach, ob und wie viele Bewerber sie noch einstellen. Der seit Jahren anhaltende Kampf um die besten Bewerber ist nicht mehr die zentrale Sorge der HR-Verantwortlichen. Jetzt geht es darum, die Krise möglichst ohne Schaden für das bestehende Personal zu überstehen und zugleich für die Zukunft gewappnet zu sein.

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Die Corona-Krise macht’s möglich: Plötzlich können auch Associates ohne lange Diskussion im Homeoffice arbeiten, Transaktionsanwälte machen pünktlich Feierabend – und Kanzleien denken darüber nach, ob und wie viele Bewerber sie noch einstellen. Der Kampf um die besten Bewerber ist nicht mehr die zentrale Sorge der HR-Verantwortlichen. Jetzt geht es darum, die Krise zu überstehen und zugleich für die Zukunft gewappnet zu sein.

Andrea Bonanni
Andrea Bonanni

Das Blatt hat sich plötzlich gewendet: Wissenschaftlichen Mitarbeitern wurde gekündigt, Gehälter wurden eingefroren, Partnerentnahmen gestoppt und Associates ins freiwillige Sabbatical geschickt. Doch wie soll es nun weitergehen? Sind die personalhungrigen Kanzleien, unter denen die großen jährlich hunderte junge Juristen einstellen, nun erst einmal satt?

„Wir werden weiter einstellen, aber sicherlich noch weniger Kompromisse machen, was die Qualifikation der Bewerber angeht“, sagt Dr. Andrea Bonanni, Sprecherin für alle HR-Partner der verschiedenen Standorte von CMS Hasche Sigle. Die Kanzlei gehört neben Freshfields Bruckhaus Deringer, Hogan Lovells, Bird & Bird und Hengeler Mueller zu denen, die seit Jahren die meisten Neueinstellungen tätigen. Insgesamt wollten die fünf Kanzleien 355 Berufseinsteiger im Jahr 2020 einstellen. Alle sind sie sich gerade darin einig, dass man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehen kann, ob es dabei bleibt. Doch Bonanni bemerkt schon jetzt: „Der Bewerbermarkt hat sich mit der Corona-Krise komplett gedreht, für die Kanzleien, die noch einstellen, wird es wahrscheinlich einfacher werden, qualifizierte Bewerber zu bekommen.“   

Den Kreislauf am Laufen halten

Martin Ulbrich
Martin Ulbrich

Unter normalen Umständen – und das meinte in den vergangenen Jahren Hochkonjunktur – sind insbesondere Anwälte in ihren ersten Berufsjahren äußerst wechselwillig. Auch deswegen stellen Kanzleien in jedem Jahr so fleißig neu ein. Großkanzleien brauchen stetig Nachschub an jungen Anwälten. Das sorgt für eine ausgewogene Altersstruktur und hebt am Ende diejenigen in die Partnerschaft, die bewiesen haben, dass sie dafür gemacht sind.

Deshalb stecken Kanzleien viel Geld und Aufwand in die Nachwuchsarbeit, das Ausbildungssystem, das Recruiting. Doch was passiert, wenn dieser Kreislauf in der Krise unterbrochen wird? Ob breit aufgestellt oder nicht, Kanzleien rechnen mit einer Umsatzdelle in den kommenden Monaten. „Wir müssen auch in der Krise langfristig denken: Top-Talente, die wir jetzt nicht einstellen, fehlen uns für eine ausgewogene Altersstruktur in ein paar Jahren“, ist Dr. Martin Ulbrich von Hengeler Mueller überzeugt. Zwar wird von den heutigen Associates nur ein Bruchteil später zum Partner ernannt werden. Aber das Risiko einer ‚lost generation‘ wollen die Kanzleien nicht eingehen.

Lehren aus der Vergangenheit

Mario Hüther
Mario Hüther

Vor etwas mehr als zehn Jahren sahen sich die Kanzleien mit einem ähnlichen Szenario konfrontiert. 2009 führte die Bank- und Finanzkrise zu teils immensen Umsatzeinbußen. Viele senkten daraufhin erst einmal die Kosten und verringerten ihre Leverage. Die Spitze des Marktes stellte damals rund drei Prozent weniger Berufseinsteiger ein. Eine ganze Reihe von großen, häufig internationalen Kanzleien froren die Gehälter ihrer Associates ein. Dazu zählten unter anderem Allen & Overy, Latham & Watkins, Bird & Bird oder Freshfields.

Letztere hat auch in der aktuellen Corona-Krise bereits umfassende Sparmaßnahmen für das Personal eingeführt. Zwar verhängte Freshfields keinen konkreten Einstellungsstopp, auch soll es keine coronabedingten Kündigungen geben. Doch die Partner müssen zunächst auf ihre Entnahmen des vierten Quartals im gerade abgelaufenen Geschäftsjahr verzichten, die Bonuszahlungen werden verschoben und sollen frühestens im Herbst beziffert werden. Alle Gehälter werden zunächst bis Ende April 2021 eingefroren. „Unser vergangenes Geschäftsjahr war erfolgreich. Insofern sind das vor allem Vorsichtsmaßnahmen, um die Liquidität zu sichern“, sagt dazu Mario Hüther, personalverantwortlicher Partner bei Freshfields. „Unser Verständnis heute ist, dass wir alle gemeinsam durch die Krise gehen und jeder seinen Beitrag leisten muss.“ Anders als 2009 treffen die Maßnahmen nun aber alle Freshfields-Mitarbeiter und nicht nur die in den unteren Karrierestufen. (Anika Verfürth)

 

Mehr zu dem Thema lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des JUVE Rechtsmarkt (07/20), die am 22. Juni erschienen ist.

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