Stimmungsbild

Das beschäftigt Juristinnen und Juristen nach der US-Wahl

Der Ausgang der Präsidentschaftswahl in den USA bewegt auch die Kanzlei- und Inhouse-Juristen in Deutschland. Immerhin: Dass ein Wahlverlierer seine Niederlage nicht akzeptiert und darüber auch eine juristische Schlacht entfesselt, bleibt den USA dieses Mal erspart.

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Martin Seyfarth

Die Situation der politisch gespaltenen Gesellschaft bestehe nun schon so lange, dass man sich irgendwie daran gewöhnt habe, findet Martin Seyfarth, Partner bei WilmerHale. „Ich war selbst überrascht, wie unaufgeregt ich war, als ich die überwiegend rot gefärbte Amerika-Karte gesehen habe.“ Seyfarth stieg vor 25 Jahren im Washingtoner Büro der US-Kanzlei ein. „Bei der ersten Trump-Kandidatur und -wahl 2016 war die gesellschaftliche Anspannung nach meiner Wahrnehmung noch viel größer“, sagt Seyfarth. „Damals waren Spannungen zwischen Demokraten und Republikanern auch in der Law Firm zu spüren – das war jetzt nicht mehr so.“ 

Trump und sein Team sind diesmal besser vorbereitet als vor acht Jahren und durch die Mehrheit im Senat mit einem sehr mächtigen Mandat ausgestattet. „Er wird deshalb gezielter vorgehen und sein Regierungsteam schneller beisammen haben“, glaubt Seyfarth. Auch wenn das vielen zu Recht Sorgen bereite: „Kein US-Präsident kann sich Sachzwängen gänzlich verschließen – auch wenn das bedeutet, dass man manche Wahlversprechen eben nicht umsetzen kann.“ 

WilmerHale gilt als eine den Demokraten nahestehende Kanzlei und war für die Demokraten in einigen Vorgeplänkeln zu Präsidentschaftswahl im Einsatz, als es etwa um Wahlrechtsreformen ging. Auch Robert Mueller, der als Sonderermittler Trumps Russland-Verbindungen aufklären sollte, war WilmerHale-Partner. Seyfarth berichtete schon im Kontext der Wahl 2020: „Der frühere US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, hat mir einmal im Zusammenhang mit Bob Mueller knallhart gesagt: Mit einer Kanzlei wie Deiner, die so hart gegen meinen Präsidenten vorgeht, will ich nicht zusammenarbeiten.“ Demnächst könnte der damalige Botschafter Grenell Außenminister der USA sein.  

Transatlantischer Handel im Fokus 

Laurenz Tholen

Aktuell sind die USA der größte Absatzmarkt für deutsche Unternehmen. „In kein anderes Land der Welt exportiert Deutschland derzeit so viel wie in die USA – Autos, Pharmaprodukte oder Maschinen“, so Laurenz Tholen, Co-Praxisgruppenleiter für M&A bei Noerr. Es bestünde die Gefahr, dass dieses Geschäft durch eine protektionistische Haltung „empfindlich gestört wird, indem Donald Trump wie schon in seiner ersten Amtszeit Einfuhrzölle erheben wird“. Laut Zahlen von Eurostat nahmen die USA 2023 19,7 Prozent der Warenexporte der EU ab und waren damit größter Abnehmer ihrer Produkte, vor Großbritannien und China. 

Martin Vorsmann

„Mein Eindruck ist momentan, dass die schwierige Binnenlage Unternehmen derzeit noch mehr beschäftigt als protektionistische Pläne von Trump“, sagt Dr. Martin Vorsmann, Managing Partner bei CMS Hasche Sigle. „Aber mittel- bis langfristig dürften außenhandels- und zollrechtliche Fragen mit Blick auf einen drohenden Handelskrieg wichtiger werden“, vermutet er. Mehr Handelszölle könnten die deutsche Wirtschaft noch mehr ins Schleudern bringen. Dax-Unternehmen hätten bereits verschiedene Szenarien nach der US-Wahl antizipiert, berichtet er, aber „Syndizi im Mittelstand sollten jetzt gedanklich durchspielen, ob und wie sie von Handelszöllen betroffen sein können“. 

Auswirkungen auf das China-Geschäft 

Klaus Taraschka

Klaus Taraschka, General Counsel des Stuttgarter Anlagenbauers Exyte sagt mit Blick auf Trumps Wahl: „Ich denke, dass der Kapitalmarkt positiv darauf reagieren wird.“ Er erwartet auch, dass die Zinsen nicht mehr steigen. „Jedoch werden sich vermutlich die Spannungen mit China erhöhen“, so Taraschka, der regelmäßig Exyte-Produktionsstätten in Südostasien besucht. „Gerade Letzteres wird sich auch in weiteren regulatorischen Anforderungen und etwaigen Rechtsstreitigkeiten niederschlagen, die wiederum zusätzliche Arbeit für die Rechtsabteilung bringen“, glaubt er.  

Auch der General Counsel einer deutschen Bank erwartet, dass der Wahlausgang auf die Beziehungen zu China weit mehr Auswirkungen haben wird als auf den europäischen Markt. „Das wird eine andere Tonlage dort“, schätzt er. Er selbst sei gelassen und auch nicht überrascht worden von dem Wahlergebnis. Die amerikanische Finanzindustrie habe sich schon in den vergangenen Monaten überwiegend hinter den republikanischen Kandidaten gestellt. Denn sie verspräche sich wie in der ersten Amtszeit eine deutliche Reduzierung der regulatorischen Auflagen und künftig mehr Handlungsspielraum hinsichtlich komplexer Verbriefungstranskationen und des Umgangs mit Eigenkapital. Dass Kamala Harris in den deutschen Medien hoch gehandelt wurde, habe ihn hingegen überrascht. „Ein Kopf-an-Kopf-Rennen war das schon lange nicht mehr aus Sicht vieler Marktbeobachter.“ 

Cross-Border-Deals nur in einer Richtung? 

Cornelia Topf

„Man hatte genug Zeit, sich darauf vorzubereiten, insofern bin ich nicht beunruhigt“, sagt auch Gleiss Lutz-Partnerin Dr. Cornelia Topf. „Auf M&A Transaktionen im Infrastruktur-Bereich wird der Wahlausgang voraussichtlich keine starken Auswirkungen haben“, so die Transaktionsexpertin, die in dieser Hinsicht eine unverändert hohe Aktivität erwartet. „Wir sollten uns aber alle darauf einstellen, dass sicher ist, dass nichts sicher ist“, so Topf. 

„Das Geschäft mit Fragen zur Transformation und Energiewende wird bleiben“, schätzt auch CMS-Partner Vorsmann, „selbst wenn die EU an der einen oder anderen Stelle bei der Klimaschutzregulierung einen Gang rausnehmen sollte.“ 

Barbara Mayer

Ein reges transatlantisches M&A-Geschäft erwartet Dr. Barbara Mayer, Co-Leiterin der Praxisgruppe Corporate/M&A bei Advant Beiten. „Outbound sind deutsche Direktinvestitionen (FDI) in den USA bereits in den vergangenen Jahren gestiegen – und werden weiter steigen“, glaubt sie. „Wirtschaftskanzleien, die – wie wir – deutsche Mandanten bei ihren FDI/M&A in den USA begleiten, werden davon profitieren.“  

Das Inbound-Geschäft hingegen werde Mayers Meinung nach maßgeblich davon abhängen, ob Deutschland es schaffe, international wieder wettbewerbsfähig zu werden, etwa durch Bürokratieabbau und Steuerentlastungen.  

Robin Eyben

Osborne Clarke, die sich bereits vor Wochen auf beide möglichen Szenarien vorbereitet hatte, rechnet damit, dass der Krypto-Markt unter Trump offener und mit weniger Regulierung als bisher gestaltet wird, sagt ihr Berliner Partner Robin Eyben. Auch beim Thema Künstlicher Intelligenz und Datenschutz erwartet er nun weniger Regulierung. Für den Umfang der Rechtsberatung in der Europäischen Union habe dies aber keine unmittelbaren Konsequenzen.  

Dass sich einige berühmte Venture Capital-Investoren auf Trumps Seite geschlagen hatten, erläutert er wie folgt: „In der Tat gehen sie davon aus, dass unter Trump die Zinsen und Unternehmenssteuern sinken und weitreichende Deregulierungsmaßnahmen ergriffen werden, was erstmal das Geschäft antreibt“. Ob US-Mandanten bald weniger in Europa investieren? Das bezweifelt er. Der Markt für Innovationen sei nach wie vor stark in Europa.  

Machtverschiebung auch im Kanzleimarkt? 

Doch das Wahlergebnis könnte den Kanzleimarkt verändern, so die Einschätzung eines Marktteilnehmers: „Das Geschäft von US-Kanzleien könnte durch den Wahlsieg Trumps einen weiteren Push bekommen, was die Schere zwischen den Einheiten in der EU und den USA vergrößern könnte“, glaubt er. „Es stellt sich die Frage, ob US-Wettbewerber noch Appetit haben, in Europa zu expandieren.“ 

Zwar gibt es hierzulande viele US-Kanzleien mit einer durchaus starken deutschen Praxis, aber eben auch etliche, die diese eher subventionieren. „Ob die dann hier noch viel Geld reinstecken, ist fraglich“, meint der Partner einer hier sehr erfolgreichen US-Kanzlei.  

Wenn die politische Spaltung in den USA eines erreicht hat, dann, dass es vielen Großkanzleien umso wichtiger ist, sich unangreifbar zu machen. „Zu politischen Fragen äußern wir uns nicht“ – heißt es häufig, wenn man nur wissen will, die die Stimmung nach der wohl wichtigsten Wahl des Jahres so ist. 

Alexandra Diehl

Dr. Alexandra Diehl ist Disputes-Partnerin im Frankfurter Büro von White & Case und – in diesen Tagen vielleicht noch wichtiger – Vize-Vorsitzende der Deutsch-Amerikanischen Juristen-Vereinigung (DAJV). Sie betont: „Die Deutsch-Amerikanische Juristen-Vereinigung positioniert sich bewusst nicht politisch.“ Man wolle ein Diskussionsforum bieten – denn es werde in nächster Zeit mehr denn je darauf ankommen, im Dialog zu bleiben. „In unseren Debatten bringen wir alle Lager an einen Tisch, es werden auch Finger in die Wunde gelegt – dabei hilft, dass wir als Vereinigung neutral sind.“ Diehl ist überzeugt: „Gerade in einer Zeit, in der viele das Gefühl haben, dass es schwieriger wird, sich über politische Gräben hinweg zu verständigen, gewinnen Foren wie die DAJV an Bedeutung.“ 

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